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Franziskaner

Ritter vom Schwert
4. Januar 2003
2.061
level42 schrieb:
Hervorgerufen wird Direktivität vor allem durch den glauben zu wissen, was gut für das Kind ist und was nicht

Gut, aber prinzipiell glaubst du das doch auch, oder?

Nur kommt es darauf an, was das Ziel ist. Wenn das Ziel wäre, dass das Kind keine Sachen mehr vom Tisch werfen soll, halte ich es für falsch, es durch einen Angriff auf seine Person zu demonstrieren.

Wie ich schon mal erwähnte, wenn das Kind noch zu klein ist, um den Sinn einer Strafe zu verstehen bzw. wenn dieser nicht erläutert wird, dann könnte man IMHO von einem Angriff auf seine Person sprechen.

Ich sehe das ähnlich z.B. einer Kündigung. Wenn mir mein Chef kommentarlos eine Kündigung ohne nähere Begründung auf den Tisch knallt, könnte ich das als Angriff auf meine Person verstehen. Wenn er mir aber die Kündigung in einem persönlichen Gespräch übergibt, in welchem er auf die Gründe eingeht, aus denen sich der Betrieb meine Mitarbeit nicht mehr leisten kann, ist das nicht mehr zwangsläufig der Fall.

Ihm zu zeigen, dass ich ihn als Person grundsätzlich liebe und nicht diese Liebe von Verhaltensweisen abhängig mache, halte ich für sehr wichtig.

Ich sehe immer noch nicht, dass sich bedingungslose Liebe zu einem Kind und Sanktionen bei Fehlverhalten prinzipiell ausschliessen müssen...

Ich finde Belohnungen und Lobe genauso schlimm wie Bestrafungen.

Du meintest jetzt sicher "genau so effektiv", oder?

Konditionierungsmaßnahmen halte ich für nicht angemessen. Ich konditioniere meinen Hund und er kann recht viele Kunststücke und erfreut damit auch jeden Besuch, aber bei Menschen halte ich dies eher für gefährlich.

Du hast einen sehr engen Begriff der Konditionierung. Wie schon erwähnt, sind Lob und Anerkennung bei erwünschtem Verhalten genau so eine Art der Konditionierung (eben "positive Verstärkung").

Ich setzte da lieber auf Entwicklungs- und Reifeprozesse und diese lassen sich nicht konditionieren.

Diese setzen aber gewisse sozialkompatible Konditionierungen als Grundlage voraus, wie du ja z.B. deinen Kindern wohl auch in Gesprächen beibrachtest, das man nicht einfach anderen Leuten etwas wegnehmen darf oder wie Konfliktsituationen im Gespräch zu bereinigen sind. Soziale Konditionierung, ganz einfach.

So meinte ich das nicht. Wenn man im Kindesalter keine bedingungslose Liebe erfahren hat, sucht man sich diese beim anderen Geschlecht. Jedoch gibt es in einer anderen zwischenmenschlichen Beziehung keine bedingungslose Liebe und das führt zu neuen Konflikten und zu einem falschen Verständnis der Sexualität. (z. Bsp. nach Rebeca Wild – weiß aber jetzt nicht, welches Buch eventuell „Erziehung zum Sein“– da muss ich erstmal bisschen in den Büchern nachlesen)

Ok, jetzt wirds klarer. Danke. Gut, das mag sein, kann ich jetzt mangels persönlicher Erfahrungen nicht beurteilen. Werd mal versuchen, mich da ein bisschen einzulesen.

Ich teile eigentlich nicht so gern die Erfahrungen in negativ und positiv, Erfahrungen sind Erfahrungen und sind Vorausetzung für Entwicklungsprozesse.

Komisch, genau das habe ich bisher aus deinen Postings eigentlich immer herausgelesen. Die Erfahrung, sich Wissen selbständig anzueignen = positiv. Die Erfahrung, an der Tafel abgefragt zu werden = negativ. Oder wieder falsch verstanden?

Z. Bsp. lähmt Angst den Geist, deshalb finde ich es nicht richtig, Schülern Angst zu machen um damit ihre Lernergebnisse zu verbessern bzw. lernen zu stimulieren.

Angst lähmt den Geist nur dann, wenn ich mit Situationen dieser Art nicht gewohnt bin, umzugehen. Angstsituationen zu bewältigen, kann man trainieren, jedoch nicht, wenn man diesen ständig ausweicht. Auch das ist eine Art der Konditionierung (wenn dir Training besser gefällt, nimm diesen Begriff).

Ausserdem sollte man unterscheiden, was du jetzt genau als Angst-Erlebnis betrachtest. Wenn ein Lehrer sagt, das die Kenntnisse des Schülers in einem gewissen Fach zu einer bestimmten Note führen können, sofern er sich nicht mehr engagiert - ist das Angstmacherei oder schlichtes Aufzeigen von Konsequenzen? Auch hier stellt sich die Frage wieder, ob die Angst in diesem Fall nicht daher rührt, dass in früheren Jahren keine Erfahrungen auch mit negativen Konsequenzen gemacht wurden und der Jugendliche daher in eine völlig unbekannte Situation gerät, die ihm auf Grund dessen Angst macht...

Das ist was ich meinte, du kannst nicht ewig unangenehme Erfahrungen von einem Menschen fernhalten, früher oder später macht er sie. Meiner Meinung nach kommen eben die schlechter damit zurecht, denen aus falsch verstandenem Schutzbedürfnis diese Erfahrungen länger verweigert wurden als anderen.
 

level42

Großmeister
19. August 2005
89
Gut, aber prinzipiell glaubst du das doch auch, oder?

Ich versuche es weitgehend nicht zu glauben. Jedoch habe ich auch eine gewisse Erwartungshaltung, welche selbst beim besten Willen nicht abzulegen ist. Was natürlich dem gegensteuert, so dass reines nichtdirektives Verhalten sowieso nicht möglich ist. Bestimmte Entscheidungen müssen ja getroffen werden, besonders, wenn das Leben des Kindes gefährdet wird. Es gibt aber auch elementare Sachen, die jeder selbst entscheiden kann, unabhängig des Alters. Z. Bsp. wann man müde ist und schlafen will oder ob einem kalt oder warm ist, ob man hungrig oder nicht ist… Dort fängt bei mir die Selbstbestimmung an. Ich versuche in dem Zwischenraum von „Ein Kind mit seinen Problemen alleine lassen.“ (im sinne von; es zu verlassen) und dem „Die Probleme des Kindes lösen.“ zu leben. Wobei mein Hauptmotto immer ist: Hilf mir es selbst zu tun.

Wie ich schon mal erwähnte, wenn das Kind noch zu klein ist, um den Sinn einer Strafe zu verstehen bzw. wenn dieser nicht erläutert wird, dann könnte man IMHO von einem Angriff auf seine Person sprechen.

Ich bin ja nun schon wesentlich Älter und verstehe immer noch nicht den Sinn von Strafen. Ich finde es ziemlich bequem, Kinder zu bestrafen. Man muss sich mit ihnen und deren Probleme nicht mehr auseinandersetzten. Es hat etwas totalitäres, wenn mein „Wunsch“ nicht erfüllt wird, gibt es eine Strafe, wobei das „WARUM mein Wunsch nicht erfüllt wird“ auf der Strecke bleibt. Z. Bsp. wenn ich unseren Wohnraum kehre, kehrt mein Jüngster natürlich mit. Nur verfolgt er dabei völlig andere Ziele als ich. Ich möchte schnell fertig werden, um mich anderen Arbeiten/Interessen zu widmen, er kehrt des Kehrens willen und verteilt den Dreck um ihn anschließend neu zu verteilen um ihn anschließend neu zu verteilen. Für ihn ist es ein Lernprozess. Er lernt dabei sowohl den gebrauch eines Besens, als auch den Zweck des Kehrens. So kann es schon mal passieren, dass wir den ganzen Vormittag damit verbringen, die Küche zu kehren und ich erst abends, wenn er schläft, es fertig mache. Ihn zu bestrafen, weil er meinen Kehrhaufen immer wieder neu verteilt, indem ich ihm den Besen weg nehme oder ihm einen Vortrag halte, dass er das lassen soll, ihn wegsperre, oder ihn sogar bedrohe, indem ich ihm sage, dass er bei Wiederholung mit dieser oder jener Konsequenz zu rechnen hat, bringt für mich nichts. Ich würde ihn nur in seinem Lernprozess bremsen und ihn dazu veranlassen, etwas völlig anderes aus meinem Verhalten zu lernen, als ich es möchte. Wenn unsere Interessen aufeinander treffen, ich seine Grundbedürfnisse nicht berücksichtige und ich ihm durch Maßnahmen meine Interessen aufzwinge und dabei seine Grundbedürfnisse unterdrücke, ist es für mich ein Angriff auf seine Person.

Ich sehe das ähnlich z.B. einer Kündigung. Wenn mir mein Chef kommentarlos eine Kündigung ohne nähere Begründung auf den Tisch knallt, könnte ich das als Angriff auf meine Person verstehen. Wenn er mir aber die Kündigung in einem persönlichen Gespräch übergibt, in welchem er auf die Gründe eingeht, aus denen sich der Betrieb meine Mitarbeit nicht mehr leisten kann, ist das nicht mehr zwangsläufig der Fall.

Nun, mir würden die schwarz-rot-goldnen Tränen kommen und ich würde mein letztes Gehalt noch dem Arbeitgeber spenden, damit die arme Firma nicht noch jemand anderen entlassen muss :wink:

Bei einer Kündigung wären mir die Gründe relativ egal (sie würden mich nur in der Hinsicht interessieren, inwieweit man dagegen klagen könnte). Der Chef hat sich entschlossen auf meine Arbeitskraft zu verzichten. Das ist eine Entscheidung, welche er jederzeit treffen kann, das ist sein Recht. Mir steht es frei, dagegen zu klagen, mich zu betrinken, ein Fest zu feiern oder die Welt zusammenbrechen zu sehen. Es würde mir nur leichter fallen, das zu akzeptieren, wenn die Verfahrensweise auf gegenseitigen Respekt beruhen würde. Und nicht die Kündigung an sich würde ich als Angriff auf meine Person sehen, sondern das dementsprechende Verhalten meines Chefs.

Ich sehe immer noch nicht, dass sich bedingungslose Liebe zu einem Kind und Sanktionen bei Fehlverhalten prinzipiell ausschliessen müssen...

Weil Sanktionen Bedingungen enthalten. Erst wenn diese erfüllt werden, werden die Sanktionen aufgehoben. Kinder verzichten auf ihre Autonomie, um Liebe zu erfahren, weil diese überlebensnotwendig ist.

Ich finde Belohnungen und Lobe genauso schlimm wie Bestrafungen.


Du meintest jetzt sicher "genau so effektiv", oder?

Ja, genauso effektiv, wenn Gehorsam das Ziel ist. Bei mir ist jedoch Gehorsam nicht das Ziel, deshalb lehne ich Belohnungen und Lobe genauso ab, wie Bestrafungen. Belohnungen sind für mich nur versteckte Erpressungen. Lobe suggerieren, dass ich ein solches Verhalten nicht erwartet hätte. Da Kinder jedoch Erwartungen erfüllen, können Lobe auch zum Gegenteil führen – in dem Sinne: Da es eh nicht von mir erwartet wurde, brauch ich es auch nicht zu machen. Oder die Kinder erfüllen die eigentliche Erwartung. Z. Bsp. Trägt ein Kind einen Teller voller Suppe ohne etwas zu verschütten zum Tisch. Es wird gelobt: Du kannst das ja aber schon fein, hast keinen Tropfen verschüttet… Beim nächsten mal verschüttet es auf dem Weg zum Tisch die Suppe und wird dafür sogar eventuell getadelt oder bestraft. Oder völlig sinnlose Lobe wie: Du kannst ja aber schon fein laufen.

Was Kinder tatsächlich brauchen, ist Anerkennung um sich selbst wahrnehmen zu können. Nicht zu sagen, Du hast ja ein schönes Bild gemalt, weil Kinder von sich aus gar nicht auf die Idee kämen, hässliche Bilder zu malen, sondern z. Bsp. zu sagen, die Schuhe von der Prinzessin gefallen mir besonders gut oder das stelle ich mir besonders schwer vor zu malen oder ihn zu fragen, was er damit ausdrücken möchte. Es zeigt dem Kind, dass man seine Arbeit ernst nimmt und sich damit auseinandersetzt. Es wird als Person respektiert. Dagegen hört man oft auf dem Spielplatz Kinder, welche ihre Eltern rufen: Kuck mal, was ich gebaut habe. Die Eltern sehen nicht einmal hin, gerade das sie ihr Gespräch kurz unterbrechen um zu sagen: Ja, hast du schön gemacht. Dieses Lob ist völlig nutzlos, im höchsten Grade schädlich.

Du hast einen sehr engen Begriff der Konditionierung. Wie schon erwähnt, sind Lob und Anerkennung bei erwünschtem Verhalten genau so eine Art der Konditionierung (eben "positive Verstärkung").

Ich möchte keine positive Verstärkung. Ich finde, dass damit eine Abhängigkeit gefördert wird. Bei meinem Hund ja, das funktioniert dort hervorragend, bei meinen Kindern könnte ich wahrscheinlich auch damit hervorragende Leistungen erreichen, aber ich möchte, dass sie ihr eigenes Weltbild entwickeln können, dass sie die Dinge nach ihrem Maßstab bewerten, das sie entscheiden können, was sie möchten und was nicht. Selbständigkeit kann man nicht konditionieren.

Diese setzen aber gewisse sozialkompatible Konditionierungen als Grundlage voraus, wie du ja z.B. deinen Kindern wohl auch in Gesprächen beibrachtest, das man nicht einfach anderen Leuten etwas wegnehmen darf oder wie Konfliktsituationen im Gespräch zu bereinigen sind. Soziale Konditionierung, ganz einfach.

Mir liegt mehr daran, dass sie eigenständig Probleme lösen können. Wenn meinem Kind z. Bsp. in der Schule permanent das Federkästchen weggenommen wird und sie mich um Hilfe bittet. Sieht bei mir diese Hilfeleistung nicht vor, ihr einen Lösungsvorschlag zu unterbreiten. Der Lösungsvorschlag muss von ihr kommen. Ich begleite sie nur auf dem Weg dahin. Schließlich muss sie es ja auch selbst lösen. Ich lenke nur ihren Blick durch Fragen auf das gesamte Umfeld, damit sie tatsächlich eine Lösung finden kann. Vielleicht muss sie das ein oder andere ausprobieren, bis sie das Problem beseitigt hat. Bei kleineren Kindern geht das in diesem Umfang noch nicht, sie kann man damit nicht allein beauftragen, jedoch von Konditionierung oder Training würde ich da nicht reden, schließlich kommen ja die Lösungen von den Kindern selbst. Ich konditioniere sie höchstens dahingegen, dass sie Situationen immer neu beurteilen und Lösungswege nicht statisch sind.

Komisch, genau das habe ich bisher aus deinen Postings eigentlich immer herausgelesen. Die Erfahrung, sich Wissen selbständig anzueignen = positiv. Die Erfahrung, an der Tafel abgefragt zu werden = negativ. Oder wieder falsch verstanden?

Einem nicht „freien“ Kind plötzlich Selbstbestimmtes Lernen zu ermöglichen, bedeutet ein enormes Vertrauen zu den Entwicklungsmechanismen der Natur zu haben. Kinder welche aus normalen Schulen in freie Schulen gewechslt sind, haben bis zu zwei Jahren gebraucht, bevor sie selbstbestimmt lernen konnten. In dieser Zeit konnten die Kinder sich einfach nicht auf etwas konzentrieren, haben immer etwas angefangen und nicht zu ende gebracht oder dösten den ganzen Tag, hielten sich nicht an Regeln. Es muss nicht zwangsläufig etwas positives sein, vor allem, wenn das Elternhaus nicht hundertprozentig hinter diesem Vorhaben steht. Genauso ist nicht für jeden Schüler die Erfahrung an der Tafel abgefragt zu werden negativ. Schließlich ist es jedem sein eigener Bewertungsmaßstab, der die Dinge positiv oder negativ erscheinen lässt. Kinder welche Angst haben, vor der Klasse eine falsche Antwort zu geben und sich schon fast einpullern, weil ihr Name aufgerufen wird, muss man doch nicht unnötig quälen. Und Kinder, welche sich in normalen Schulen Wohlfühlen und mit dieser Art des Lernens bestens zurechtkommen, muss man doch nicht zwangsläufig in eine freie Schule oder zu Homeschooling drängen.

Wenn ein Lehrer sagt, das die Kenntnisse des Schülers in einem gewissen Fach zu einer bestimmten Note führen können, sofern er sich nicht mehr engagiert - ist das Angstmacherei oder schlichtes Aufzeigen von Konsequenzen?

In dem Falle wäre es für mich ledglich eine Information. Wenn er auf Grund der schlechteren Note seine Lehrstelle nicht mehr bekommt, wäre es eine Konsequenz. Würde der Lehrer z. Bsp. ‚dann landest du unter der Brücke’ ergänzen, wäre es Angstmacherei.

Auch hier stellt sich die Frage wieder, ob die Angst in diesem Fall nicht daher rührt, dass in früheren Jahren keine Erfahrungen auch mit negativen Konsequenzen gemacht wurden und der Jugendliche daher in eine völlig unbekannte Situation gerät, die ihm auf Grund dessen Angst macht...

Unbekannte Situationen, finde ich, ängstigen immer. Das können nur schwitzende Hände sein oder ein totaler Blackout. Meistens sgen die Leute: ‚Hinterher sind mir so viele gute Sachen eingefallen, die ich hätte sagen können, aber in dieser Situation hab ich kein Wort rausgebracht.’ oder führen Selbstgespräche in denen sie immer wieder die Situation Revue passieren lassen oder zukünftige Gespräche üben, jedoch im Ernstfall alle eingeübten Passagen weg sind. Bei Schülern führt es noch dazu, dass sie die nächsten Stunden immer noch die eine Situation verarbeiten müssen und dabei nicht zum eigentlichen lernen kommen, sondern sogar behindert werden. Negative Erfahrungen setzen für mich nicht voraus, dass man später damit besser umgehen kann. Ich denke, dass ein gesundes Selbstbewusstsein der beste Schutz ist. Jedoch Selbstbewusstsein kann genauso wenig trainiert werden.
 

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