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Die vernebelte Republik im SPIEGEL

agentP

Ritter Kadosch
10. April 2002
5.361
Der wunderbare Essay von Dirk Kurbjuweit ist nun online zu lesen:

http://www.spiegel.de/politik/debatte/0,1518,439283,00.html

Aber Politik in diesen Zeiten muss wehtun, wenn sie erfolgreich sein will. Es geht darum, den Schmerz gerecht und wirksam zu verteilen.

Auch das Berliner Wahlergebnis vom 17. September belegt die Flucht in die Teilwirklichkeit. Nur noch gut 50 Prozent der Wähler haben sich für eine der großen Volksparteien entschieden. Der Rest wählte Parteien und Gruppen, die nicht die gesamte Gesellschaft im Blick haben, sondern einen Ausschnitt, Ostdeutsche, Umweltbewusste, Rentner, Nationalbesessene. Dort fühlten sie sich mit ihren persönlichen Interessen besser aufgehoben. Man wählt im Prinzip eine Schmerzvermeidungspartei, oder man wählt gar nicht mehr.

mehr: http://www.spiegel.de/politik/debatte/0,1518,439283,00.html
 

erik

Erlauchter Auserwählter der Fünfzehn
4. April 2004
1.002
Der Artikel ist sicher klug und raffiniert beschrieben, aber die Schlußfolgerung die erzeiht, Deutschland brauche ein Mehrheitswahlrecht kann ich nicht teilen.

Schon jetzt stehen die Machtverhältnisse bei vielen Wahlen immer beinahe 50:50 zwischen den Koalitionen und kleinste Ausrutscher verbaler Art können den Ausschlag geben. Daher wird gelogen und umschrieben (dritte Nebelring)

An keinem der Nebelringe wird sich durch ein Mehrheitswahlrecht etwas ändern.
Und wenn das der Befund ist, ändert sich auch an der tasächlichen Politik nichts.
Schließlich will man ja wiedergewählt werden, ob mit Mehrheits- oder Verhältniswahlrecht.
 

agentP

Ritter Kadosch
10. April 2002
5.361
Schon jetzt stehen die Machtverhältnisse bei vielen Wahlen immer beinahe 50:50 zwischen den Koalitionen und kleinste Ausrutscher verbaler Art können den Ausschlag geben.
Hast du dazu Daten? Ich dachte immer, dass die meisten Wahlkreise sogar recht eindeutig gewonnen werden.
Schließlich will man ja wiedergewählt werden, ob mit Mehrheits- oder Verhältniswahlrecht.
Das stimmt. Aber um nach Verhältniswahlrecht wiedergewählt zu werden brauchst du es nicht dem Wähler recht zu machen, sondern du musst es der Partei recht machen, denn die bestimmt, wie weit vorne du auf die Liste kommst.
 

erik

Erlauchter Auserwählter der Fünfzehn
4. April 2004
1.002
agentp schrieb:
Hast du dazu Daten? Ich dachte immer, dass die meisten Wahlkreise sogar recht eindeutig gewonnen werden.

Ich bin jetzt mal von Bundespolitik und Bundespolitikern ausgegangen und habe demzufolge auch nur das Wahlergebnis etwa der letzten beiden Bundestagswahlen in seiner Gesamtheit genommen.
Da waren es letzlich Kleinigkeiten die über die Machtverteilung entschieden haben.

(Ob es 2002 jetzt wirklich Stoibers Äußerung über den Osten und 2005 beinahe die Person Kirchhof gewesen ist, kann ich nicht fundiert beurteilen, aber ich tendiere dazu)

Und das war ja auch ein wesentlicher Aufhänger des Essays. Daß das verbale "Unter den Teppich kehren" zum Normalzustand wird, weil man sofort Aufhellung im Nebel befürchtet, wenn man sich mal klar positionierbar äußert.


agentP schrieb:
wie weit vorne du auf die Liste kommst.

Also Listenplätze werden ja bei unserem Wahlsystem jetzt auch schon vergeben. Demnach müßten alle die sich über eine Liste wählen lassen, ja dann besseren Politiker sein...

Also ich verstehe wie gesagt einen Großteil des Artikels, kann aber die Schlußfolgerung zum Mehrheitswahlrecht als Rettung der Demokratie nicht nachvollziehen.

Denn das bedeutet ja in der Konsequenz dann eines:
dass man eigentlich "den Bürger" für zu blöd hält sich zwischen mehr als zwei Sichtweisen zu entscheiden.
 

Giacomo_S

Ritter der ehernen Schlange
13. August 2003
4.090
Uns wurde in den letzten Jahren seitens der Politiker der etablierten Parteien Machtlosigkeit demonstriert: Die Probleme seien ohnehin nur global zu lösen, Einsicht seitens anderer Nationen nicht vorhanden und wer sich der Globalisierung verweigere, sei am Ende.
Gleichzeitig beschließen dieselben Politiker (z.B. über das Internet) Bremser-Gesetze jenseits jeglicher Praxistauglichkeit oder bedienen die eine oder andere Lobby.

Warum wundern sich die etablierten Parteinen eigentlich noch, daß sie niemand wählt ? Sind es nicht sie selbst gewesen, die sich für "nicht zuständig" erklärt haben ?
 

agentP

Ritter Kadosch
10. April 2002
5.361
@erik
Da waren es letzlich Kleinigkeiten die über die Machtverteilung entschieden haben.

(Ob es 2002 jetzt wirklich Stoibers Äußerung über den Osten und 2005 beinahe die Person Kirchhof gewesen ist, kann ich nicht fundiert beurteilen, aber ich tendiere dazu)
Irgendwie verstehe iich nicht ganz worauf du rauswillst.
Mehrheitswahlrecht haben wir doch jetzt auch zum Teil. Bei den Bundestagswahlen ist das über die Erststimme abgebildet. Dort wählt jeder Wahlkreis einen Direktkandidaten und da sind meines Wissens in den meisten Wahlkreisen die Ergebnisse meistens recht eindeutig. Wenn nun der Kandidat im Wahlkreis Laboe-Nord einen dummen Spruch ablässt, dann wird das doch die Wahlentscheidung des Wählers im Wahlkreis Garmisch-Süd eher nicht abhalten einen anderen Kandidaten zu wählen.
Da die Abgeordeten aller Wahlkreise die Regierung wählen, würden also einzelne Schnitzer eher weniger als mehr in´s Gewicht fallen, oder?#

Also Listenplätze werden ja bei unserem Wahlsystem jetzt auch schon vergeben. Demnach müßten alle die sich über eine Liste wählen lassen, ja dann besseren Politiker sein...
Sag ich doch. Diese Listen haben ja aber eben nichts mit Mehrheitswahl zu tun, sondern mit Verhältnswahl und genau das will er ja abschaffen. Der Wähler aus Laboe soll nicht mehr irgendeinen anonymen Kandidaten mit seiner Stimme wählen, den die bayerische SPD aufgestellt hat, weil er ein Duzfreund des Schatzmeisters ist, sondern er soll sich zwischen Kandidaten aus seiner Nachbarschaft sprich seinem Wahlkreis direkt und nicht über Liste entscheiden.

Natürlich gibt es Haken an der Sache: Zum einen könnte das wirklich auf eine 2 Parteien-Demokratie hinauslaufen, wie in den USA, zum anderen würde das heissen, dass der politische Wille derer, die die Verlierer im Wahlkreis gewählt haben womöglich im Parlament nicht repräsentiert wird. Aber letzendlich haben beide Systeme vor und Nachteile und ein perfektes System gibt es nicht. Die Frage ist halt, welche Prioritäten man setzt.
 

Ein_Liberaler

Ritter des Heiligen Andreas von Schottland
14. September 2003
4.926
Ob der Einfluß der Parteien so viel kleiner wäre, ist eher nicht sicher, glaube ich. Sie würden weiterhin die Kandidaten für die einzelnen Wahlkreise aufstellen, und daß der Wähler eher zwischen Schmidt und Müller als zwischen CDU und SPD unterscheidet, ist erstmal ein frommer Wunsch.
 

agentP

Ritter Kadosch
10. April 2002
5.361
Die Wahlkreiskandidaten werden aber doch ebenfalls von den Parteimitgliedern im Wahlkreis aufgestellt bzw. den von der Basis gewählten Ausschüssen, oder nicht?
und daß der Wähler eher zwischen Schmidt und Müller als zwischen CDU und SPD unterscheidet, ist erstmal ein frommer Wunsch.
Sicher. Aber zumindest hat er dann wenigstens die Möglichkeit sich zu entscheiden und wählt nicht über eine Liste zig komplett anonyme Leute.
 

Ein_Liberaler

Ritter des Heiligen Andreas von Schottland
14. September 2003
4.926
Die Wahlkreiskandidaten werden aber doch ebenfalls von den Parteimitgliedern im Wahlkreis aufgestellt bzw. den von der Basis gewählten Ausschüssen, oder nicht?

Und dabei haben die Parteien gute, wenn auch informelle Möglichkeiten, von oben nach unten zu regieren.

Zumindest ist es meine persönliche Erfahrung, daß die Kandidaten den Ortsverbänden von der Landespartei mehr oder weniger vorgeschrieben wurden. In den zuständigen Gremien saßen die treuen Parteisoldaten, die das zu organisieren hatten.

Die Idee eines Parlaments, dessen Abgeordneten sich sämtlich aufgrund ihrer persönlichen Qualitäten und Ideen im eigenen Wahlkreis haben durchsetzen müssen, gefällt mir natürlich vom Grundsatz her auch.
 

agentP

Ritter Kadosch
10. April 2002
5.361
O.k. Aber ich denke die "informellen Möglichkeiten" sollten nicht der Grund sein einen entsprechenden formalen Rahmen zu schaffen. Der Rest läge dann natürlich am Wahlvolk und das wird wohl eher das Problem sein: Wie bringe ich die Menschen dazu, die Kandidaten abzuklopfen, ihnen ihren Willen kundzutun und sie auch fallen zu lassen, wenn sie nicht spuren. Das erfordert natürlich Engagement vom Wähler, der sich dann natürlich noch weniger darauf verlassen dürfte, dass das Pack, das die Partei, die er seit 30 Jahren wählt ihm vorsetzt, schon in Ordnung ist.
 

IM-Meier

Geselle
18. August 2006
28
Und WARUM ist die Republik so vernebelt?

Vielleicht weil die Gesinnungs- und Gefälligkeits-Journalisten (wie Kurbjuweit) unserer Tage es gar nicht mehr in Betracht ziehen, dass u.a. SIE dafür verantwortlich wären, den Nebel zu lüften...
 

erik

Erlauchter Auserwählter der Fünfzehn
4. April 2004
1.002
Äh, wäre die Idee eines Parlaments deren einzelne Abgeordnete wirklich nur ihrem Wahlkreis Rechenschaft schuldig sind und womöglich auch gar nicht mehr nach ihrem Gewissen entscheiden, sondern nach der Mehrheit ihres Wahlkreises nicht ziemlich dicht am System einer Räterepublik (ur) sowjetischen Zuschnitts?

(wundere mich nur weil auch der Liberale so begeistert dafür ist... :wink: )
 

Ein_Liberaler

Ritter des Heiligen Andreas von Schottland
14. September 2003
4.926
Ich bin nicht begeistert dafür. Ich habe allgemein Probleme mit der Machtausübung, egal ob direktdemokratisch, parlamentarisch oder parteibürokratisch. Das wichtigste an einer Verfassung ist für mich, was sie Parlament und Regierung verbietet, nicht, wie die beiden bestimmt werden.

Ich kann zwar nicht verhehlen, daß mir die bundesdeutsche Parteiendemokratie langsam aber sicher zum Halse raushängt, aber meine Zweifel an der scheinbaren Patentlösung Mehrheitswahlrecht habe ich ja angemeldet - nur muß ich agentP recht geben, daß man die Macht der Parteien nicht noch formal zementieren muß.

Was die Räterepublik angeht, bin ich mir nicht so sicher. In der Praxis beschlossen die Räte ja, was Lenin wollte, und damit fertig. Aber waren sie in der Theorie nicht an die Aufträge ihrer Wähler gebunden? Das wäre im System Kurbjuweit ja nicht so. Die Parlametarier würden vielmehr (idealerweise) nach dem Beispiel jenes englischen Abgeordneten handeln, der seinen Wähler beschied, sie hätten sein Gehirn gekauft, und wenn er ihnen nur seine Stimme liefere, wäre das Betrug, deshalb würde er so stimmen, wie er das für richtig hielte.

Lediglich ihre Wiederwahl stünde auf dem Spiel...
 

agentP

Ritter Kadosch
10. April 2002
5.361
In einer Räterepuplik wird womöglich nach dem Mehrheitswahlrecht gewählt, aber deshalb ist es nicht das identisch. Das eine beschreibt ja mehr oder weniger eine Regierungsform, das andere nur die Art wie die Volksvertreter gewählt werden.
Ein reines Mehrheitswahlrecht gibt es z.B. in den USA bei den Wahlen zum Kongress oder in England bei den Wahlen zum Unterhaus und ich denke deshalb kommt noch lange keiner auf die Idee die USA oder Großbritannien als Räterepubliken zu bezeichnen.
Ein weiteres Merkmal der Räterepublik wäre, dass von unten nach oben mehrere Ebenen eingezogen sind, d.h. die Bezirksräte wählen Kreisräte, die Kreisräte wählen, die Kreisräte Landräte, die Landräte Bundesräte oder so ähnlich. Kubjuweit will ja direkt die Wahlkreise die Abgeordneten der höchsten Ebene wählen lassen.

Aber waren sie in der Theorie nicht an die Aufträge ihrer Wähler gebunden?
So ist es: Die Abgeordeten haben rein theoretisch ein "imperatives Mandat". Dein Engländer hat, wie der nach Mehrheitswahlrecht gewählte amerikanische "Congressman" ein "freies Mandat".


Und WARUM ist die Republik so vernebelt?

Vielleicht weil die Gesinnungs- und Gefälligkeits-Journalisten (wie Kurbjuweit) unserer Tage es gar nicht mehr in Betracht ziehen, dass u.a. SIE dafür verantwortlich wären, den Nebel zu lüften...
Und natürlich weil Leuten wie dir nichts anderes einfällt als polemisch monokausale Begründungen zu liefern, die selbstverständlich ausschliesslich die Schuld bei anderen sucht und findet. :roll:
 

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