Giacomo_S
Ritter der Sonne
- 13. August 2003
- 4.721
Weil die das weiter entwickeln und hier genau 0 Ingenieure noch daran arbeiten. Wenn wir das hier planen müssten wir es vermutlich in China einkaufen oder es dauert 10-20 Jahre das hier wieder hoch zu ziehen.
In China kann der Staat auch einfach Landbesitzer zwangsmäßig enteignen und eine Hochtrasse selbst dann bauen, wenn es dem eigenen Volk gar nicht gefällt. In Deutschland dauern Planung und Ausführung auch nur einer gewöhnlichen S-Bahn-Stecke einer Großstadt (2. Münchener Stammstrecke) deutlich mehr als 20 Jahre, aus allen möglichen Gründen.
Im Übrigen, wo wir schon bei dem Thema Bahn sind:
Man hätte und hat mehr als genug damit zu tun, allein nur die bereits vorhandenen und seit Jahrzehnten vernachlässigten Strecken zu modernisieren und/oder überhaupt nur in Stand zusetzen. Auf Strecken im Übrigen, die gut ausgelastet sind, von allen Altersgruppen und Schichten, denn die Züge und Bahnsteige sind voll - was ein jeder feststellt, der mit der Bahn fährt.
Anstatt auf eine Hochtechnologie zu setzen, die nur von wenigen Privilegierten genutzt wird, weil nur sie es sind, die sich dann die Tickets leisten können ... während die Proleten dann nach wie vor in einer maroden Bundesbahn fahren dürfen.
Ich möchte nichts unterstellen, das ist was ich aus Deinen Beiträgen verstehe. Gerne nehme ich entgegen das ich das falsch verstanden habe. Gegen welche Technologie genau bist Du? Die technische Erweiterung des Menschen? Prothesen die sich bewegen auch schon?
Wie entscheidest Du was Du ablehnst und was nicht?
Ablehnen kann ich, was ich will. Verbieten kann ich nichts. Ablehnen kann ich auch Tätowierungen oder Weichspüler, das bedeutet nicht, ich könnte sie auch verbieten.
Elon Musks Gehirnchip wird nicht ohne Grund zunächst als medizinischer Chip entwickelt, für Schlaganfall-Patienten, Blinde, was auch immer.
Denn so ganz beliebig darf der Chip nicht sein, denn das würde keine Gesundheitsbehörde der Welt zulassen. Oder um es mal mit einem anderen, sicherlich extremen Beispiel zu verdeutlichen: Eine Kopftransplantation kann weltweit auch niemand durchführen, auch dann nicht, wenn alle Beteiligten damit einverstanden sind.
Der Transhumanismus wirft gleich eine ganze Reihe ethischer Fragen auf, die bislang ungelöst sind.
Bleiben wir mal bei Deinen Beispielen, dem Chip im Kopf:
Ein Chip, der den IQ auf 140 katapultiert, egal, bei wem. Schlafen muss man nur noch 2 Std. pro Tag, man ist immer ausgeglichen und gut gelaunt und emotional stabil. Dann kann man auch gut jeden Tag 12 Std. arbeiten statt nur 8 Std., und viel mehr Geld verdienen. Außerdem: Es ist ja ganz freiwillig, du kannst, aber musst es ja nicht tun, niemand zwingt dich ...
... ja, wenn wir denn so frei wären, und das ist nicht der Fall.
Das vereinfachte Freiheitsmodell ignoriert die Tatsache, das wir alle in Konkurrenzsituationen zu anderen leben: Was, Sie können nicht 12 Std. arbeiten? Ja haben Sie denn keinen Gehirnchip? Und fünf Vorgänge gleichzeitig ausüben, das können Sie auch nicht? Ja, wo leben Sie denn, etwa im 20. Jh.? Nein, dann können wir Sie nicht einstellen.
Das klingt überzogen, in manchen Bereichen & Branchen ist das im Grunde aber bereits heute schon so.
Früher hatte ein Hollywood-Schauspieler Aussehen, Talent und eine Schauspielausbildung zu haben. Heutzutage kommt noch die Mucki-Bude obendrauf, mindestens. Ein James Bond mit der Figur, dem Bauch und den Oberarmen eines Roger Moore wäre heutzutage völlig chancenlos.
Kommen Hollywood-Schauspieler in die Jahre - und die verschieben sich immer weiter nach unten - dann geht ohne die Plastische Chirurgie gar nichts mehr. Manche reden öffentlich darüber, die Mehrheit verschweigt es, aber eines haben sie gemeinsam: Lassen sie es, dann bekommen sie schlicht keine Engagements mehr: Ein Pflichtprogramm, spätestens ab dem Alter von 45 Jahren.
Betrachten wir einmal Technologien, die ich als junger Erwachsener erst nicht hatte, die dann aber kamen: PC, Handy, Internet:
Selbst in jungen Jahren Computeriot, galt ich mit meinem ersten, halbwegs anständigen Homecomputer als Spinner, sogar für Jahre. Als ein Nerd, ein Spieler oder auch Bastler, irgendwie vergleichbar mit CB-Funkern zuvor. Das Handy, klobig, teuer, galt als Prestigeobjekt von Wichtigtuern. Das Internet war noch eine reine SF-Idee.
Heute hat das alles nicht nur ein jeder (und ja: All das ist ganz erheblich erschwinglicher geworden).
Es sind vielmehr Standards geworden, ohne die man gar nicht mehr zu leben in der Lage ist. Die Freiheit, ohne ein Smartphone, den eigenen PC, das eigene Internet leben zu wollen - die kann man sich eben nicht mehr aussuchen: Selbst in einer Großstadt wird man unterwegs keine Telefonzelle mehr finden. Bestimmte, aber gar nicht einmal so exklusive Produkte ohne Internet kaufen? Geht nicht mehr, es gibt die Läden nicht mehr. Deine Bankkarte gerade kaputt, du musst zeitnah etwas überweisen, und gehst in deine Bankfiliale, für einen händisch auszufüllenden Überweisungsschein? Machen sie nicht mehr, müssen sie erst bestellen, erst ab 10.000€. Na, dann gehe ich eben in ein Internetcafé ... verschwinden gerade alle.
Ich möchte damit nicht behaupten, ich fände das persönlich belastend. Vielmehr möchte ich damit aufzeigen: Die Freiheit, ohne diese Technologien leben zu können, die habe ich keineswegs. Sie sind ein Standard geworden, ohne den man nicht mehr leben kann, und dies im Übrigen nicht nur als moderner Stadtneurotiker nicht, sondern auch auf dem Land, gar Entwicklungsländern noch eher viel weniger.
Nun haben diese Technologien wenigstens eines gemeinsam: Sie sind kein Teil meines Körpers, der ist nach wie vor unantastbar. Meinen defekten PC kann ich austauschen, aber den defekten Chip im Hirn? Und der Chip im Hirn, erst nur ein Teil für moderne Cyborgs, dann gesellschaftlich akzeptiert ... und schließlich ein unumgänglicher Standard? Wer garantiert uns, das solche Technologien nicht genauso vom Nice to Have zum Must Have werden? Wie praktisch alle Technologien vor ihr: Schreibmaschine, Telefon, Führerschein/Auto, PC, Handy, Internet? Nur dann mit dem Unterschied, das sie einen Eingriff in die Unantastbarkeit meines Körpers darstellen?
Ja, das finde ich bedenklich, sehr sogar, und genau aus dieser Lebenserfahrung sollte man sehr vorsichtig sein mit solchen Entwicklungen. Ganz egal, wie "freiwillig" sie zunächst auch sein mögen.