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"kampf gegen den terror"

forcemagick

Ritter der Sonne
12. Mai 2002
4.641
ein ekelhaftes tierchen der bush....

kreaturen wie der sind es doch, die uns in den ruin treiben...
 

samhain

Ritter Rosenkreuzer
10. April 2002
2.774
absolut genialer text zum thema, unbedingt lesen!!!!


USA und der Terror

Trauma-Arbeit

Amerika hat die Katastrophe gefürchtet. Aber es hat die Welt sich selbst überlassen / Von Klaus Theweleit

In Don DeLillos Roman "Unterwelt" beschreibt Nick Shay, die Hauptfigur, die Katastrophenphantasien seines 13-jährigen Sohnes, der daran glaubt, sein intensiv-magischer Blick würde ausreichen, ein Flugzeug in der Luft zur Explosion zu bringen: "Ein Flugzeug in der Luft war eine allzu starke Provokation, um sie zu ignorieren. (...) er glaubte, er könne fühlen, wie das Objekt sich selbst danach sehnte, einfach zu bersten. Er brauchte sich nur das Brandbild herbeizuwünschen, und schon würde das Flugzeug in Flammen aufgehen und zerschellen. Seine Schwester sagte immer zu ihm, Na los, jag es in die Luft, das will ich sehen, wie du die-ses Flugzeug mit allen zweihundert Leuten an Bord aus der Luft holst, und es er-schreckte ihn, jemanden so reden zu hören, und es erschreckte auch sie, denn sie war sich nicht vollkommen sicher, ob er es nicht doch könnte. Das ist eine besondere Fähigkeit Heranwachsender, sich das Ende der Welt als Anhängsel der eigenen Unzufriedenheit vorzustellen." Es soll knallen, irgendwo. Die Ambivalenz der Kamerablicke Amerikas und die unseres eigenen Blicks auf die berstenden Twin Towers in der Himmelskrone New Yorks ist niemandem verborgen geblieben; eine komplette Kapitulation des Auges als kritischer Instanz, und eine peinigende Befriedigung offenkundig beteiligter Wunschblicke.

DeLillos Text, gelesen durch den Crash des World Trade Centers, legt die Diagnose nahe, die Gesellschaft gleiche jenen 13-Jährigen, wäre ein Club von Infantilen, die aus ihrem Alltagswust von Arbeitsstress, Geldmangel, unglücklichen Beziehungen etc. den bequemen Ausweg wählen, die ganze Scheiße in die Luft gehen zu sehen, ein Jüngstes Gericht in Serie, das wir aber, medial und strafrechtlich befriedet, nicht selbst veranstalten, sondern es Independence Days erledigen lassen.

Wir haben in der Tat alle Katastrophen schon gesehen. Wie E.T.A. Hoffmanns Träumer finden wir beim Erwachen die Figuren unseres Albtraums real auf der Bettkante sitzend vor: ein Totalangriff auf die Unterscheidung real / irreal. Der Unterschied zum romantischen Horror liegt nur darin, dass die Zerstörer meist als Aliens hereinschneien. Lässt man aber, um wieder etwas "Realität" unter die Füße zu bekommen, die Fundamentalisten aller Länder aufeinander los, bekommt Huntington recht. Die Kulturen werden zurückgestutzt auf ihre infantilen Kerne und gehen sich gegenseitig an die (religiösen) Kehlen.

Die Furcht ist nicht unbegründet. Der amerikanische Psychohistoriker Lloyd deMause hat bei früheren amerikanischen Konflikten mit der arabischen Welt (Irak, Libyen, Iran) festgestellt, dass die offizielle Sprache der amerikanischen Politik im Umgang mit den "Orientalen" regelmäßig von Betrafungsfantasien eingenommen wurde: unartige Bastard-Kinder einer aufsässigen Dritt- und Viertwelt, gestraft von der christlich-puritanischen ersten. Die Bush'schen Töne: We'll get them. We'll punish them. We'll smoke them out, entstammen sowohl diesem Kontext, wie ebenso deutlich dem der Indianerkriege.

Es waren Twins, die im World Trade Center getroffen wurden. Was an eine der erfolgreichsten TV-Serien des vergangenen Jahrzents erinnert, David Lynchs "Twin Peaks", in der er die Twin Peaks als jenen Doppelhügel enthüllt, um den eine amerikanische Zentralfantasie ständig kreist: die Brüste der vom Vater vergewaltigten Tochter, die negative Fantasie von der Bedrohung ihres Körpers durch sexuellen Missbrauch. Das positive Gegenstück zu dieser Düsternis der Horizontalen sind die Twin Towers, die sich glänzend erheben über die Gewalttätigkeiten der Ebenen des mittleren Westens. Die Twin Towers verkörpern die Rede von Amerikas Erfolg, Überlegenheit und Kühnheit. Der Anschlag auf diesen Doppelphalluswar ebenfalls doppelt. Es ging nicht nur darum, die symbolischen Zentren zu treffen, sondern auch die Organisationszentralen der Macht. Wäre das zum Absturz gebrachte vierte Flugzeug auf das Weiße Haus gestürzt, wie offenbar vorgesehen, wäre das Zwillings-Szenario komplett gewesen, bei aller Grausamkeit meisterlich inszeniert und durchdacht.

Der Militärhaushalt der USA hat sich seit Reagan vor allem um die Vorstellung einer Raketenabwehr äußerer Feinde gedreht. Clinton hat das heruntergefahren, Bush wieder herauf. Der Rest der Welt hält "SDI" eher für ein Fantasieprodukt. Jetzt kam eine Antwort aus dem Inneren Amerikas. Es gibt mit einem Mal Leute, die kapiert haben, dass man diese Übermacht nur mit ihren eigenen Waffen von innen heraus angreifen kann, mit dem, was sonst ihre zivilen Stärken sind. Das Netz der Binnenflüge wird zu einem potentiellen Schwarm von Bomben und Raketen. Das unterläuft nicht nur das Sicherheitskonzept der SDI-Schirme. Dieser Angriff - von CNN übersetzt in die Formel America Under Attack - belebt das Trauma vom "Feind im eigenen Körper", den zuletzt die vier Alien-Filme behandelten: Im eigenen Körper wächst das verzehrende Böse heran, hereingelangt durch eine Art Infektion oder Infiltration, und bricht dann - den Wirtskörper zerreißend - tötend hervor.

Amerikatourtisten belächeln gern die Angst vor Bakteriellem, wie sie auf den Formularen der Einwanderungsbehörde deutlich wird - keine Salami, keine Bauernhofbesuche. Das hat Gründe. Hinter dem mehr oder weniger offenen Eingeständnis, im Lauf der Besiedlung die indianischen Populationen getötet zu haben, liegt der weniger behandelte, aber umso bohrendere, der das eigene Wesen als "vergiftend" ausweist.

Das viel diskutierte Buch "Guns, Germs and Steel" von Jared Diamond hat Amerika vor einigen Jahren mit der Tatsache konfrontiert, dass der größte Teil der Native Americans nicht an Waffen starb und Alkohol, sondern an Seuchen. Und zwar nicht, wie lange geglaubt, hauptsächlich Masern, sondern an von Haustieren übertragenen Infektionen, die die Europäer mit sich brachten: Schweine-, Hühner-, Rinderpest. Die Weißen brachen wie Aliens in diesen Kontinent ein und infizierten die Bewohner mit Krankheiten, gegen die es kein Mittel gab. Auf dem tiefsten Grund des amerikanischen Unbewussten liegt dieses Wissen vom Selber-Alien-Sein. Wir selbst sind "das Tötende". Die aus dem Innern Amerikas hinaus in die Twin Towers gesteuerten Flugzeuge, ihr Durchschlagen der schützenden Körperpanzer, belebt diese Urszenerie vom ausbrechenden Alien in einem bisher unbekannten Ausmaß. Hinzu kommt Präsident Bushs noch ganz frische Rede von erweiterten amerikanischen Forschungen zur bakteriellen Kriegführung, jetzt sofort ergänzt von der Furcht, auch Terroristen verfügten über die verschärfte Milzbrandbakterie.

Zwang zur Vergeltung

Der Gegenschlag der USA gegen "das Böse" soll nicht nur Vergeltung üben, er soll dem Geschehen wieder einen Realitätsboden einziehen, auf dem die Psyche Amerikas zur Balance zurückfinden kann. Wird man die Täter nicht mit Sicherheit ausmachen können, wird man einen konstruierten Gegner wählen. Strike back ist von frühesten Besiedlungszeiten an ein amerikanisches Muss. Dessen Ausbleiben reißt ein ungeheures Loch in die Psyche des Landes. So hält Bush in seinen Reden den Gegenschlag ständig präsent, unabhängig davon, wie nah oder fern er faktisch liegt. Boulevardblätter wie die New York Post fordern Vergeltungsmaßnahmen "nicht in Tagen oder Wochen, sondern jetzt", right now. Die Blockhütte liegt in Asche, 6000 Gute sind skalpiert, die Verfolger holen die Gewehre aus dem Regal und satteln ihre Marschflugkörper. Bloß sind keine Indianer greifbar. Greifbar ist das ständig wachsende Loch "ausbleibender Vergeltung". So muss die stündlich wiederholte Versicherung helfen, die Twin Towers wieder aufzubauen, größer, schöner, sicherer. Wo steht der Feind? Wenn er irgendwie "nirgends" steht, steht er überall. Kill them all, war mehr als einmal zu hören aus New Yorks Straßen. Dieses all könnte mehr umfassen, als uns allen recht sein kann.

George Bush senior hatte die Bombardierung des Irak 1991 unter anderem damit gerechtfertigt, dass sie die Grundlage einer New World Order legen würde, einer Neuen Weltordnung, die unter der Formel NWO offiziell in Leitartikel und Politikerreden einging. Die Weltgemeinschaft der Staaten war geboren. Die NWO manifestierte sich allerdings nur darin, den USA über Saudi Arabien Zugang zu den benötigten Ölressourcen zu garantieren. Zwar entschärfte sich der israelisch-palästinensische Konflikt vorübergehend, aber nach dem Mord an Itzak Rabin überließ man das Feld zunehmend den Hardlinern.

Wenn jetzt in den verschiedensten Teilen der Welt die Forderung laut wird, die USA sollten ihre Nahostpolitik überdenken, nehmen wir erstaunt wahr, dass eine Nahost-Politik der USA, abgesehen von Clintons quasi schon im Abtritt unternommenen Versuch, die Teilung Jerusalems zu regeln, gar nicht existiert. Hinter der Bombardierung Jugoslawiens verbarg sich zwar pro forma ein Appell an die "demokratischen Kräfte des Balkans", faktisch aber lief alles auf eine Ethnisierung in neuen Nationalstaatsgrenzen hinaus. In noch stärkerem Maße war die angestrebte Demokratisierung Arabiens in der New World Order eine Verbalkrücke. Faktisch wurden Könige und Scheichs gestützt, nicht mal der Sturz des Diktators Saddam Hussein wurde ernstlich betrieben.

Die Politik, der die USA in allen Konfliktherden jeweils folgten, gehorchte der Sicherung jeweils gerade dominanter Wirtschaftsinteressen (Nahost) oder politischer Interessen (Afghanistan) oder ein undurchsichtiges Gemisch aus beidem (Jugoslawien). Nirgendwo war auch nur in Ansätzen sichtbar, dass die Vereinigten Staaten etwa die starken antifundamentalistischen Bestrebungen in der arabischen Welt, nämlich die Kräfte, die auf westlich orientierte Demokratien hinarbeiten, tatsächlich unterstützen würden. Niemand in diesen Ländern weiß, an wen in den USA er sich richten könnte mit Berufung auf eine amerikanische die Prinzipien demokratischer Willensbildung durchsetzende Außenpolitik. Der momentan weltweit sichtbar werdende Hass vieler Populationen auf "die US-amerikanische Arroganz" hat diesen Hintergrund.

Amerika hat keinen Mund, der irgendetwas Sinnvolles für die Belange dieser Länder in sie hineinsprach oder spricht. Das mächtigste Land der Welt hat schlicht keine definierbare Außenpolitik, es hat nur Macht- und Interessenssphären, die vollkommen opportunistischen Regeln unterliegen, die heute einen Verbündeten mit Waffen beliefert, der morgen aber, wenn die Gewichtung sich verschoben hat, ein Feind und die Zielscheibe amerikanischer Waffen sein kann. Dies ist vielleicht der eigentliche Skandal auf amerikanischer Seite: Das Land leistet sich - einschließlich wiederholt vom Zaun gebrochener Düpierungen der UNO - schlicht die Abwesenheit jeder Außenpolitik. So stehen wir hilflos vor einer Form der Globalisierung, die den ökonomischen Vorgängen kei-ne politischen zur Seite stellt, einer Globalisierung, die viele an den Welthandel angeschlossene oder anzuschließende Gesellschaften in politisch explosiven Zuständen belässt oder diese sogar erst erzeugt. Wer so den Boden realer Verlässlichkeiten immer wieder verlässt, erzeugt ein Vakuum, das durch die Versprechungen der westlichen Warenwelt nicht gefüllt werden kann. Ein Trauma für sich.

Der Autor ("Männerphantasien") ist Kulturwissenschaftler und lebt in Freiburg.
 

forcemagick

Ritter der Sonne
12. Mai 2002
4.641
das ist tatsächlich ein sehr guter artikel...

die usa benehmen sich imperial und das schon seit geraumer zeit....kritiker werden ignoriert....

so wie man in einem streit den anderen irgendwann anschreit, so steigerte sich auch der ton der feinde amerikas..von symbolischem flaggenverbrennen über gelegentliche entführungen bis hin zum bislang größtem schlag....

aber auch der wird wieder keine wirkung zeigen.... der kontrahent usa wird weiter ignorieren....

eigentlich kein wunder, wenn die ungehörten zu noch drastischeren mitteln greifen werden...
 

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