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Gedanken zum Toleranzbegriff

Lupo

Ritter Kadosch
3. Oktober 2009
6.094
Ich hatte ja versprochen, diesen Thread zu eröffnen. Also - hier isser!

Ausgangspunkt war eine Bemerkung, die Toleranz wäre lau und gleichgültig, der ich nicht beigepflichtet habe.

Kurz meine Sichtweise: Toleranz ist kein Begriff, der für sich allein steht. Er ist untrennbar mit dem Begriff der Freiheit verwoben. Ohne Toleranz keine Freiheit, und ohne Freiheit keine Toleranz. Es sind zwei Seiten einer Medaille, zusammengehalten durch den kategorischen Imperativ.

Warum? Freiheit bedeutet das Recht, sein Leben selbst so zu gestalten, wie man es für richtig hält (In gewissen Grenzen, klar, aber die sind hier nicht das Thema). Das bedeutet zwangsläufig, manche Dinge anders zu machen, als es andere tun würden. Und dies müssen, sofern besagte Grenzen gewahrt bleiben, auch ertragen und dulden können. Man selbst muss es auch ertragen und dulden können, dass andere ihr Leben anders handhaben als man selbst.

Aber dieses „ertragen und dulden“ ist für mich noch nicht gleichbedeutend mit Toleranz. Es geht nicht darum, einfach nur das hinzunehmen, was man sowieso nicht ändern kann. Wenn mir meine Freiheit etwas wert ist, sollte mir auch die Freiheit eines Anderen etwas wert sein. Und ich sollte auch bereit sein, für seine, wie auch für meine Freiheit einzustehen, auch dann, wenn er etwas anders macht, als ich es tun würde.

Dazu noch eines: Freiheit und Toleranz sind zwischenmenschliche Werte, die sich nur im Miteinander entfalten können. Ein einzelner kann die Bereitschaft dazu als Tugend haben. Aber wirklich entstehen kann sie nur im Miteinander. Es ist also keine Toleranz, die entsteht, wenn ich z.B. eine Religion toleriere, die mich als Ungläubigen vom Erdboden tilgen möchte. Toleranz macht nicht aggressiv, aber auch wehrlos.

So weit mal ganz grob zusammengefasst. Vieles nur angedeutet, manches vielleicht auch vergessen. Aber ich will ja hier auch keinen Essay schreiben.
 

Bella Varia

Geheimer Meister
30. Juli 2023
428
Ausgangspunkt war eine Bemerkung, die Toleranz wäre lau und gleichgültig, der ich nicht beigepflichtet habe.
Diese Bemerkung bezog sich auf die Religion, nicht auf Gesellschaftliches, während dein Beitrag Gesellschaftliches angesprochen hat. Es ging darum, dass Vertreter der Religionen aus aller Welt durch das von den Medien propagierten Bildes auf einer Bühne beisammenstehen, als ob sie sich verstünden. Es wird aber nicht propagiert, die Religion des anderen zu verstehen. Die Erfahrung lehrt, dass davon auch nicht ausgegangen werden kann. Stattdessen stehen die Religionen und ihre Vertreter ohne religiösen Zusammenhang nebeneinander. Sie verstehen sich nur insoweit, als dass sie sich trotz anderer Ansicht tolerieren, statt den eigenen Glauben aufzuzwängen, statt aufeinander einzuschlagen, zu foltern, Ungläubige zu töten und dergleichen.

Entgegen des früheren Bildes, das Christentum sei allein die richtige Religion, werden durch das bunte Bild der Bühne die Religionen zwar als gleichwertig dargestellt, aber welche der Religionen ist denn dann die richtige, wenn sie alle trotz des offensichtlichen Unterschieds gleichwertig sind? Worin unterscheiden sie sich, worin sind sie sich gleich? Wieso unterscheiden sie sich denn überhaupt, wie kommt das, nach welchen Kriterien richtet man sich dann aus? Ist es ein lustiges Spiel, mal heute diese Ansicht ausprobieren und dann mal jene? Wozu Osiris und Zeus, wo sind sie nur geblieben, warum sind ihnen entsprechende Religionen ausgestorben? Wozu Allah, Atman, Jesus und Christus, wenn sie in anderen Religionen gar nicht auftauchen? Warum ist nicht alles eine einzige gleich aussehende Religion? - Solch religiöse Grundsatzfragen bleiben durch bloße Toleranz offen, weshalb hier die Läue regiert.
 

Lupo

Ritter Kadosch
3. Oktober 2009
6.094
Kann man zwischen Religiösem und Gesellschaftlichem sauber unterscheiden?

Meiner Ansicht nach nicht. Sobald jemand seinen Glauben nicht für sich behält, sondern nach außen trägt, interagiert er ja mit anderen Menschen, die sich dann irgendwie mit ihm und seinem Glauben arrangieren müssen. Und schon ist es gesellschaftlich.

Die Frage, welche Religion nun die objektiv richtige ist, kann meines Erachtens überhaupt nicht entschieden werden, natürlich auch nicht durch Toleranz. Allerdings ermöglicht Dir das Vorhandensein von Toleranz überhaupt erst, diese Frage zu stellen, ohne sofort auf irgend einem Scheiterhaufen zu landen und auch, dass Dir die Freiheit zugestanden wird, Dir die für Dich richtige Antwort selbst zu finden. Mehr kann und sollte man, glaube ich, nicht erwarten.
 

Giacomo_S

Ritter der ehernen Schlange
13. August 2003
4.133
Spontan fällt mir da so ein Spruch aus den 1970ern ein (Konstantin Wecker?): Heute sind wir so tolerant und geben jedem Arsch die Hand.

Die Frage, welche Religion nun die objektiv richtige ist, kann meines Erachtens überhaupt nicht entschieden werden, natürlich auch nicht durch Toleranz. Allerdings ermöglicht Dir das Vorhandensein von Toleranz überhaupt erst, diese Frage zu stellen, ohne sofort auf irgend einem Scheiterhaufen zu landen und auch, dass Dir die Freiheit zugestanden wird, Dir die für Dich richtige Antwort selbst zu finden. Mehr kann und sollte man, glaube ich, nicht erwarten.

Kleriker, welcher Religion auch immer zugehörig, können oft mehr als Gott. Denn Gott weiß alles, aber Kleriker, die wissen alles besser.
Gegen was haben uns Kleriker schon alles die Leviten gelesen? Nein, als einen toleranten Berufsstand kann ich Kleriker wirklich nicht bezeichnen.

Ein anderer Berufsstand, den ich persönlich schon oft als wenig tolerant erlebt habe, das sind Künstler. Man meint immer, gerade Künstler seien tolerante Menschen, ich aber habe oft das Gegenteil erlebt. Es gibt Themen, die ich in etwaigen Kneipengesprächen überhaupt nicht mehr anzusprechen wage, denn dann gehen sie alle immer gleich hoch wie eine Rakete (wissenschaftliche Farbtheorie, mit der ich mich viel beschäftigt habe).

In den letzten Jahren habe ich mich teils mit schwierigen Lebens- und Arbeitssituationen auseinandersetzen müssen. Ich kam zeitweise tagtäglich an den Punkt, wo ich mich fragen musste: Was kann, muss ich tolerieren - und was nicht? Es zwingt einen dazu, sich praktisch ständig in Frage zu stellen: Ist das nur meine Sicht der Dinge? Bin ich intolerant, ja übergriffig, gar respektlos und menschenverachtend, wenn ich an einem gewissen Level Maßnahmen einleite?

Toleranz bedeutet vor allem auch: Aus einem (negativen) Einzelfall keinen Allgemeinplatz zu machen und in Folge daraus eine Regel abzuleiten. Nur weil man einmal Ärger mit einem Kirgisen hat, sind nicht alle Kirgisen schlecht.
Andererseits: Uns Deutschen wird manchmal vorgeworfen, wir wären intolerant gegenüber Menschen aus anderen Ländern. Besucht man als Tourist aber einmal diese Länder, dann stellt man oft fest: Ein Verhalten, welches wir an Migranten hier kritisieren, das gilt in ihren eigenen Ländern auch als ungehörig, und wird dort oft sogar noch strenger abgestraft als bei uns.
 

Lupo

Ritter Kadosch
3. Oktober 2009
6.094
Nein, als einen toleranten Berufsstand kann ich Kleriker wirklich nicht bezeichnen.

Sicherlich nicht. Aber, wenn sie ihr Metier ernst nehmen, können sie das auch gar nicht sein. Nur - welche Rolle spielt das heutzutage noch? Im Großen und Ganzen wirst Du doch in Sachen Glauben in Ruhe gelassen, wirst nicht mehr im Dorf von allen geschnitten, weil Du Sonntags lieber ausschläfst, statt in die Kirche zu gehen, niemand rümpft mehr die Nase, wenn die Braut bei Hochzeitspaar schon erkennbar schwanger ist oder das Kind schon da ist, usw.

Da macht mir unsere Politik eher Sorgen. Wenn unsere linken Gesellschaftswissenschafter theologengleich den Begriff des Rassismus so umbiegen, dass er zu einer Art Erbsünde von Menschen mit weißer Hautfarbe wird, um dann von allen Bekenntnisse und Buße einfordern, das gleiche bei Trans, Klima, Impfung usw usw., dann hat die übergriffige Kirche alter Prägung in unseren Volkserziehern einen würdigen Ersatz gefunden.

Ich kam zeitweise tagtäglich an den Punkt, wo ich mich fragen musste: Was kann, muss ich tolerieren - und was nicht? Es zwingt einen dazu, sich praktisch ständig in Frage zu stellen: Ist das nur meine Sicht der Dinge? Bin ich intolerant, ja übergriffig, gar respektlos und menschenverachtend, wenn ich an einem gewissen Level Maßnahmen einleite?

Bei meinem Eröffnungsbeitrag habe ich ein Wort vergessen: „Toleranz macht nicht aggressiv, aber auch NICHT wehrlos.“ muss es natürlich heißen. Toleranz ist aus meiner Sicht das Ergebnis einer Übereinkunft. Ich kann nicht einfach voraussetzen, dass der andere es toleriert, oder gar dazu verpflichtet ist, es zu tolerieren, wenn mein Handeln seine Kreise beeinträchtigt.

Toleranz bedeutet vor allem auch: Aus einem (negativen) Einzelfall keinen Allgemeinplatz zu machen und in Folge daraus eine Regel abzuleiten. Nur weil man einmal Ärger mit einem Kirgisen hat, sind nicht alle Kirgisen schlecht.
Andererseits: Uns Deutschen wird manchmal vorgeworfen, wir wären intolerant gegenüber Menschen aus anderen Ländern. Besucht man als Tourist aber einmal diese Länder, dann stellt man oft fest: Ein Verhalten, welches wir an Migranten hier kritisieren, das gilt in ihren eigenen Ländern auch als ungehörig, und wird dort oft sogar noch strenger abgestraft als bei uns.

Ja, das ist manchmal verblüffend. Mir ging es so bei beruflichen Kontakten mit Chinesen. Da wird schon das Überreichen der Visitenkarte zu einer kleinen Zeremonie, die man ja einhalten muss, um nicht als unhöflich zu gelten. Und während wir, vollgestopft mit Benimm-Regeln da versuchen, alle merkwürdigen Sitten und Gebräuche zu respektieren, haben unsere lieben Freunde keinerlei Bedenken in dieser Hinsicht und rülpsen Dir beim Essen ins Gesicht. Auch da vermisse ich eine gewisse Gegenseitigkeit.
 

Giacomo_S

Ritter der ehernen Schlange
13. August 2003
4.133
Da macht mir unsere Politik eher Sorgen. Wenn unsere linken Gesellschaftswissenschafter theologengleich den Begriff des Rassismus so umbiegen, dass er zu einer Art Erbsünde von Menschen mit weißer Hautfarbe wird, um dann von allen Bekenntnisse und Buße einfordern, das gleiche bei Trans, Klima, Impfung usw usw., dann hat die übergriffige Kirche alter Prägung in unseren Volkserziehern einen würdigen Ersatz gefunden.

Ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich so ist - oder auch nur eine verzerrte Wahrnehmung, bedingt durch vereinzelte Schreihälse. In einer Zeit beliebig zirkulierender Information sehen manche Zeitgenossen offenbar die Notwendigkeit, radikale und provokante Thesen vertreten zu müssen, um aus diesem Informationsgrundrauschen überhaupt noch herausragen zu können.
Andererseits erkenne ich aber auch mehr oder weniger dieselben gesellschaftlichen Mechanismen, die als Reaktion darauf entstehen, wie ehedem mit der Religion: Außerhalb der eher kleinen Subkultur an Dogmatikern werden die Standpunkte nicht geteilt, auch wenn man dies nicht unbedingt äußert oder an die große Glocke hängt. Man zuckt mit den Schultern und denkt sich seinen Teil.

Und schließlich: Auch konservative Kreise beglücken uns, teils seit Jahrzehnten, mit ihren Meinungen. Das IFO-Institut etwa und der eigentlich bereits in Pension befindliche Hans-Werner Sinn. Das ist dann auch immer dieselbe Litanei, die sich letztlich auf eine Aussage reduzieren lässt (wir alle sollen mehr arbeiten und weniger Geld verdienen, außer natürlich die Führungskräfte) - und die auch nichts anderes ist, als seine Privatmeinung. Die er dann in ein "wissenschaftliches" Gewand steckt, wobei er uns die Belege dafür schuldig bleibt.

Ja, das ist manchmal verblüffend. Mir ging es so bei beruflichen Kontakten mit Chinesen. Da wird schon das Überreichen der Visitenkarte zu einer kleinen Zeremonie, die man ja einhalten muss, um nicht als unhöflich zu gelten. Und während wir, vollgestopft mit Benimm-Regeln da versuchen, alle merkwürdigen Sitten und Gebräuche zu respektieren, haben unsere lieben Freunde keinerlei Bedenken in dieser Hinsicht und rülpsen Dir beim Essen ins Gesicht. Auch da vermisse ich eine gewisse Gegenseitigkeit.

Andere Länder, andere Sitten. Allerdings sind in diesem Fall wir das andere Land, und es obliegt den Besuchern, sich über unsere Gebräuche zu informieren und zu beachten.
In letzter Zeit habe ich auf YT einige Beiträge von Amerikanern gesehen, die entweder in Deutschland leben und arbeiten, oder Deutschland besuchen. Es waren auch einige Afroamerikaner darunter. Schließlich landete ich auch bei Beiträgen von Amerikanern, die noch nie in Deutschland waren, aber auf solche Beiträge antworten ("American reacts to ...", es gibt sogar Autoren, die nur solche Beiträge und nur über Deutschland posten).
Fast immer gibt es auch Beiträge über unsere Eigenarten, das läuft dann häufig unter dem Titel "German Culture Shocks" oder "Do's and Don'ts".

Interessant dabei: Die meisten "unserer" Eigenarten werden als im Prinzip richtig gesehen, dass man nicht bei Rot über eine Ampel geht, dass man bei einem Besuch die Schuhe auszieht usw. usf. Und das dies auch in den USA als gutes Benehmen gälte, und man dies eigentlich auch in den USA so tun oder lassen sollte. Als "typisch deutsch" wird es allerdings gesehen, so notorisch zu sein, sich an diese Regeln auch zu halten.
Eine ganze Reihe anderer, "typisch deutscher" Eigenarten werden jedoch von den Amerikanern, die uns besuchen oder hier leben, als Klischees entlarvt, die nicht (oder nicht mehr) zutreffen.

Zurück zur Toleranz:
Nachdem ich teitweise und notgedrungen mit einem Somalier in einer WG gelebt habe, stellte ich fest, dass ich an sich viele kulturelle Unterschiede tolerieren kann. Bis auf einen einzigen Grundsatz, der vllt. aber auch "typisch deutsch" ist oder zumindest so wahrgenommen wird: Das man zu seinem Wort steht, das sagt, was man denkt und das tut, was man sagt.
Das führt zu einer gewissen Direktheit im Umgang, die an uns einerseits geschätzt wird, andererseits aber auch Probleme schaffen kann.

Ein beruflicher Kontakt zu den bereits erwähnten Chinesen (hatte ich auch schon) kann da schwierig sein. Denn in deren Kultur gilt es bereits als unhöflich, jemandem etwas Negatives zu sagen (oder sagen zu müssen). Man darf annehmen, dass es in ihrer eigenen Sprache und Kultur Begriffe und Mechanismen gibt, die formal "positiv" besetzt sind, beide Gesprächspartner aber wissen, dass etwas "negatives" gemeint ist. Mit der Verwendung des Englischen als Verkehrssprache geht das natürlich völlig unter. Wobei dann auch noch die Frage ist, was denn eigentlich überhaupt negativ besetzt ist.
(Der Chinese kann meine Datei nicht öffnen, weil er nicht über meine Software-Version verfügt. In Deutschland und anderswo ein ganz normaler Vorgang ... dann schicke ich ihm eben eine andere Version, Problem gelöst. Der Chinese redet aber am Telefon die ganze Zeit um den heissen Brei herum, und ich kapiere Null, was der denn eigentlich von mir will?).
 

dodo

Großmeister-Architekt
22. Oktober 2021
1.245
@Giacomo_S
Sie schreiben:

....... und die auch nichts anderes ist, als seine Privatmeinung.

Auch wenn es gebetsmühlenartig vorgetragen wird.
Darf man seine Meinung nicht mehr äußern?
Wessen Meinung soll er denn vertreten? Ihre?
Ich finde das im hohen Maße intolerant.
 

Bella Varia

Geheimer Meister
30. Juli 2023
428
Kann man zwischen Religiösem und Gesellschaftlichem sauber unterscheiden?

Man kann aus seinem Auto einen Gott machen und nach dem einstigen Motto "Freie Fahrt für freie Bürger" als einen Ausdruck persönlicher Religiosität fordern. Man ist tolerant, so lange die Freiheit nicht eingeschränkt wird, die sich praktisch schnell angegriffen fühlen kann, wenn beispielsweise der Vordermann langsamer fährt. - Dann ist's schnell aus mit Toleranz.
Derzeit setzen die Klimakleber der "Letzten Generation" der "freien Fahrt" eine Grenze und das Gefühl der Freiheit, wie's bis dahin gesellschaftlich gewährleistet worden ist, wird eingeschränkt. Die Liebe zu dieser Freiheit und die damit verbundene Toleranz schlägt durch jene Begrenzung leicht in Aggression um und es zeigt sich ein Bild, von dem wir meinen und es uns vormachen, es kulturell doch überwunden zu haben.

Religiosität kennen wir allgemeinhin als gesellschaftliches Gruppendenken, doch schaut man sich jemanden an, der sich in die Meditation versenkt, so kehrt er damit tief in seine Seele ein und nicht in eine gesellschaftliche Gruppenseele. Manch' einzelne Personen suchen von einer Gruppe abgewendet eigene Wege, die ein gewisses Chaos aufweisen. So mancher findet gar einen geradlinigen Weg.
Wenn eine Gruppe unterschiedlicher Religionsangehöriger gemeinsam für Toleranz eintritt, so ist das eine gesellschaftliche Erziehung, wie man sich benehmen soll und könnte Einlass zum „Knigge“ (= ein Buch über Benimmregeln) haben, aber es ist keine religiöse Erziehung.

Gestern Abend war auf ZDF-INFO, wenn ich mich recht erinnere, eine Sendung über die Gebrüder Grimm zu sehen, worin das Märchen „Frau Holle“ zu interpretieren versucht wurde. Es war der dort interviewten Historikerin nicht möglich zu verstehen, wie man in die Tiefe eines Brunnen fällt, aber oben zum Schneemachen ankommt. Jedenfalls wurde im Laufe der Sendung versucht, das Märchen gesellschaftlich als eine Art Knigge anzusehen, statt in ihm imaginative Bilder der meditativen Versenkung zu sehen, die den Weg eines individuellen seelischen Reifeprozesses beschreiben.

Ist Religion oder Religiosität nun ein gesellschaftliches Gruppendenken oder ein Individuelles?
 

Lupo

Ritter Kadosch
3. Oktober 2009
6.094
Die Liebe zu dieser Freiheit und die damit verbundene Toleranz schlägt durch jene Begrenzung leicht in Aggression um und es zeigt sich ein Bild, von dem wir meinen und es uns vormachen, es kulturell doch überwunden zu haben.

Sehe ich völlig anders. Aus meiner Sicht vertauschst Du da Täter und Opfer. Wer setzt sich denn ins Auto, weil er einfach nur, um ein bisschen Fahrspaß zu haben und seine Freiheit zu genießen? Ich glaube, diese Leute, wirst Du auch mit der Lupe in einem vom Klimakleber mutwillig verursachten Stau vergeblich suchen.

Du findest also in diesem Stau nahezu ausschließlich Leute, die aus gutem Grund unterwegs sind, und die jetzt davon abgehalten werden, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Die ihre Termine und Verabredungen verpassen, ihre Vorhaben nicht realisieren können, deren Leben gewaltsam zum Stillstand gebracht wird, weil irgendwelche Idioten das Demonstrationsrecht zweckentfremden, um ihre Weltuntergangsängste auszuleben. Nur, um auf idiotische Weise auf ein Thema hinzuweisen, das man ohnehin überall bis zum Abwinken eingehämmert bekommt.

Stell Dir vor, Du hast einen Arzttermin, auf den Du monatelang gewartet hast, verpasst den wegen so etwas und kannst jetzt bis zum nächsten freien Termin wieder monatelang warten und mit Deinen Schmerzen und Ängsten leben. Toll. Wer ist Täter, wer ist Opfer in diesem Spiel? Und wenn Du als Opfer dabei sauer wirst, sehe ich da auch keinerlei zivilisatorische Tünche bröckeln.
 

Sonsee

Großmeister aller Symbolischen Logen
1. Juni 2016
3.061
Also mir fällt dazu der Spruch ein: "Wenn der Klügere/Tolerante immer nachgibt, werden wir von den Dummen beherrscht." Im Bereich Gendern sieht man das hervorragend, die absolute Mehrheit der Bevölkerung findet das idiotisch, es wird aber trotzdem mit aller Macht versucht, den Mist durchzusetzen, weil sich das einige Feministinnen auf die Fahnen geschrieben haben.
 

Bella Varia

Geheimer Meister
30. Juli 2023
428
Kann man zwischen Religiösem und Gesellschaftlichem sauber unterscheiden?

Anlehnend an die Freimaurer, sehen sie die Gesellschaft als Übung für ihre Grundpfeiler. Sie aber lassen Religion völlig heraus und überlassen es dem Individuum, wie es Religion einbringt.
Sehen die Freimaurer die Gesellschaft als Übung, so wäre diese mit dem Tod schnell an ihr Ende angekommen, man stirbt vielleicht als ein moralisch besserer Mensch, aber der Verstorbene hat weiter nichts davon. Es könnte nur die nachfolgende Generation davon etwas haben, doch Kriege und Kleinkriege sind trotz allem in der Welt nicht weniger geworden, sogar zwei Weltkriege hat's gegeben und ein dritter mit noch ausgereifteren Waffen droht immerfort.
Fürs Individuum aber hat die bloße Erbschaftsnachfolge keinen Sinn. Um über sie hinausgehen zu können, muss der Tod als ein Stadium angesehen werden, in dem die Erfahrungen des vorherigen Lebens innerhalb der Gesellschaft, wo es lebte, eine Wirkung und Einfluss auf die nächste Inkarnation haben. Insofern verstehe ich, sich mit Hilfe der Gesellschaft zur Arbeit an sich selbst zu üben.
 

Malakim

Insubordinate
31. August 2004
13.586
Anlehnend an die Freimaurer, sehen sie die Gesellschaft als Übung für ihre Grundpfeiler.

Nein. Wie oben mehrfach gesagt ist es andersherum, die LOge ist der Übungsraum für den Alltag. Es geht um das Diesseits und nicht um was anderes.


Fürs Individuum aber hat die bloße Erbschaftsnachfolge keinen Sinn. Um über sie hinausgehen zu können, muss der Tod als ein Stadium angesehen werden, in dem die Erfahrungen des vorherigen Lebens innerhalb der Gesellschaft, wo es lebte, eine Wirkung und Einfluss auf die nächste Inkarnation haben. Insofern verstehe ich, sich mit Hilfe der Gesellschaft zur Arbeit an sich selbst zu üben.

Jenseitsglaube ist religiöser Glaube und kein Thema in der Freimaurerei.
 

Sonsee

Großmeister aller Symbolischen Logen
1. Juni 2016
3.061
Die Freimaurer sehen eher die Loge als Grundpfeiler für die Arbeit an sich selbst. Dort wird ja eine "Zeichnung" aufgelegt und über das Thema wird dann gesprochen ohne das Kritik an der Zeichnung geübt wird. Ich hatte da in einer Loge einmal ein sehr schönes Erlebnis und durfte das als Gast miterleben, eine echte Bereicherung, an die ich immer noch gerne zurückdenke. Trotzdem einige Gäste eingeladen waren, war ich der einzige Gast der auch wirklich erschienen ist. Jeder brachte seine Assoziationen zu dem Thema ein, ohne Kritik oder Besserwisserei. Da es eine reine Männerloge war, konnte ich dort natürlich nicht Mitglied werden.
 
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