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Der EU-Beitritt der Türkei

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Moderator

Großmeister
1. Januar 2005
57
Debatte: EU-Beitritt der Türkei


Die Parteien sind:


PRO : (Beiträge erscheinen in dunkelblauer Schrift)

Hugo de la Smile


- durch keinen akademischen grad getrübter, langjähriger dönerien feldversuchforscher
- erfahrungen in neben-türken-in-berliner-s-bahn-sitzen
- hat sowohl schonmal mit türkischen staatsbürgern als auch mit eu bürgern gearbeitet
- gewohnheitsmäßiger rechthaber und passionierter gernegroß


CONTRA : (Beiträge erscheinen in dunkelroter Schrift)

MrPalmer


- überzeugter Europäer
- kennt die Türkei (war mittendrin statt nur dabei)
- ist gegen den Beitritt weiterer Mitglieder in nächster Zeit



Hinweise:


Wenn der Moderator eine Frage stellt, gibt es 2 Tage Zeit, eine Antwort zu verfassen.
Die Antwort sollte den Umfang von etwa einer halben bis einer ganzen A4-Seite haben.
(Richtwert: Schriftgröße 10, Arial)

Wenn beide Antworten eingegangen sind, werden sie vom Moderator zeitgleich veröffentlicht.
Daraufhin kann der Beitrag des jeweiligen Diskussionsgegners kommentiert werden. Für den Kommentar gilt ebenfalls eine Einreich-Frist von 2 Tagen.

Beiträge werden wiefolgt eingereicht:
- durch eine PN an den Moderator

bei Fragen/Anmerkungen:
- PN an den Moderator, oder
- Beitrag ins Forum "Partei A" bzw. "Partei B" schreiben, oder
- Beitrag in den Thread "Umfrage: Formaldebatte"
 

Moderator

Großmeister
1. Januar 2005
57
1. Frage

Sollte die EU es sich zum Ziel setzen, die Türkei in absehbarer Zeit , sagen wir bis zum Jahre 2020, aufzunehmen?
 

Moderator

Großmeister
1. Januar 2005
57
Antwort PRO : (Frage 1)


aloha liebe leserInnen,

es wird kaum überraschen, dass ich dafür wäre, dass sich die eu zum ziel setzt die türkei in die eu aufzunehmen.
die eu soll einen raum des rechts schaffen, einen raum der freiheit. grundsätzlich ist es positiv zu bewerten, wenn sich dieser raum des rechts auf ein größeres gebiet und mehr meiner mitmenschen erstreckt.
ich finde es gut, wenn zwischen mir und möglichst vielen menschen rechtsstaatliche verhältnisse herrschen und nicht das faustrecht der zwischenstaatlichkeit prangt.
es gibt sicher argumente, die gegen eine unbegrenzte ausbreitung des gebiets der eu sprechen, im falle der türkei treffen sie meiner meinung nach jedoch nicht zu.
ein großes risiko wäre es, wenn die eu zu schnell wachsen würde. aber von "zu schnell" kann bei der türkei gar keine rede sein. die türkei bemüht sich schon seit jahrzehnten um eine mitgleidschaft in der eu und hat über diesen zeitraum enorme fortschritte gemacht.
sie wäre weder das ärmste land, noch dass land mit der europaskeptischsten bevölkerung.
auch die rechtsstaatlichen probleme sind mit der letzten justizreform theoretisch gelöst, müssen nur noch durchgeführt werden.
2020, 15 jahre.
wie sah es 15 jahre vor der aufnahme polens eigentlich in polen mit dem rechtsstaat aus? und wie war das mit griechenland? spanien? wie lange lag eigentlich erst der weltkrieg zurück, als mit die montanunion gegründet wurde?
ein oft gehörtes argument ist ja, dass die türkei nicht zu europa gehören würde.
nun muss man sich aber fragen, was ist eigentlich europa? europa ist ja keine eigene landmasse, sondern ein teil des eurasischen kontinents.
welchen kriterien aber folgte die einteilung in europa und asien(die man so etwa im fernen osten überhaupt nicht macht)?
warum sollte diese einteilung noch gelten?
wir sollten uns von den dogmatischen festlegungen der vergangenheit nicht bevormunden lassen, und vor dem hintergrund der aufnahme zyperns ist es doch mehr als fragwürdig, welche relevanz die in vergangenen zeiten willkürlich gezogene grenze "europas" für ein modernes juristisches gebilde überhaupt haben kann.
so gesehen ist die aufnahme von "europäische" in den namen der union ein grundsätzlicher fehler gewesen, die aufnahme der türkei in 15 jahren ist wie jede veränderung ein wagnis, doch das projekt union war von anfang an auf ausdehnung ausgerichtet.
warum jetzt damit aufhören?

Hugo de la Smile
 

Moderator

Großmeister
1. Januar 2005
57
Antwort CONTRA : (Frage 1)


Beitritt der Türkei in die EU ?

Zuerst möchte ich klarstellen, dass diese Begründungen zu einen Nein für die Türkei
in die Europäische Union rein subjektiv sind und auf meinen persönlichen Eindrücken
und Meinung gründen.

Was ist die EU ?
Die Europäische Union wurde von den Kernstaaten,
Italien, Frankreich und Niederlande sowie England und Deutschland
zuerst als wirtschaftliches Gebäude ins Leben gerufen, um die Beziehungen der ehemaligen Kriegsgegner zu festigen, um sich so näher zu kommen und weitere Kriege auf dem Kontinent zu verhindern.
Ziel war es, durch die engen Verbindungen die Feindschaften hinter sich zu lassen.
Das Modell hatte Erfolg, so dass sich das ehemalige wirtschaftliche zu einen politischen Modell
wandelte und mehr und mehr Staaten der EU beitraten. Dieser Prozess ist fortlaufend und
hatte einige wichtige Stationen; z.b Maastricht oder die Nizzaverträge und daraus mündend
die Europäische Verfassung, in der immer mehr die Nationalstaaten ihre Souveränität an die
EU und das Parlament abgeben werden, so dass sich das Gesicht der EU von einem reinen
wirtschaftlichen Zusammenschluss zu einer Wertegemeinschaft ändern wird.
Doch gibt es Strömungen innerhalb der EU, die diese Tendenz lieber abwenden würden und ein
wirtschaftliches Gebilde wünschen. Was hat dies alles mit der Türkei zu tun ?

Sollte die Türkei in die EU ?
Ein klares Nein, wieso wird sicher gefragt ? Wie schon geschrieben hat sich die EU zu einer
Wertegemeinschaft geformt. Die Hauptmerkmale, Demokratie, Einigkeit über die allgemeinen Menschenrechte, Trennung von Staat und Kirche, geographisches und kulturelles Erbe.

In den meisten Punkten gibt es keine Überschneidungen mit der Türkei.
Die Befürworter eines EU-Beitritts der Türkei fürchten dieses geeinte Europa und versuchen,
die Wertegemeinschaft wieder zu einem reinen wirtschaftlichen Bündnis durch den Beitritt
der Türkei zu torpedieren. Die Schnittpunkte zwischen der Union und der Türkei sind zu klein,
und dies in einigen Bereichen, die sicher in dieser Debatte noch ausführlicher betrachtet werden.
Deswegen ein klares Nein zur Vollmitgliedschaft der Türkei.

Gibt es andere Wege ?
Ich halte nichts von einer privilegierten Partnerschaft, noch einer Vollmitgliedschaft in der EU, aber
einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit und einer Intensivierung des Handels durch einen Wandel der Zollunion in eine Freihandelszone Europa.
Dieses Modell liesse sich auf einige Mitglieder ausweiten, ohne dass
die Europäische Union und Wertegemeinschaft ihren Sinn verliert.

Abschliessend möchte ich einen Europäer zitieren der ersten Stunde

"Wir müssen so etwas wie die Vereinigten Staaten von Europa schaffen"

Sir Winston Churchill in seiner Züricher Rede.
Für ihn bestand das gemeinsame europäische Erbe aus dem christlichen Glauben und der christlichen Ethik, aus der Kultur, den Künsten, der Philosophie und der Wissenschaft vom Altertum bis zur Neuzeit.
 

Moderator

Großmeister
1. Januar 2005
57
Die Kontrahenten haben nun Gelegenheit, die Position ihrer Gegenpartei zu kommentieren.

- - - - - - - - - -

Termin: 15. Februar 2005, 23:59 Uhr
 

Moderator

Großmeister
1. Januar 2005
57
Kommentar PRO : (Frage 1)


aloha herr palmer,

wenn ich dein argument mal zusammenfassen darf:
du meinst, die türkei sei kulturell zu unterschiedlich und eine aufnahme würde die einheit europas auf eine rein wirtschaftliches bündnis zurück werfen.

hier müssen wir uns fragen, was eigentlich gemeint ist, wenn von kultur die rede ist. meistens wird kultur als eine art gummiargument verwendet.
ich sage, es ist eine worthülse, die in keiner völkerrechtlichen und staatsrechtlichen argumentation platz finden sollte.

ich möchte behaupten, dass meine "kultur" sich erheblich von der vieler menschen der eu unterscheidet (ohne das näher zu erläutern).

schonmal den begriff subkultur gehört?
wieviele kulturelle schnittpunkte hat wohl einer aus der berliner gothicszene mit einem österreichischen almbauern?
ich würde behaupten, deutlich weniger, als dieser bauer mit einem türkischen landwirt.
die lebensverhältnisse eines griechischen fischers werden wohl denen eines spanischen oder türkischen fischers weit näher stehen, als die eines frankfurter bänkers.

neben dem gummibegriff der "kultur" gibt es allerdings eine art staatskultur.

ein europäischer staat sollte demokratisch sein, gewaltenteilung kennen, laizismus, die unschuldsvermutung, die bildung darf nicht in der hand bestimmter religiöser gruppen liegen.
diese demokratische kultur ist in der türkei erfüllt und nur darauf sollte es ankommen.

du erwähnst das christliche erbe europas.
dabei übersiehst du aber, dass gerade die werte, die als euopäisch gelten (gleichberechtigung, toleranz, demokratie), von der bevölkerung gegen die christlichen kirchen erkämpft werden mussten.

so ist christliche religion mit einer gleichberechtigung von gleichgeschlechtlichen partnerschaften oder auch nur einer gleichberechtigung der frau nicht vereinbar (soll ich das mit bibelzitaten belegen?), und trotzdem leben christen in der eu. auch der islam ist eigentlich nicht mit diesen werten vereinbar. aber das muss er auch nicht, weil wir uns nicht für eine staatsreligion entscheiden müssen.

ein europa als christenclub könnte mir keine heimat sein, und auch die anderen zahlreichen konfessionsfreien sollten sich immer vor augen halten, dass ein christlicher staat kein toleranter staat sein kann. der staat hat neutral zu sein.

schließlich unterstellst du mir, indem du es allen türkeibeitrittsbefürwortern unterstellst, ich hätte angst vor einer tieferen einheit europas.
das ist natürlich unsinn.
mir liegt aber nichts daran, mit europa einen neuen, muffigen patriotismus möglich zu machen, der immer nur eine abgrenzung darstellt.

was die welt nicht braucht, ist ein neues, wohlig-warmes wir, als abgrenzung für finstere diedas.

das einzig positive, das von europa ausgehen kann, ist die legalisierung der beziehungen vieler menschen, indem sie in einer rechts- und freiheitsordnung emanzipiert an der gesellschaft, die sie mögen, partizipieren können.

sicher, europa ist auch ein projekt neoliberaler marktpolitik, doch dies zu ändern sollte aufgabe europäischer, am besten internationaler gewerkschaften und arbeiterbewegungen sein und nicht als argument einer verbesserung und aufklärung der rechtslage so vieler menschen im wege stehen.

das denkbar schlechteste wäre es schließlich, die türkei zu einer art kolonie zu machen, indem man zwar den marktkräften durch eine freihandelszone ungezügelte spielräume lässt, nicht aber der bevölkerung die freiheiten anderer europäischer menschen einräumt.

aloha

Hugo de la Smile
 

Moderator

Großmeister
1. Januar 2005
57
Kommentar CONTRA : (Frage 1)


die eu soll einen raum des rechts schaffen, einen raum der freiheit. grundsätzlich ist es positiv zu bewerten, wenn sich dieser raum des rechts auf ein größeres gebiet und mehr meiner mitmenschen erstreckt.
ich finde es gut, wenn zwischen mir und möglichst vielen menschen rechtsstaatliche verhältnisse herrschen und nicht das faustrecht der zwischenstaatlichkeit prangt.

In der Türkei ist der Raum des Rechts stark eingeengt.
Und dies in einigen Bereichen, z.B. bei den Menschenrechten, der Lage der Frauen in der Türkei oder die Religionsfreiheit. Und das Faustrecht wird von diesen Kanditaten angewendet, wie die militärische Besetzung des Nordens Zyperns sowie der Republik Zypern, dem griechischen Inselteil und EU-Vollmitglied die völkerrechtliche Anerkennung zu verweigern.
Da ist noch die Türkei, die die Zusammenarbeit zwischen der EU und NATO blockiert; Gemeinsame Einsätze in Afghanistan oder Afrika werden verhindert, der Kampf gegen den internationalen Terrorismus verhindert.


ein großes risiko wäre es, wenn die eu zu schnell wachsen würde. aber von "zu schnell" kann bei der türkei gar keine rede sein.

Es wird von mir nicht die Zeit in Frage gestellt, sondern der "Beitrittsautomatismus", eingeleitet mit der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen und dem Verheugenbericht, der so verzerrt und passend gemacht wurde, dass nur Beitrittsverhandlungen daraus erfolgen mussten, trotz Defiziten.

ein oft gehörtes argument ist ja, dass die türkei nicht zu europa gehören würde. nun muss man sich aber fragen, was ist eigentlich europa?

Die Grenzen Europas sind klar definiert, ausserdem sollte der kulturelle Aspekt nicht vergessen werden. Renaissance, die Aufklärung oder das hellenistische Altertum sind nicht Bestandteil der Türkischen Geschichte.
Bei der Aufnahme scheint der geographische und kulturelle Hintergrund zweitrangig. Doch das macht Europa aus !
Hier überwiegen deutlich wirtschaftliche und geostrategische Aspekte.


wir sollten uns von den dogmatischen festlegungen der vergangenheit nicht bevormunden lassen, und vor dem hintergrund der aufnahme zyperns ist es doch mehr als fragwürdig, welche relevanz die in vergangenen zeiten willkürlich gezogene grenze "europas" für ein modernes juristisches gebilde überhaupt haben kann.
so gesehen ist die aufnahme von "europäische" in den namen der union ein grundsätzlicher fehler gewesen, die aufnahme der türkei in 15 jahren ist wie jede veränderung ein wagnis, doch das projekt union war von anfang an auf ausdehnung ausgerichtet.
warum jetzt damit aufhören?

Europa hat sich von einer Gemeinschaft zu einer Union gewandelt. Das Parlament gestärkt, eine gemeinsame Währung geschaffen, die "Europäische Verfassung" ist auf den Weg, und jetzt ist dieses Europäische Projekt ein grundsätzlicher Fehler?
Ziel war es, die Europäischen Staaten zu einen und ein politisches Gegengewicht zu den USA zu bilden. Dieses Ziel sollten wir nicht verlieren.
Ich frage, warum jetzt alles zerstören ?
 

Moderator

Großmeister
1. Januar 2005
57
2. Frage

Inwiefern stellt das Kurdenproblem ein Hindernis bei der Aufnahme der Türkei dar?

- - - - - - - - - -
Termin: 19.Februar 2005 23:59
 

Moderator

Großmeister
1. Januar 2005
57
Antwort PRO : (Frage 2)


aloha zusammen,


im letzten jahr im diyarbakir:

Kein Wunder, dass der erwartete Beginn von Beitrittsverhandlungen mit der EU vor allem unter Kurden für viel Hoffnung sorgt. Ein Zeichen dafür war eine Demonstration am Sonntag in der südostanatolischen Millionenstadt Diyarbakir. Rund 50.000 Kurden demonstrierten für einen EU-Beitritt.


http://www.taz.de/pt/2004/12/16/a0173.nf/text

meiner ansicht nach hat sich gezeigt, dass die türkei bereit ist, in zukunft die unterdrückung ihrer minderheiten zu beenden. so ist etwa die kurdische sprache nicht mehr verboten.

es ist eigentlich ganz simpel, bis zum eintritt der türkei in die eu, müssen die kurden rechtlich so gestellt werden, wie andere minderheiten heute in der eu. die regierung in ankara weiß das, und deshalb wird sie es tun.
würden die kurden nicht ihre rechte bekommen, so wäre das ein hinderungsgrund, die türkei könnte nicht aufgenommen werden.

ich habe einige politiker erlebt, die meinten, die türkei müsste ohne druck aus der eu die rechte der kurden erhöhen, und dass sie dies nicht täte, würde zeigen, dass sie nicht bereit sei für die eu.

diese haltung finde ich ausgesprochen zynisch, denn da der druck ja da ist, bedeutet das, die türkei hätte nie die möglichkeit der eu beizutreten.
wenn die türkei nie der eu beitreten könnte, würde sich der druck auf die kurden aber gewiss wieder erhöhen.

gerade aus sicht der kurden ist es wünschenswert, dass die türkei mitglied der eu wird, so könnten sie etwa bei verstoß gegen ihre rechte vor dem europäischen gerichtshof klagen.
 

Moderator

Großmeister
1. Januar 2005
57
Antwort CONTRA : (Frage 2)


Hallo und willkommen zur 2.Frage

Ich möchte die gestellte Frage;
Inwiefern stellt das Kurdenproblem ein Hindernis bei der Aufnahme der Türkei dar?
etwas anders formulieren, in etwa ..
Inwiefern behindert die Politik der Türkei in Bezug auf die Kurden und andere Minderheiten die Aufnahme in die EU ?

Mein Contrapart schrieb von Recht und von Freiheit, nun meine Frage: in wie weit steht die Türkei für Recht und Freiheit Anderer, z.B Kurden
und andere Minderheiten ?

Völkerrecht
Im Völkerrecht bezeichnet die Unabhängigkeit eines Staates von anderen Staaten und seine Selbstbestimmtheit (Staatssouveränität). Ein nicht souveräner Staat oder ein nicht souveränes Gebiet, z.B. ein Protektorat, unterliegen demgegenüber der Befehlsgewalt (oft nur in Teilen) eines anderen Staates. Wie im Falle Irak. Und doch gab es vor und nach den Wahlen eindeutige Drohungen aus der Richtung Türkei mit Intervention, wenn die Kurden die Macht in der ölreichen Stadt Kirkuk erringen sollten. Der stellvertretende Generalstabschef Basbug hatte dies am 27. Januar offen gesagt und angekündigt, es werde im Februar "zu großen Ereignissen kommen, die nicht nur die Region berühren werden, sondern die Weltpolitik". Die Türkei hat ihre Streitkräfte entlang der irakischen Grenze seit November deutlich verstärkt.

Ist dies die Stabilität die mit der Mitgliedschaft der Türkei für den Nahen Osten bringt ? Ich glaube kaum und hoffe, dass eine Intervention der Türkei im Irak verhindert wird.
Während der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse wurde der deutsche Außenminister von Ribbentrop unter anderem angeklagt, weil er die Besetzung Norwegens als vorbeugende Kriegsmaßnahme vorbehaltlos unterstützt hatte.

Europarecht
Die Türkei ist am Dienstag vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg wegen Verstoßes gegen die Meinungsfreiheit gerügt worden. Türkische Richter hatten einen prokurdischen Autor wegen "separatistischer Propaganda" zu einem Jahr Gefängnis verurteilt.
Ist dies die Meinungsfreiheit in der Türkei ?
Aber vielleicht nur ein Einzelfall, man hatte ja den Verheugenbericht und alles war gut.
Aber wie kommt es, dass eine internationale Juristen-Delegation nach einer Reise in die Türkei meint, das Land ist noch nicht reif für die EU.
Und dann dies "eine große Diskrepanz zwischen Gesetzesreformen und Umsetzung in der Praxis". Es ist schön, wenn Gesetze gemacht werden, die
darauf zielen bestimmte Normen zu erfüllen, in diesen Fall die der EU Mitgliedschaft, nur ist oft ein Unterschied zwischen Gesetz und Realität.
Die Juristen konstatieren, dass ein grundsätzliches Umdenken in der Kurdenfrage bei Regierung, Militär und Parteien noch nicht eingesetzt habe. Die offizielle Politik sei noch weit davon entfernt, die Identität der Kurden als gleichberechtigtes Volk mit gleichen Rechten und Freiheiten anzuerkennen. Und wieder Recht und Freiheit ..

Aber vielleicht die falsche Delegation ?
Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI), eine Instanz des Europarates, hat am Dienstag einen Bericht veröffentlicht, wonach Minderheiten wie die Kurden oder die Roma in der Türkei nach wie vor diskriminiert würden. Oder doch eine andere ?
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) appelliert an die Regierungen der EU-Länder, der Türkei nur dann Weg für Beitrittsverhandlungen zu öffnen, wenn die Türkei sich in Fragen der Kurden und anderen Minderheiten grundlegend ändert.

2,4 Millionen Kurden wurden zwischen 1980 und 1999 von der türkischen Armee aus ihren mehr als 3.400 zerstörten Dörfern vertrieben. Bis heute werden sie in ihrer großen Mehrheit an der Rückkehr gehindert. Laut UN-Angaben ist das die höchste Zahl von Binnenvertriebenen auf dem Boden der Mitgliedsstaaten des Europarates. 80% der Vertriebenen sind arbeitslos, 50% leben bis heute in Notunterkünften, 82 % haben Gesundheitsschäden, 78% sind unzureichend ernährt und nur 5% sind krankenversichert. 40% haben keinen Zugang zu reinem Trinkwasser. 42% der Vertriebenen sind Analphabeten, ein Viertel der Kinder geht nicht in die Schule.Nach wie vor sitzen 3.500 kurdische politische Gefangene aus der Zeit des türkisch-kurdischen Bürgerkriegs in Haftanstalten.

Andere Minderheiten wie Roma, Armenier oder Andersgläubige stehen hier nicht zur Debatte, aber gestattet mir noch eins ;
Bis heute sind christliche und andere religiöse Gemeinschaften in der Türkei nicht gleichberechtigt. Christlichen Kirchen wird weiter der öffentlich-rechtliche Status vorenthalten. Kirchliches konfisziertes Eigentum wurde nur in Ausnahmefällen zurückgegeben. Glaubens- und Gewissensfreiheit
Und wieder Recht und Freiheit.
 

Moderator

Großmeister
1. Januar 2005
57
Die Kontrahenten haben nun Gelegenheit, die Position ihrer Gegenpartei zu kommentieren.

(Die PRO-Partei möge sich die nächste Frage aussuchen.)

- - - - - - - - - -
Termin: 21. Februar 23:59
 

Moderator

Großmeister
1. Januar 2005
57
Kommentar PRO : (Frage 2)


das ist genau die argumentation, die ich erwartet hatte.

ich möchte meine antwort kurz halten.

wenn die türkei heute "reif" wäre für europa, dann hätten die verhandlungen vor 20 jahren beginnen sollen.
das ziel der verhandlungen ist der beitritt der eu und mit diesem beitritt die angleichung der lebensverhältnisse an die lebensverhältnisse der eu.

vergleiche einfach mal die zustände in deutschland '44 mit denen von '59.

wenn in zehn jahren immer noch solche berichte eingehen werden, dann ist es vielleicht fraglich, ob die türkei es bis 2020 schafft ein europäisches niveau zu erreichen. dann sollte man überlegen den beitritt auf 2025 zu verschieben. aber jetzt mit fingerzeig auf diese probleme die verhandlungen mit dem ziel der aufnahme abbrechen, das wäre eine entscheidung die gerade diese minderheiten ausbaden müssten.

du hast in einem beitrag gemeint, dass die eu ein gegengewicht zu den usa bilden sollten. aber warum? um es besser zu machen? auch eine kapitalistische eu-supermacht kann sich nicht anders verhalten als die usa heute. man denke alleine an die zerschlagung jugoslawiens und die rolle deutschlands dabei.
die imperialen großmachtsgedanken, die sicher einige hegen, das sind gedanken, die die europäischen völker ihren herrschenden aus den köpfen schlagen sollten.

es gibt aber ganz konkrete menschen, denen das projekt eu zugute käme, nämlich den menschen in der türkei. alles was du aufzählst kann nur grund sein, die bemühungen um eine aufnahme der türkei zu verstärken, denn die aufnahme in den europäischen rechtsrahmen wird denen helfen, deren rechte derzeit eingeschränkt werden.

die türkei will in die eu und sie weiß, wie die eu den rechten von minderheiten steht. gut für diese minderheiten.
 

Moderator

Großmeister
1. Januar 2005
57
Kommentar CONTRA : (Frage 2)


meiner ansicht nach hat sich gezeigt, dass die türkei bereit ist, in zukunft die unterdrückung ihrer minderheiten zu beenden. so ist etwa die kurdische sprache nicht mehr verboten.

es ist eigentlich ganz simpel, bis zum eintritt der türkei in die eu, müssen die kurden rechtlich so gestellt werden, wie andere minderheiten heute in der eu. die regierung in ankara weiß das, und deshalb wird sie es tun.

Ich möchte mich ungern wiederholen; wie ich schon in der Frage 2 geschrieben habe, ist es kein Zeichen der Besserung, wenn die Türkei Gesetze erlässt nur zum Zweck die Kriterien zu erfüllen, aber die Durchsetzung behindert.

> Folter
Ich sehe keine deutliche Verbesserung, wenn Folterungen nicht mehr systematisch angeordnet werden, sondern nur teilweise auftreten mit neuer Methode, wie AI attestiert:
"Es gibt offenbar weniger Fälle, wo Menschen an den Beinen aufgehängt und mit Elektroschocks traktiert wurden." Aber es gebe immer noch häufig Fälle exzessiven Schlagens und sexueller Übergriffe gegen Frauen, so Amnesty International.


> Meinungsfreiheit
Kritiker werden mit Prozesslawinen eingedeckt, um sie mundtot zu machen.
Wie ich geschrieben habe, befasst sich der Europäische Menschenrechtsgerichtshof auch mit solchen Fällen.
Den langen Arm des Gesetzes bekamen auch die Macher der lokalen TV- und Radiostation Gun zu spüren. Weil sie live von einem kurdischen Symposion berichtet und die kurdischen Reden sowie Lieder ausgestrahlt hatten, wurden sie mit einem einmonatigen Sendeverbot belegt.

> Minderheitenrechte
Die Sprache ist nicht mehr verboten, aber wer kann sie noch lesen ?
Von den 12 bis 15 Millionen Kurden in der Türkei kann sich jeder Fünfte nicht mehr in seiner Muttersprache verständigen. Sprachschulen sind nicht mehr verboten, aber ein Antrag auf Eröffnung eines Instituts für Kurdisch-Unterricht wird von den Behörden verbummelt oder auf Eis gelegt.

Es gibt keine Änderung im Denken, sondern ein Anpassen an EU Richtlinien zur Mitgliedschaft.


ich habe einige politiker erlebt, die meinten, die türkei müsste ohne druck aus der eu die rechte der kurden erhöhen, und dass sie dies nicht täte, würde zeigen, dass sie nicht bereit sei für die eu.

Es ist nicht Ziel und Aufgabe der EU Druck auf andere Staaten und Mitgliedsaspiranten auszuüben.
Und obwohl dies gemacht wird, gibt es kaum Änderungen in der Politik der Türkei.


gerade aus sicht der kurden ist es wünschenswert, dass die türkei mitglied der eu wird, so könnten sie etwa bei verstoß gegen ihre rechte vor dem europäischen gerichtshof klagen.

Es kann ja nicht Sinn sein die Mitgliedschaft der Türkei zu wünschen, damit die Kurden erfolgreich klagen können ! Es muss einen Dialog und die Bereitschaft zur gesellschaftlichen Reform gefördert werden, damit die Türkei aufgenommen werden kann.

Es ist falsch Beitrittsverhandlungen zu führen, wenn die Beitrittskriterien noch gar nicht erfüllt sind, und zu hoffen, dass sie irgendwann soweit sind, vielleicht bei ihren Eintritt, aber was tun wenn nicht ?
 

Moderator

Großmeister
1. Januar 2005
57
3. Frage

wo liegen die grenzen europas und warum liegen sie dort?

_____
Termin: 24. Februar 2005, 23:59 Uhr
 

Moderator

Großmeister
1. Januar 2005
57
Antwort PRO : (Frage 3)


ich muss ehrlich sagen, das ist eine ausgezeichnete frage mr moderator.

ich möchte gleich mal mit zwei zitaten beginnen:

Europa ist das westliche Fünftel der eurasischen Landmasse, und wird von Europäern üblicherweise als eigenständiger Kontinent betrachtet.

http://de.wikipedia.org/wiki/Europa

Zu bemerken ist, dass es im eigentlichen Sinn keine physische Grenze zwischen Europa und Asien gibt. Der Grenzverlauf zwischen Europa und Asien ist reine Definition und jede frühere, aktuelle oder spätere Grenzfestlegung faktisch willkürlich (wie auch die Ernennung Europas zum Kontinent). Europa und Asien bilden zusammen den "Kontinent", die tektonische Platte Eurasien. In Asien (z. B. an den japanischen Schulen) wird üblicherweise Europa von vornherein nicht als eigentlicher Kontinent angesehen. Hier sind die fünf Kontinente der Erde Eurasien, Afrika, Amerika, Australien und Antarktika (nicht Antarktis, denn dies bezeichnet als Gegenstück zur Arktis, der Nordpolarregion, die gesamte Südpolarregion).

http://de.wikipedia.org/wiki/Eurasien

es sollte hier überdeutlich werden, dass es keine geologische trennlinie zwischen asien und europa gibt. was aber ist es, was wir unterscheiden zwischen asien und europa, man könnte meinen, dass ein deutlicher(er) unterschied in den kulturen dort seinen grenzverlauf hat, wo man gemeinhin die grenze zwischen den "kontinenten" zieht.
nun beleuchten wir das genauer. die grenze verläuft durch istanbul (formal konstantinopel). unterscheidet sich die kultur auf der einen seite istanbuls also erheblich von der auf der anderen? essen die leute auf der einen seite des bosporus plötzlich mit essstäbchen? wohl kaum.
es ist ja allgemein bekannt, dass man dieser tage vielmehr nach urbaner und ländlicher kultur zu unterscheiden hat. tatsächlich sind die zustände im hinterland der türkei nicht deutlich unterscheidbar von denen, in anderen ländlichen regionen europas (z.b. traditionalismus, wilde ehen, kirchgang etc.)

Die Verstädterung ist in der Türkei weit voran geschritten, 74 % der Gesamtbevölkerung leben in der Stadt. Während der Südosten der Türkei sehr dünn besiedelt ist, konzentriert sich die Bevölkerung in den großen Städten der Westküste.

http://de.wikipedia.org/wiki/Türkei#Bev.C3.B6lkerung

ungefähr ein viertel der bevölkerung der türkei lebt alleine im ballungsgebiet istanbul.

wir können davon ausgehen, dass die grenzziehung seiner zeit zu einem ganz erheblichen teil als abgrenzung zwischen christenheit und islam gezogen wurde(wobei einem außerirdischen betrachter der unterschied zwischen christentum und islam nur schwer begreifbar zu machen wäre).
kann aber, das bekenntnis eines teils der bevölkerung, für den weltanschaulich neutralen staat relevant sein? die triviale antwort lautet nein.
staatsrechtlich wäre allerdings relevant, wenn die republik türkei sich nicht weltanschaulich neutral verhielte. dass christlichen minderheiten dort kein amtskirchenstatus zuteil wird, wäre unter betrachtung der bundesdeutschen zustände wirklich ein unzulässiges argument.

halten wir also fest:
geographisch und geologisch ist die trennung nach asien und europa nicht ableitbar.
die historisch-politische abgrenzung stammt aus vergangen zeiten und hat mit der heutigen situation kaum etwas zu tun.
kulturelle unterschiede sind marginalien; religiöse unterschiede sind marginal.

geostrategisch und wirtschaftlich ist der schritt sinnvoll.

die grenze europas ist sinnvoll nicht zu ziehen, die grenze der europäischen union sollten alleine die kopenhagener kriterien sein.
 

Moderator

Großmeister
1. Januar 2005
57
Antwort CONTRA : (Frage 3)


wo liegen die grenzen europas und warum liegen sie dort?


Um diese Antwort vollkommen zu beantworten müsste man ein Buch schreiben, aber ich versuche mein Bestes, grob die Grenzen zu formulieren.

Denn die Frage umschließt mehrere mögliche Antworten in Bezug auf Europas Grenzen sowohl geographisch, strategisch, politisch und die kulturgeschichtlichen Grenzen.

Welche Antwort hätten Sie gern ?
Die Frage der Grenzen ist die Frage der Identität, die wiederum eine Frage der Grenze ist. Die Frage nach der Identität stellt die Frage der Zugehörigkeit zu den wie oben geschrieben geographisch-kulturellen Grenzen. Erst nach dem Ende des Ost-West-Konflikts wurde der ursprünglich westeuropäische Kern der Einigung in Frage gestellt.

Frage der Definition
Da die Diskussion um den Beitritt der Türkei zur EU als Inhalt hat,
versuche ich die Grenzen der Europäischen Union aufzuzeigen.

Der Beginn Europas:
Nimmt man Herodot und seine Definition mit der Unterscheidung, geographisch die bis heute gültige von Orient und Okzident.
Europa erstreckte sich gemäß Herodots Darstellung weit in den Norden, etwa so weit wie bis zur Nordsee, im Nordosten bis zum Don und zum Asowschen Meer. Und schon damals ein ursprünglichen Akt einer doppelten Grenzziehung, einer wenn auch vage gebliebenen geographischen, gerade in der Lage, Ost und West zu unterscheiden, und einer zweiten, bedeutenderen, weil anhand kultureller Distanz definierten. Die kulturell der von "Griechen" ("wir", wie Herodot schreibt) und "Barbaren".

Heutige Grenzen :
Nach geographischen Gesichtspunkten ist eine Bestimmung der Grenzen der EU genauso schwierig wie zu Zeiten Herodots, da der Kontinent Europa ohne feste natürliche Grenzen im Osten in den asiatischen Kontinent übergeht. Außerdem liegen die Türkei und Russland mit einem Teil ihres Staatsgebiets in Europa und mit dem größeren Teil in Asien.

Strategische Grenzen:
Warum nur sollte sich Europa so attraktive Nachbarn wie den chaotischen Irak, die syrische Diktatur, die iranische Theokratie und erodierende Staaten wie Georgien und Armenien zulegen, überdies auch noch die explosive Kurdenfrage zu einem ihrer Binnenprobleme machen?
Um im geopolitischen Spiel eine Macht darzustellen, braucht Europa die Türkei. Doch hier wird mit geradezu neurotische Druck versucht, Kleinasien endlich als "europäisch" anzuerkennen. Und eine mögliche Gefahr verdrängt.

Politische Grenzen:
Noch letztes Jahr gab es zwei Europas ein "New" und ein von Rumsfeld verächtlich als "altes Europa" bezeichnetes. Und nun zeigt sich eine weitere Grenze sich abzuzeichnen, wenn es um die Ratifizierung der Verfassung geht. Die Briten werden wahrscheinlich mit Ja stimmen, obwohl
eine große Mehrheit gegen die Verfassung ist, nur aus Angst alleine zurück zu bleiben, ähnlich wie 1975, als die Briten doch in der EWG blieben. Und falls ein Land mit Nein stimmt, wird eine neue Grenze entstehen, und in diesem Fall wird der Erweiterungsprozess der EU sofort zum Stillstand kommen. Das gilt insbesondere für die noch zu verhandelnden EU-Beitritte von Kroatien und der Türkei, eventuell sogar auch für den geplanten Beitritt von Rumänien und Bulgarien im Jahre 2007.

Kulturelle Grenze:
Oder Kulturkreis, einige dogmatische Multikulti-Gutmenschen sehen darin geradezu ein Sakrileg diese aufzuzeigen aber sie existieren, für alle die eine Europäische Kultur als Gummiargument bezeichnen möchte ich Wolfgang Reinhard ; Lebensformen Europas Eine historische Kulturanthropologie ans Herz legen. Diese gemeinsamen geistigen und kulturellen Wurzeln Humanismus, Aufklärung und kritischer wissenschaftlicher Rationalismus haben die europäische Gesellschaft geprägt und bestimmen in hohem Maß die Identität der Europäischen Union.

Die Frage nach der Finalität Europas
In Anbetracht der bevorstehenden Änderungen innerhalb der EU und Europas stellt sich die Frage nach der Zukunft politischer, kultureller und sozialer Identitäten und Grenzziehungen in Europa, sowie die nach den sich daraus ergebenden Konflikten neu aufwirft.
Mit der Aufnahme der 10 neuen Mitglieder wird deutlich, dass die prinzipielle Einladung an alle europäischen Staaten, Mitglieder der Gemeinschaft zu werden, wohl nicht länger aufrechterhalten werden kann. Die EU muss nun ihre räumliche Finalität festlegen, wenn sie nicht Gefahr laufen will, an Integrationskraft und -fähigkeit zu verlieren.
Wo fängt Europa an und wo endet es ? Vom Atlantik zum Ural, wie de Gaulle es formulierte, würde die Ukraine Mitglied der EU werden.
Das gleiche gilt für die Balkanstaaten und die Maghreb-Länder.
Und wer will dann Israel und Palästina die Tür vor der Nase zuschlagen? Schließlich werden Interessen und strategisches Kalkül Gespräche mit Russland und den Staaten des Kaukasus erfordern. Mit welchem Argument sollte es Armenien und Georgien verwehrt sein, Mitglied zu werden?
 

Moderator

Großmeister
1. Januar 2005
57
Die Kontrahenten haben nun Gelegenheit, die Position ihrer Gegenpartei zu kommentieren.

(Die CONTRA-Partei möge sich die nächste Frage aussuchen.)

_____
Termin: 27. Februar 23:59
 

Moderator

Großmeister
1. Januar 2005
57
Kommentar Pro : (Frage 3)


aloha,

wo liegen die grenzen europas und warum liegen sie dort?

Um diese Antwort vollkommen zu beantworten müsste man ein Buch schreiben, aber ich versuche mein Bestes, grob die Grenzen zu formulieren.

weil die grenzziehung künstlich und willkürlich ist, fällt es natürlich schwer eine eindeutige, klare antwort zu liefern.

Der Beginn Europas:
Nimmt man Herodot und seine Definition mit der Unterscheidung, geographisch die bis heute gültige von Orient und Okzident.
Europa erstreckte sich gemäß Herodots Darstellung weit in den Norden, etwa so weit wie bis zur Nordsee, im Nordosten bis zum Don und zum Asowschen Meer. Und schon damals ein ursprünglichen Akt einer doppelten Grenzziehung, einer wenn auch vage gebliebenen geographischen, gerade in der Lage, Ost und West zu unterscheiden, und einer zweiten, bedeutenderen, weil anhand kultureller Distanz definierten. Die kulturell der von "Griechen" ("wir", wie Herodot schreibt) und "Barbaren".

wir sind uns wohl einig, dass wir keine aktuellen politischen entscheidungen treffen sollten, die sich auf über zweitausend jahre alte texte von herodot beziehen.
zumal die damaligen verhältnisse mit den heutigen nun überhaupt nicht übereinstimmen.
herodot wäre, heute geboren, übrigens zunächst türkischer staatsbürger.

Heutige Grenzen :
Nach geographischen Gesichtspunkten ist eine Bestimmung der Grenzen der EU genauso schwierig wie zu Zeiten Herodots, da der Kontinent Europa ohne feste natürliche Grenzen im Osten in den asiatischen Kontinent übergeht. Außerdem liegen die Türkei und Russland mit einem Teil ihres Staatsgebiets in Europa und mit dem größeren Teil in Asien.

schwierig zu bestimmen ist eine untertreibung. nach geographischen gesichtspunkten gibt es einfach keine grenze.

Strategische Grenzen:
Warum nur sollte sich Europa so attraktive Nachbarn wie den chaotischen Irak, die syrische Diktatur, die iranische Theokratie und erodierende Staaten wie Georgien und Armenien zulegen, überdies auch noch die explosive Kurdenfrage zu einem ihrer Binnenprobleme machen?

verschwinden werden die probleme nicht, wenn wir uns nicht darum kümmern.

die türkei ist ein natostaat und somit ist der irak ein natonachbarland. er ist eh unser problem. wenn das problem in dem maße eskalieren sollte, dass es für die türkei ein sicherheitsproblem wäre, dann wäre es das problem der gesamten nato.
überhaupt, wieviele staaten der eu sind derzeit in diesem gebiet engagiert?
für die anderen staaten gilt ähnliches, wenn der iran sich atomwaffen zulegt, wird uns das wohl auch bewegen, wenn die türkei kein eu-staat würde.

Um im geopolitischen Spiel eine Macht darzustellen, braucht Europa die Türkei.

macht? macht zu welchem zweck? um uns zu verschanzen brauchen wir die türkei wirklich nicht. macht um globalen problemen zu begegnen? ich finde wir sollten hier lieber konkret die greifbaren probleme in der türkei lösen, als irgendwie abstrakt eine macht anzustreben.

Doch hier wird mit geradezu neurotische Druck versucht, Kleinasien endlich als "europäisch" anzuerkennen. Und eine mögliche Gefahr verdrängt.

nein, das verstehst du völlig falsch. dieses ganze theater um den begriff "europäisch" ist irreführend.
es können in einer konkreten, greifbaren welt, nur konkrete greifbare kriterien gelten. diese kriterien sind die "kopenhagener kritierien" und nicht, welche musik die menschen dort traditionell hören würden und sonstige kulturelle fragen.

Politische Grenzen:
Noch letztes Jahr gab es zwei Europas ein "New" und ein von Rumsfeld verächtlich als "altes Europa" bezeichnetes. Und nun zeigt sich eine weitere Grenze sich abzuzeichnen, wenn es um die Ratifizierung der Verfassung geht. Die Briten werden wahrscheinlich mit Ja stimmen, obwohl
eine große Mehrheit gegen die Verfassung ist, nur aus Angst alleine zurück zu bleiben, ähnlich wie 1975, als die Briten doch in der EWG blieben. Und falls ein Land mit Nein stimmt, wird eine neue Grenze entstehen, und in diesem Fall wird der Erweiterungsprozess der EU sofort zum Stillstand kommen. Das gilt insbesondere für die noch zu verhandelnden EU-Beitritte von Kroatien und der Türkei, eventuell sogar auch für den geplanten Beitritt von Rumänien und Bulgarien im Jahre 2007.

tja, mit den briten haben wir schon ein beachtliches integrationsproblem; und das liegt nicht daran, dass sie ein ander "kulturkreis"wären.
ich bin übrigens der ansicht, dass man den druck aus dem innereuropäischen einigungsprozess nehmen würde, wenn man das wachstum einfröre.
ein druck der imho sehr gut zu bewältigen ist.

das europäische projekt funktioniert nur mit mutigen schritten.

Kulturelle Grenze:
Oder Kulturkreis, einige dogmatische Multikulti-Gutmenschen sehen darin geradezu ein Sakrileg diese aufzuzeigen aber sie existieren, für alle die eine Europäische Kultur als Gummiargument bezeichnen möchte ich Wolfgang Reinhard ; Lebensformen Europas Eine historische Kulturanthropologie ans Herz legen. Diese gemeinsamen geistigen und kulturellen Wurzeln Humanismus, Aufklärung und kritischer wissenschaftlicher Rationalismus haben die europäische Gesellschaft geprägt und bestimmen in hohem Maß die Identität der Europäischen Union.

hier müssen wir unterscheiden zwischen der politischen und gesellschaftlichen prägung des staatswesens und dem was im volk hängen bleibt davon:

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hierzulande haben wir zum beispiel zu jeder zeit eine hohe zustimmung zur todesstrafe und viel verständnis für möchtegern folterer.

Die Frage nach der Finalität Europas
In Anbetracht der bevorstehenden Änderungen innerhalb der EU und Europas stellt sich die Frage nach der Zukunft politischer, kultureller und sozialer Identitäten und Grenzziehungen in Europa, sowie die nach den sich daraus ergebenden Konflikten neu aufwirft.
Mit der Aufnahme der 10 neuen Mitglieder wird deutlich, dass die prinzipielle Einladung an alle europäischen Staaten, Mitglieder der Gemeinschaft zu werden, wohl nicht länger aufrechterhalten werden kann. Die EU muss nun ihre räumliche Finalität festlegen, wenn sie nicht Gefahr laufen will, an Integrationskraft und -fähigkeit zu verlieren.
Wo fängt Europa an und wo endet es ? Vom Atlantik zum Ural, wie de Gaulle es formulierte, würde die Ukraine Mitglied der EU werden.
Das gleiche gilt für die Balkanstaaten und die Maghreb-Länder.
Und wer will dann Israel und Palästina die Tür vor der Nase zuschlagen? Schließlich werden Interessen und strategisches Kalkül Gespräche mit Russland und den Staaten des Kaukasus erfordern. Mit welchem Argument sollte es Armenien und Georgien verwehrt sein, Mitglied zu werden?

die grenzen der eu sollten genau da gezogen werden, wo die kopenhagener kritierien nicht erfüllt sind, wo kein wille und interesse besteht der eu beizuteten.

und letztlich, wenn wir 2050 dann in beitrittsverhandlungen zur wirtschaftsgemeinschaft china eintreten, können wir hoffen, dass die chinesen so eine unsinnige grenzziehung nicht vornehmen und sagen, die chinesische kultur würde nur bis zur elbe reichen.

schalom

Hugo de la Smile
 

Moderator

Großmeister
1. Januar 2005
57
Kommentar CONTRA : (Frage 3)


Ich danke meinem Debatten-Kontrahenten für seine Sichtweise und möchte nun hier nachfragen bzw. hinterfragen.

Die Frage war, wo liegen die grenzen europas und warum liegen sie dort?
Leider ist Hugo de la Smile auf das warum nicht eingegangen, schade.


es sollte hier überdeutlich werden, dass es keine geologische trennlinie zwischen asien und europa gibt.

Ich hoffe, dass dies ein schreibfehler war, und geographisch gemeint
war ? Denn geologisch wohl kaum ...

http://www.klett-verlag.de/klett-perthes/sixcms/klett-perthes/terra-extra/sixcms/detail.php?id=30707

unterscheidet sich die kultur auf der einen seite istanbuls also erheblich von der auf der anderen? essen die leute auf der einen seite des bosporus plötzlich mit essstäbchen? wohl kaum.

Bitte, das geht auch besser ! Es gibt auch Unterschiede zwischen Schleswig-Holstein und Bayern auch beim Essen, noch nie was vom Weißwurst-Äquator gehöhrt ? Wenn, sollte die Frage nach kulturellen
Unterschieden zwischen der Türkei und Europa führen.


es ist ja allgemein bekannt, dass man dieser tage vielmehr nach urbaner und ländlicher kultur zu unterscheiden hat.
Leider ist dies nicht bis zu mir vorgedrungen, aber es gibt auch eine urbane Provinzialität, die auch in den Städten der Türkei und Deutschland zu finden ist. Nur ein Beispiel

kann aber, das bekenntnis eines teils der bevölkerung, für den weltanschaulich neutralen staat relevant sein?
95,8 % der türkischen Bevölkerung bekennt sich zum Islam.
Die Neutralität wird nur durch das Militär gesichert und die Führung ?
,Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten.` Jene Zeilen aus einem religiösen Gedicht, die Recep Tayyip Erdogan 1998 öffentlich vortrug, reichten der türkischen Justiz, um ihn wegen Volksverhetzung zu verurteilen.

Soziologen vergleichen das Land etwa mit dem Iran vor 30 Jahen: Eine gebildete Oberschicht bei islamistischer Bevölkerungsmehrheit.

Noch was zu den Urbanen Menschen in der Türkei, Erdogan Oberbürgermeister von Istanbul versuchte, den Alkoholausschank einzuschränken, getrennte Schulbusse für Mädchen und Jungen einzuführen und klassische Musik, Ballett sowie westliche bildende Kunst aus dem Kulturleben der kosmopolitischen Metropole zu verbannen.


geostrategisch und wirtschaftlich ist der schritt sinnvoll.
geostrategisch - konnte ich sicher gut wiederlegen, siehe Antwort Frage 3
wirtschaftlich - Nimmt man an, dass Ankara genauso behandelt wird wie jene zehn neuen Mitglieder, hätte es Anspruch auf über 45 Milliarden Euro. Doch damit nicht genug: Der türkische Agrarmarkt – er macht immer noch über 14 Prozent des türkischen Bruttoinlandsproduktes aus – brächte Brüssel und seine Agrarpolitik in schwerste Bedrängnis. Darüber hinaus würde die Türkei als größter Staat innerhalb der europäischen Institutionen den gleichen Rang wie Frankreich, Deutschland und Großbritannien erhalten. Zum ersten Mal in der Geschichte der EU erhielte das ärmste Land eine politisch dominierende Rolle.
 
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