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  • Umfrageteilnehmer
    377

Woppadaq

Großmeister-Architekt
2. August 2003
1.228
!!

Na, samhain, das ist ja wieder mal genau das was wir suchen !!

....Hinzu kommt, daß es keinen Theoretiker gibt, der sich explizit als Neoliberalist bezeichnet. Vielmehr handelt es sich bei diesem Begriff um ein Label, das vornehmlich von Kritikern desselben verwendet wird.

....Diskriminierung bedeutet für Friedman allerdings nur ein Eingriff in die Chancengleichheit. Ein Beispiel hierfür wäre ungleiche Besteuerung. Diese ist für den Neoliberalismus, genauso wie Zölle prinzipiell eine Diskriminierung derer, die davon betroffen sind. Deshalb ist es ein Ziel dieser Theorie Steuern und Zölle so weit wie möglich zu reduzieren. Der einzig legitime Eingriff des Staats in die Wirtschaft ist für Friedman die Verhinderung von Monopolen, die zu einer Verzerrung der Marktverhältnisse führen müsse.

.....Soziale Maßnahmen haben für den Neoliberalismus weitgehend keine Bedeutung, sie werden vielmehr als Diskriminierung derer verstanden, die nicht davon profitieren.

.... An dieser Stelle entfernt sich der Neoliberalismus auch endgültig von gemäßigteren Liberalismustheoretikern wie Rawls, der die soziale Komponente in seinen Gerechtigkeitsgrundsätzen noch sehr deutlich postuliert. "..., daß soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten, etwa verschiedener Reichtum oder verschiedene Macht, nur dann gerecht sind, wenn sich aus ihnen Vorteile für jedermann ergeben, insbesondere für die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft." (Rawls 1994, S. 32). Diese Position wäre wohl für orthodoxe Neoliberalisten kaum akzeptabel.

....Der Neoliberalismus stellt eine ökonomische Theorie oder ein Modell dar, die die Reduzierung des Staates im ökonomischen Bereich zu ihrer höchsten politischen Maxime erhoben hat. Daneben jedoch ist die politische Herrschaft von relativ geringer Bedeutung, solange diese die Vorgaben erfüllen kann, die die Ökonomen aufstellen.

Für mich ist der erste Satz der entscheidenste.

Denn für mich ist die Frage: Wie soll ich das nennen, wenn ich mich mit der neoliberalistischen Theorie von der Reduzierung des Staates im ökonomischen Bereich identifiziere, sie aber nicht ohne die soziale Komponente - wie bei Rawls beschrieben - bekommen möchte ?
 

samhain

Ritter Rosenkreuzer
10. April 2002
2.774
>>Denn für mich ist die Frage: Wie soll ich das nennen, wenn ich mich mit der neoliberalistischen Theorie von der Reduzierung des Staates im ökonomischen Bereich identifiziere, sie aber nicht ohne die soziale Komponente - wie bei Rawls beschrieben - bekommen möchte ?<<

vielleicht prä-neoliberalist bzw. neoliberalist der alten schule?

keine ahnung, davon werden sich die "post"-neoliberalisten kaum beeindrucken lassen.

>>...Die einzig akzeptierte "soziale Maßnahme" besteht in der Schaffung und Erhaltung von absoluter Chancengleichheit im Sinne von absoluter juristischer Gleichbehandlung aller Mitglieder der Gesellschaft.<<

da fällt mir doch z.b. die vorgeschlagenen "kopfsteuer" in der krankenversicherung ein, die die CDU so vehement fordert.
"juristische gleichbehandlung"- d.h. unabhängig vom einkommen hat jeder den selben betrag zu zahlen.
ein wahres schnäppchen für die vermögenden, eine gradwanderung überm abgrund für den rest.

>>Friedman geht sogar so weit, die Verantwortung für die Verwirklichung ethischer Grundsätze ausschließlich beim Individuum anzusiedeln: "Indeed, a major aim of the liberal is to leave the ethical problem for the individual to wrestle with." (Friedman 1962, S12). Damit entbindet er den Staat von jeglicher ethischen und sozialen Verantwortung. <<

muss man dazu noch warnende worte verlieren?
gibt es nicht genug negativbeispiele, die uns das ergebnis solchen handelns ausdrücklich vor augen führen?

es gibt genug menschen auf der welt, die an den angeblichen "segnungen" dieses systems eben keinen anteil haben, für die jeder neue tag ein "wrestle" (ringen) um ihre schäbige existenzgrundlage bedeutet, in vielen fällen auch den verlust eben dieser.

naja, waren eben nicht "gut" genug, selber schuld...

man muss das alles von der sportlichen seite sehen, es gibt eben gewinner und es gibt die milliarden, denen man ständig, wie dem esel die möhre, ihre vermeintlichen "chancen", ihren aufstieg, ihre zukünftige teilhabe am system vor die nase hält.

"from the safest places come the bravest words"

leider, leider sind die besten plätze schon belegt bzw. es wird nie platz für alle bieten, höchstens für einzelne, aber es ist ja im sinne dieser philosophie, diese illusion aufrecht zu erhalten, sonst könnte die ganze verlogenheit dieses modells noch auffliegen.

falls dir die soziale komponente wirklich etwas bedeutet, solltest du dir vielleicht ein anderes modell als das neoliberale suchen- weil in diesem hat sie eindeutig keinen platz.
 

district7

Großmeister
30. Oktober 2003
68
Verständnisproblem

Ist eigentlich Neoliberalismus als dasselbe anzusehen wie Neoklassik? Ein Professor verwendet das ständig und ich hatte das Gefühl es sei dasselbe, kannte aber nur den anderen (ersten) :?: Begriff dafür.
 

hives

Ritter Rosenkreuzer
20. März 2003
2.785
Re: Verständnisproblem

district7 schrieb:
Ist eigentlich Neoliberalismus als dasselbe anzusehen wie Neoklassik? Ein Professor verwendet das ständig und ich hatte das Gefühl es sei dasselbe, kannte aber nur den anderen (ersten) :?: Begriff dafür.


Wirtschaftshistorisch ist es nicht dasselbe - wie der Begriff von deinem Prof gebraucht wird kann ich jedoch nicht sicher sagen. Jedenfalls sind sowohl KLassik als auch Neoklassik historisch gesehen liberalistisch-ökonomische Schulen, die weiter mathematisiert und "verwissenschaftlicht" wurden - zumindest was das Aufstellen von Gesetzen angeht...

Ganz platt würde ich behaupten: Ohne die pseudo-Verwissenschaftlichung der ökonomischen wirtschaftsliberalistischen Modelle durch die Neoklassik wäre der heutige Neoliberalismus vielleicht nicht zu dem heilig-unantastbaren Selbstläufer gewoden, dem wir uns mehr und mehr ausgeliefert sehen...

Hier mal ein paar Zitate:

2.2. Die Neoklassiker
Die bedeutsamste Innovation der Neoklassik war der Marginalismus als Oberbegriff für jene Grenzbetrachtungen, die in Wortbildungen wie „Grenznutzen“ oder „Grenzkosten“ ihren Nie-derschlag finden. Mit dem marginalistischen Ansatz wurde es möglich, ökonomische Verhal-tensweisen auf individuelle Optimierungskalküle zurückzuführen. War die Klassische Theorieeher makroökonomisch angelegt, das heißt, befasste sie sich mehr mit dem Verhalten ganzerBevölkerungsgruppen (Kapitalisten, Grundeigentümer und Arbeiter), so stellte die Neoklassikgleichsam ein „universelles Individuum“ in den Mittelpunkt ihrer Analyse. Der Wirtschaftspro-zess wurde nun mikroökonomisch, also ausgehend vom individuellen Verhalten, beschrieben.Die Klassiker sahen den Wert eines Gutes durch die Kosten seiner Produktion bestimmt. Dem-gegenüber gingen die frühen Neoklassiker davon aus, dass der Preis, den die Nachfrager für einbestimmtes Gut zu zahlen bereit seien, und somit zugleich sein Marktpreis, durch den Grenznut-zen diese Gutes determiniert werde. Es handelt sich hier um eine subjektive Wertlehre im Unter-schied zur Klassischen objektiven Wertlehre.Das zentrale Anliegen der Klassik war die Erklärung der Entstehung, Verteilung und Verwen-dung eines volkswirtschaftlichen Überschusses, das sogenannte Allokationsproblem stand imMittelpunkt Neoklassischen Interesses: Nach welchen Gesetzen werden gegebene knappe Res-sourcen auf alternative Verwendungsmöglichkeiten verteilt? Das Ergebnis lautete, dass sich dieStruktur des Angebotes über den Mechanismus der relativen Preise der Nachfragestruktur an-passt und zugleich eine in gewissem Sinne optimale Allokation erreicht wird.Betrachtete die Klassik das volkswirtschaftliche Geschehen im Zeitablauf, also die Gesetzmä-ßigkeiten des langfristigen Wachstums (dynamische Analyse), so griff die Neoklassik einenZeitpunkt heraus und analysierte die Allokation in diesem Zeitpunkt (statische Analyse). DasHauptinteresse verlagerte sich von der Wachstums- zur Preistheorie.Am Beginn der Neoklassischen Periode finden wir drei Autoren, die unabhängig voneinanderund fast gleichzeitig die „marginalistische Revolution“ einleiteten, es sind dies der Brite WilliamStanly JEVONS, der Österreicher Carl MENGER und der Franzose Léon WALRAS. Kernstückihrer Schriften ist der Begriff des Grenznutzens, verstanden als der auf den Verbrauch einerletzten kleinen Gütereinheit entfallende Nutzen.
In geschichtlicher Abgrenzung findet die Neoklassik mit dem Ausbruch des ersten Weltkrieges,spätestens aber um die Mitte der dreißiger Jahre ihr Ende. Die Neoklassik fließt jedoch auchheute in viele Modelle und Theorien ein.
aus:
http://www.google.de/search?q=cache:gjSBmaPqGEQJ:www.wifo.at/Stefan.Schleicher/down/ma1/ScrMa1_3.pdf




Und eine weitere Behandlung des Begriffs:

Neoklassik als Weltreligion?
1. Ökonomie als »herrschende Lehre« und Glaubenssystem
Was den politischen Beobachtern beim Wahlsieg von Jospin in Frankreich und beim Wahlsieg von New Labour unter Tony Blair in Großbritannien auffiel, ist ihnen auch diesmal, beim Wahlsieg der SPD und Gerhard Schröders aufgefallen: Entgegen allen Unkenrufen vorher zeigten sich die angeblich so wachsamen und gegenüber allen Experimenten allergischen Herren der internationalen Finanzmärkte keineswegs besorgt. Die großen Börsen der Welt haben alles andere als panisch auf diese politischen Ereignisse reagiert. Warum wohl? Was auch immer die Herren der Finanzmärkte von den Plänen roter oder grüner Regierungen bzw. Parlamentsmehrheiten im einzelnen halten mögen, sie wissen eines ganz genau: Die Mitglieder der neuen Regierungen haben mehrheitlich den rechten Glauben. Der rechte Glaube ist der Glaube an das, was heute nicht nur in der »westlichen« Welt, sondern seit 1989/90 zum ersten Mal auch weltweit als ökonomische Wissenschaft verkündet wird. Man braucht heute als Roter oder Grüner nicht mehr Christ oder sonstwie respektabel zu sein (obwohl das nicht schaden kann), um in der Mitte der bürgerlichen Gesellschaft, selbst in ihren höheren Rängen akzeptabel zu sein. Es genügt, den richtigen ökonomischen Glauben zu haben. Und dieser rechte Glaube, neoklassisches Denken nämlich, steckt heute in allen roten und grünen Köpfen, die irgend als »politikfähig« betrachtet werden.(1)

Die heute herrschende Lehre der neoklassischen Ökonomie ist eine formidable geistige Macht. Sie beherrscht das politische Denken in allen kapitalistischen Demokratien (und in den nicht weniger kapitalistischen Autokratien der vormals Dritten Welt nicht minder). Jahr für Jahr werden weltweit Millionen angehender Intellektueller und zukünftiger »Führungskräfte« im Einheitsdenkstil der herrschenden ökonomischen Lehre unterwiesen. Wie einstmals die Beherrschung des Lateinischen oder später des Französischen ist heute die Beherrschung der »Sprache der Ökonomie« eine der wesentlichen Bedingungen, um Zutritt zu den internationalen Eliten in Politik und Wirtschaft zu erhalten. Diese Einheitssprache hat die politische Sprache gründlich erobert: Politiker, die als »seriös« gelten wollen, haben gefälligst in der Sprache der neoklassischen Ökonomie zu argumentieren. Kleinere terminologische Verwirrungen werden ihnen leicht vergeben; auf die Geste, die bereitwillige Unterwerfung unter die vermeintlich universelle Logik der ökonomischen Sachzwänge signalisiert, kommt es an.(2) Die neoklassische Ökonomie hat längst den Status einer »Zivil-« oder »Alltagsreligion« erreicht. Sie liefert die Glaubenssätze, die Deutungsmuster und die Normen, an denen sich politisches wie soziales Handeln überhaupt zu orientieren haben und woran sie sich messen lassen müssen. Sie tritt auf als einzig legitime Vertreterin der »ökonomischen Vernunft« auf Erden.(3)

[...]

2. Was ist Neoklassik?
Der Neologismus Neoklassik ist im Verlauf der Theoriegeschichte der Ökonomie unterschiedlich gebraucht worden. Er sollte - wie ähnliche Wortschöpfungen (Neomarxismus, Neoliberalismus) - stets Bruch und Kontinuität zugleich signalisieren. Der Ausdruck stammt denn auch von »Versöhnlern«, von Leuten wie Alfred Marshall, der noch einen Lehrstuhl für Politische Ökonomie statt Economics innehatte und an allerlei Kompromissen zwischen der alten und der neuen Lehre arbeitete (bis hin zu der, in den Augen heutiger Neoklassiker verrückten Idee, es könne so etwas geben wie nationale Unterschiede von »Industry and Trade«, verschiedene Formen und Typen des Kapitalismus, die zu studieren einem Ökonomen gut anstände) (vgl. Marshall 1919). Der Name ist in der Tat höchst irreführend, da an der Neoklassik wenig neu und noch weniger klassisch ist. Ihre Protagonisten waren angetreten, um mit den Irrlehren der (englischen) Klassiker, namentlich Adam Smiths und David Ricardos, ein für allemal aufzuräumen. Die Neuerungen, die den theoretischen Kern dieser radikalen »Kritik der (klassischen) Politischen Ökonomie« bilden sollten - die Nutzentheorie des Werts ebenso wie die Grenzproduktivitätstheorie der Verteilung und die Quantitätstheorie des Geldes stammen aus dem siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert. Und die Mathematisierung der Ökonomie hatte lange zuvor schon begonnen (mit Cournot, Dupuit, Whewell, von Thünen und anderen).
Daß die Ökonomie nichts anderes sein solle, als eine Wissenschaft vom Austausch bzw. von den Beziehungen zwischen austauschbaren Größen oder Mengen, ist auch schon lange vorher verkündet worden (von Whately, Macleod und anderen).

Was Neoklassik genannt wird, ist aus der sogenannten »marginalistischen« Revolution der 1870er Jahre hervorgegangen. Das war ein durchaus internationales Unternehmen, an dem Briten, Franzosen, Italiener, Österreicher und Amerikaner beteiligt waren. Sinn und Zweck des Unternehmens war keineswegs, Marx' Kritik der Politischen Ökonomie zu begegnen.(10) Diese Marxsche Kritik war bis in die neunziger Jahre hinein kaum bekannt, schon gar nicht in den angelsächsischen und französischsprachigen Ländern, und die eigentliche Anti-Kritik begann erst nach dem postumen Erscheinen des dritten Bandes des Kapital 1894, in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre.(11) Da war der neue, marginalistische Ansatz aber bereits voll entwickelt und schon in die Lehrbuchliteratur eingegangen.(12) Es ging den Protagonisten darum, die altbekannten, gefährlichen Thesen der »düsteren« Wissenschaft der Politischen Ökonomie ein für allemal los zu werden, vor allem die Arbeitswerttheorie, die schon den Zeitgenossen Adam Smith', lange vor Marx, höchst suspekt war. Es ging darum, die ebenso altbekannten und bereits oft behaupteten - von Say bis Bastiat - ökonomischen Harmonielehren gegen die peinlichen Widersprüche der klassischen Theorie zu verteidigen und sie auf eine sichere, wissenschaftliche Grundlage zu stellen, sozusagen die Klassiker wie ihre Kritik zu überwinden. Die Gegner, soweit den Protagonisten der marginalistischen Revolution bewußt und bekannt, waren eher Ricardo und die Ricardianer(13) bzw. die zeitgenössischen Kritiker der Ricardoschen Ökonomie vor Marx, wie Sismondi und Richard Jones, oder die Vertreter der deutschen Historischen Schule; allesamt keine Marxisten. Léon Walras wollte mit einer neuen, »reinen« Ökonomie den Nachweis liefern, daß die gegenwärtige ökonomische Gesellschaftsordnung allen früheren überlegen sei. Sie habe mit jeder Form der Ausbeutung Schluß gemacht und sei zwar nicht natürlicher, aber dafür gerechter als alle früheren Ordnungen, gerechter auch als der Sozialismus, der mit dem (Privat)Interesse wie der Gerechtigkeit im Streit liege (vgl. Walras 1874, 10, 12, 37). Ähnliche Bekenntnisse finden sich bei allen Protagonisten der Neoklassik.

Um von den falschen und gefährlichen Theorien der Klassik, vor allem Ricardos und Mills, abzukommen, wurde eine altehrwürdige Variante der Werttheorie, die Nutzentheorie neu belebt. Als Theorie des Grenznutzens sollte sie eine einheitliche Betrachtung aller ökonomischen Phänomene ebenso zustande bringen, wie eine genaue quantitative Bestimmung der ökonomischen Größen und eine Erklärung ihrer Veränderungen erlauben - also genau die analytische und synthetische Leistung erbringen, die die klassischen Ökonomen von der Arbeitswerttheorie erwartet hatten. Zugleich sollte der gesamte Begriffsapparat der Ökonomie, die ökonomische Denkweise nach dem Vorbild der zeitgenössischen Naturwissenschaften, in erster Linie der Physik, umgestaltet werden. Ökonomie sollte eine richtige, nämliche exakte, quantitative, physikalisch-mathematische Wissenschaft werden. Es gab in ihrem Denken nur zwei Vorbilder echter Wissenschaft - reine Mathematik und experimentelle Naturwissenschaft. Also handelte es sich darum, diesen Vorbildern nachzueifern. Und genau das taten Jevons, Walras, Pareto und die anderen. Sie verkünden nicht nur das Programm einer »reinen Theorie der Ökonomie«, die den physikalisch-mathematischen Wissenschaften in jeder Beziehung gleiche, sie schwärmen nicht nur von einer reinen »Astronomie der Güterbewegungen«. Sie folgten diesem Vorbild bis in die Details ihrer Begriffsbildungen hinein. Die ökonomischen Kategorien - Wert, Ware, Nützlichkeit, Grenznutzen, Gleichgewicht usw. - wurden analog zu zeitgenössischen physikalischen Begriffen - Partikel, Raum, Kraft, Arbeit, Energie usw. - geformt und interpretiert (vgl. Ingrao/Israel 1987; Mirowski 1989, 218 ff.). Es war in der Tat zum ersten Mal das, was die Väter der deutschen Historischen Schule den klassischen Ökonomen zu Unrecht vorwarfen: der Versuch, eine »Naturwissenschaft der Wirtschaft« zu begründen.(14)

[...]

Die Ökonomen, auch die, die mit dem Traditionsbestand der Klassik höchst unzufrieden waren, zeigten sich enttäuscht: Das war ja erstens gar nichts Neues, nämlich noch einmal die altbekannten Weisheiten über Nachfrage und Zufuhr, die man von jedem Straßenhändler hören konnte. Und zweitens war diese neue Theorie keineswegs weniger abstrakt-deduktiv, unhistorisch, unrealistisch, kurz metaphysisch als die klassische Theorie, sie war in dieser Beziehung noch viel schlimmer als die alte. Mathematiker und Naturwissenschaftler waren auch nicht begeistert von der neuen, angeblich »mathematischen« Wissenschaft.

[...]

Was diese wackeren Leute nicht sahen, war der außerordentliche Schatz an brauchbaren Metaphern, den auch die nur halbverstandene Begrifflichkeit der zeitgenössischen Naturwissenschaft den Begründern der Neoklassik bot. Metaphorisch war auch die alte, die klassische Politische Ökonomie; ihre Metaphern - wie das berühmte »laisser faire«, das ursprünglich »laisser faire la nature« hieß, oder die Vorstellung vom ökonomischen Kreislauf - waren der zeitgenössischen Medizin entlehnt.(16) Marx bediente sich in seiner Kritik der Politischen Ökonomie zahlreicher Metaphern der klassischen Ökonomie, wie z.B. der Rede von den »Naturgesetzen« der kapitalistischen Produktionsweise, aber eben in der erklärten Absicht, diese Metaphorik und mit ihr den unbewußten »Fetischismus« oder »groben Materialismus« der Ökonomen zu kritisieren. Der Aufstieg der Neoklassik dagegen markierte den vorläufigen Sieg der physikalisch-mathematischen Metaphorik. Ein überwältigender Sieg, da bis heute den meisten neoklassischen Ökonomen (wie übrigens auch den meisten Marxisten) nicht mehr bewußt ist, daß sie in Metaphern reden.
Die metaphorischen Anleihen bei der zeitgenössischen Physik paßten zu der alten Vorstellung, Märkte seien als eine Art von un- und überpersönlicher »Mechanismus«, als eine »Maschine« aufzufassen. Die Funktions»prinzipien« dieser Maschinerie galt es in mathematisch exakten Gesetzen - Formeln - wiederzugeben. Allerdings sollte das menschliche Individuum in dieser Theorie des Marktprozesses seinen gebührenden Platz erhalten. Nämlich als Rädchen im System, als funktionierender Rechenautomat, der stur und unbeirrbar dem zur »Rationalität« verklärten Kalkül der Nutzenmaximierung folgt, sich mithin verhält wie ein »menschliches Atom«, das seiner angeblichen »Natureigenschaft« gemäß (re)agiert. Daher gibt es schon in den Anfängen der Neoklassik beides: Die merkwürdige Konstruktion einer »Individualpsychologie«, deren Autoren sich gleichermaßen auf die unwandelbare »Natur des Menschen« wie auf »Introspektion« und »Erfahrung« berufen - und daneben eine reine Preistheorie, die nur die funktionellen Beziehungen zwischen objektiven, gegebenen Marktgrößen - Güter- und Geldmengen -, eine Art »Mechanik« des Marktes, abbilden sollte. Beides war nur zusammen zu bringen, indem man jegliche Spur »sozialen Handelns« - individueller Willens- und Entscheidungsfreiheit ebenso wie der Orientierung an Normen, an sozialen Strukturen, an sozialem »Sinn« - aus der »reinen« Theorie tilgte.


weiter hier:
http://www.offizin-verlag.de/aufsaetze/39aea9fe6f105/1.phtml




Außerdem ganz interessant:
http://www.google.de/search?q=cache...de/Professoren/Priewe/Priewe%20110%202003.pdf




Und wenn du jetzt die folgenden Fragen beantworten kannst, hast du was gelernt: :lol:

http://www.google.de/search?q=cache...at/wwwu/institute/vw2/vwII_gr_pi_fragen03.pdf





Sehr interessant scheint mir auch das hier:


Ökonomen sprechen gern und viel von »Nutzen- oder Produktionsfunktionen«, von »Gleichgewicht« oder »Marktmechanismus«, von »Wohlfahrt« oder »Zeitpräferenz«, von »Knappheit« oder dem »Rationalitätspostulat«. Aber ungeachtet der bunten Vielfalt von Theorien sind die zugrundeliegenden Begriffe selbst kaum je ein Thema: Sie fungieren als allgemeiner theoretischer Rahmen, der selbstverständlich akzeptiert wird. Sie sind exakt das, was Thomas S. Kuhn als Paradigma bezeichnet.

Diese eigentlichen Grundlagen der modernen Wirtschaftswissenschaft blieben bei allen theoretischen Veränderungen, »Revolutionen« und »Konterrevolutionen« unangetastet. Ich werde im nachfolgenden Text die These vertreten, daß die fragwürdigen Grundlagen der Ökonomie bislang nie wirklich zum Thema gemacht wurden. Das ist deshalb verständlich, weil die Hauptkontrahenten - Sozialismus und Liberalismus - in der Interpretation dieser Grundlagen übereinstimmen. Der »wissenschaftliche Sozialismus« und die Neoklassik vertreten gemeinsam die Auffassung, daß die Wirtschaft durch objektive Gesetze gesteuert werde, die denen der Naturwissenschaft analog seien. Solange diese beiden Schulen, politisch bis an die Zähne bewaffnet, ihren ideologischen Kampf führten, blieb diese gemeinsame Grundlage verborgen. Seit dem Zusammenbruch des realen Sozialismus, nachdem der Pulverdampf verflogen ist, wird das gemeinsame Denkmodell deutlich sichtbar.


http://home.t-online.de/home/brodbeck/grund.htm
 

district7

Großmeister
30. Oktober 2003
68
Danke

Ich möchte mich herzlichst für die ausführliche Beantwortung meiner Frage. Ich als PoWi Mensch sollte zwar eine gewisse Ahnungt haben von Ökonomie aber zu meinen Spezialitäten zählt es nicht. Ich find die ganzen verschiedenen Begriffe für für mich ähnliche Dinge verwirrend. Aber trotzdem Danke.
 

hives

Ritter Rosenkreuzer
20. März 2003
2.785
Woppadaq schrieb:
Ich staune immer wieder, wie man, obwohl man jeden Tag Nachrichten sieht, am Ende doch sowenig mitbekommt.

So einfach werden Gegenwart und Historie geändert. Interessant wären zb. mal Umfragen zum Thema ala „Wie wurde Argentinien herabgewirtschaftet?“ - mit Antwortmöglichkeiten wäre es wohl noch eindeutiger...


Woppadaq schrieb:
Für mich bleibt aber immer noch die Frage, inwiefern der Ausverkauf eines Landes zwingend neoliberal sein muß.

Naja, sozialistisch oder sozial-marktwirtschaftlich kann man sowas nicht nennen, oder? Neoliberale Politik kann selbstverständlich auch anders aussehen (es war sozusagen nicht der Inbegriff an neoliberaler Politik&Ökonomie), dennoch ist es wohl in Anbetracht von alternativen Bezeichnungen imho die passendste.


Woppadaq schrieb:
Was meinst du mit "ähnlichen Resultaten" ?
Wenn sich mehrere Unternehmen zusammensetzen, um bspw. einen gemeinsamen Standard auszuhecken, könnte man von Monopolbildung reden. Bleibt die Frage, wie schädlich derartiges ist. Standards können das Leben auch erleichtern.

Wenn Preisabfragen stattfinden, sieht die Sache natürlich schon wieder anders aus. Doch die Tatsache, daß Unternehmen derartiges anstreben, bedeutet nicht, daß neoliberale Politiker dieses anstreben. Der Politiker ist, ob du's nun glaubst oder nicht, daran interessiert, daß die Wirschaft LÄUFT, und versucht, alles aus dem Weg zu räumen, was hemmt.

Naja, das ist sehr pauschal (Politiker haben andere Ziele als Unetrnehmer)– die Realität sieht oft anders aus, allein aus dem einfache Grunde, dass viele Politiker direkt oder indirekt in Verbindung mit Wirtschaftskreisen stehen, anders aus (und wenn sie nicht parallel wirken oft in diese zurückkehren können – bei Beamten ist die vordergründige Verbindungssuche natürlich schwieriger, was sich auf die Politik jedoch nicht immer auswirkt...).
Natürlich sind sowohl Politiker als auch Unternehmer daran interessiert, dass die Wirtschaft läuft, das bedeutet aber wenig – ich bleibe dabei: in konkreten Fällen sind auch nicht alle neoliberalen Politiker Monopolbildungen und Preisabsprachen gegenüber abgeneigt – auch wenn sie prinzipiell dagegen sind (egal ob aus Wahlkampfgründen oder ökonomischer Überzeugung) könne sie ja davon profitieren. Inwiefern Politiker von wirtschaftlichen Veränderungen direkt und indirekt profitieren können, ist eine andere Frage – auf die ich hier auch nicht unbedingt weiter eingehen möchte, ich denke, die Prinzipien sind klar oder zumindest vorstellbar, diskutabel ist das Ausmaß – dieses sollte jedoch an anderer Stelle diskutiert werden.


Woppadaq schrieb:
Zudem hat bspw. eine Marktsituatiuon, in der drei Unternehmen, die alle einen sich überschneidenden gleichen Aufsichtsrat haben, nichts mit einem Monopol zu tun - wirkt sich aber ähnlich aus.

Inwiefern ?

Diese Frage hab ich nicht übersehen, erlaube mir aber, sie für den Moment zurückzustellen, um sie an anderer Stelle wieder aufzugreifen – ich müsste nach Quellen blättern und googlen, was mir momentan zu viel Zeitaufwand ist. Hier geht es um das Ausmaß von Verstrickungen und deren Wirkung auf Markt und Gesellschaft, was eine schwierige Frage ist, die von Einzelfall zu Einzelfall untersucht werden müsste. Dass bei Verflechtungen ökonomischer oder wirtschaftlich-politischer Art prinzipiell immer zumindest Gefahren bestehen, steht – so denke ich – außer Frage.


Woppadaq schrieb:
....und es eben momentan EINE wirklich einflussreiche politisch-ökonomische "Richtung" mit unterschiedlich kolorierten Fahnenträgern gibt.

Liegt vielleicht, ganz bescheuert gesagt, jetzt einfach daran, daß diese Zeit nichts anderes zuläßt.
Welche Gegenmodelle, die ausprobierenswert wären, gibt es denn ?

Nicht einmal ATTAC hat ein Gegenmodell. Die wissen nur, daß sie dagegen sind.

Tut mir leid, aber an eines werden ALLE sich gewöhnen müssen, egal welcher Richtung: Es geht nur vorwärts. Ob man das System verbessern oder es beschneiden will mit der Behauptung, es zu verbessern: Mit einem "Weiter so wie bisher" spielt man auf Zeit. Die Veränderungen, die heutzutage von der Bundesregierung forciert werden, hätte man schon lange vorher angehen müssen, dann wären die Einschnitte wahrscheinlich weniger gravierend, sozial verträglicher ausgefallen.

Die Notwendigkeit von Systemveränderungen steht ja auch außer Frage. Der Punkt ist eben, wo angesetzt wird: Oben, Unten, in der Mitte, überall..?
Und Systemverbesserungen würde ich gerne sehen, wenn es aber bspw. heisst:
"Wir verbessern das Steuersystem, jetzt ist alles ganz einfach: drei KLassen, Spitzensteuersatz wird gesenkt, basta" trifft das nicht meine Zustimmung, weil es eine Verschlechterung des Systems sowohl im Sinne von sozialer Gerechtigkeit als auch im Sinne eines funktionierenden, finanzierbaren Staates ist.


Woppadaq schrieb:
Woppadaq schrieb:
Bleibt meine Frage - warum außer aus moralischen Gründen sollte man Werbung verbieten oder einschränken ?

(nicht verbieten, lediglich einschränken und vielleicht in gewisser Weise "überwachen" /kontrollieren )

- aus pädagogischen / psychologischen Gründen (suggerierte Konsumzwänge, Kaufsucht /- verhalten, Entscheidungsverhalten etc.)
- aus gesundheitlichen Gründen (Zucker, Autos, Nahrung, Pharmazie etc.)
- aus neoliberal-wirtschaftlichen Gründen (verfremdet den Markt!)

mehr fällt mir jetzt spontan nicht ein :? - aber auch nur, weil ich jedwede Ethik ausgeklammert habe!

zu 1. - kannst du mir genauer beschreiben, was du unter "Entscheidungsverhalten" verstehst, was wert wäre, kontrolliert zu werden ?
zu 2. - kann ich noch am ehesten nachvollziehen.
zu 3. - versteh irgendwie nicht ganz, was du damit meinst. Werbung verfremdet den Markt ?

ad 1: Es geht nicht darum, Entscheidungsverhalten zu kontrollieren, sondern um die Gewährleistung einer möglichst „natürlichen“ Entwicklung des Entscheidungsverhaltens von Individuen, dass durch diverse massive Werbemaßnahmen stark beeinflusst/verfremdet/gelenkt wird.
ad 2: Das ist wahrscheinlich auch der wichtigste Punkt (von ethischen Aspekten abegsehen)
ad 3: Tut sie das etwa nicht? Die Nachfrage wird gezielt verändert - oder ist das etwa nicht mehr der Zweck von Werbung? Was könnte den Markt mehr verfremden?




Woppadaq schrieb:
Während in einer sozialen Marktwirtschaft (oder einem Neoliberalismus nach Erhard) die Frage lautet/laute sollte: "Was ist notwendig/wünschenswert für die Gemeinschaft", lautet sie im Neoliberalismus nach Friedman eben:
"Was ist gut für den Geldbeutel der jeweiligen Unternehmensführung?"

Bei staatlicher Forschung würde ich dir, im gewissen Sinne, Recht geben.
Ich verstehe dann aber nicht ganz, wieso Firmen da ganz abblocken. Weil, was notwendig/wünschenswert für die Gemeinschaft ist, kommt in Endeffekt auch den Firmen zugute.

Problem ist, dass heutzutage zwar viel von „Nachhaltigkeit“ geredet wird, langfristige Perspektiven für Unternehmen jedoch nicht oberste Priorität haben – was nach kurzfristig-ökonomischer Sicht auch nachvollziehbar ist...



Woppadaq schrieb:
Somit werden kontinuierlich mehr oder weniger sinnvolle Produkte entwickelt und hergestellt, die dann unter Zuhilfenahme von Presse, Fernsehen und allgemein der Werbung den potentiellen Kunden als notwendig aufgedrängt werden (zb. in der Pharmazie).

Wo liegt das Problem ?
Wenn du Firmen vorschreibst, welche Produkte sinnvoll sind und welche nicht, ist das Planwirtschaft.
Viele Produkte stellen sich erst auf den Markt als sinnvoll heraus.
Außerdem verdient eine große Verbraucheraufklärungsindustrie nicht wenig damit, die eigentlichen Unterscheidungen, die eigentliche Tauglichkeit, in ihrer Gesamtheit zu durchleuchten.

Ich bin durchaus dafür, den Verbraucherschutz zu erhöhen.

Ich auch. Wenn Produkte entwickelt werden, für die erst durch Medien und Werbung ein Markt geschaffen wird (im Extremfall) ist das imho wenig wünschenswert. Da kannst du mir mit der Planwirtschaft drohen, wie du willst, ich bin explizit dafür, dass Werbung demokratisch überwacht wird. Einfluss der Bürger auf die Wirtschaft durch demokratische Mechanismen ist ein absolutes Tabu-Thema - wie ich finde, zu unrecht.

Woppadaq schrieb:
Von geisteswissenschaftlicher Forschung ganz zu schweigen (Politologie, Philosophie und Geschichstwissenschaften vielleicht bald im Dienste der Neoliberalen... nicht wirklich rosige Aussichten).

Um es jetzt mal ganz doof zu sagen: Ich sehe weder, daß die Politik daran interessiert ist, diese Bereiche loszuwerden, noch sehe ich großartig, daß die "Neoliberalen" - ich weiß manchmal nicht, ob du damit wirklich Politiker und nicht vielmehr Unternehmer meinst - daran interessiert wären, diesen Bereich für sich zu besitzen. Ansonsten gilt: diese Wissenschaften stehen IMMER unter Einfluß irgendeiner Richtung, die sie für sich vereinnahmen will. Im Prinzip mußt du dir immer Sorgen machen.

*Sorgen mach*

:lol:

Davon abgesehen besitzt die Politik diese Bereiche glücklicherweise (noch) nicht vollständig.

Woppadaq schrieb:
Außerdem ist die Einflussnahme von Unternehmen auf Universitäöten meiner Meinung nach definitiv NICHT wünschenswert - wenn jedoch staatliche Hilfe nicht mehr geleistet werden kann, ist oft jede Hilfe willkommen...

Es gibt Bereiche, wo dies sinnvoll ist. Schließlich gibt es in Amerika auch Privat-Universitäten, und die sind schon unter gewissen unternehmerischen Kriterien organisiert. Ein paar würden uns hier auch ganz gut tun.

Ansonsten müssen Universitäten früher oder später schon kostendeckend organisisert werden. Das bedeutet aber nicht zwingend eine Neoliberalisierung. Das wäre jetzt wirklich zu sehr pauschalisiert.

Naja, ich weiss nicht, ob Privat-Unis der einzige Weg zur Begabtenförderung sind – und zur kostendeckenden Organisierung kann ich nur sagen: Auf Wiedersehen freie Wissenschaft...

Grundlagenforschung – und allgemein objektive Forschung - darf eben nicht nach ökonomischen Gesichtspunkten organisiert werden.


Woppadaq schrieb:
Vielleicht sollten wir wirklich einen Thread "Wirtschaft, Werbung, Forschung: (Abhängigkeits-) Verhältnisse" aufmachen, ist mir momentan auch zu stressig komplex, um hier alles mit Beispielen und Argumenten versehen hier als 23. Unterpunkt abzuhandeln, das Thema an sich ist aber brisant - und wenn wir es kürzer beginnen, nehmen vielleicht noch ein paar mehr Leute an der Diskussion teil :lol:

Mich würds interessieren. Eigentlich bräuchte man nur ein konkretes, diskutierenswertes Detail, um zu beginnen.

Also ich wär dabei, bin aber wenig motiviert, zu beginnen ;)
Vielleicht fühlt sich ja jemand angesprochen...

Woppadaq schrieb:
Als politische Kraft "müssen" sie Wahlen gewinnen und Menschen überreden.
Als ökonomische Kraft "müssen" sie Gewinne machen.
Sonst müssen sie wenig, außer einem guten Bild in der Presse zu machen, die von ihnen durch Werbung, Abos und strukturelle Verflechtungen stark beeinflusst wird...

Das meine ich damit - ich weiß manchmal nicht, ob du damit wirklich Politiker und nicht vielmehr Unternehmer meinst. Zwei völlig verschiedene Ansätze, auch wenn es bezüglich Ziele Übereinstimmungen gibt.

Da sich wenig Theoretiker zum Neoliberalismus bekennen (und noch weniger Politiker) meine ich damit ganz allgemein vor allem die Leute, die die neoliberale Agenda propagieren – jedoch würde ich neoliberale Politik, Theorie und Wirtschaft nicht zu streng voneinander trennen (eben eine „Kraft“ mit den zwei oder drei angesprochenen Aspekten).

Woppadaq schrieb:
Verstärkte Probleme des kulturellen und politschen Zusammenwachsens - wo siehst du die ?

Diese Frage beantworte ich im nächsten Post ;)
 

Woppadaq

Großmeister-Architekt
2. August 2003
1.228
hives schrieb:
Naja, das ist sehr pauschal (Politiker haben andere Ziele als Unetrnehmer)? die Realität sieht oft anders aus, allein aus dem einfache Grunde, dass viele Politiker direkt oder indirekt in Verbindung mit Wirtschaftskreisen stehen

Was solln sie machen ? Die Wirtschaft abschaffen oder bekämpfen ?

Tut mir leid, auch wenn ihr alle mich dafür haßt, aber - Jobs werden in diesen Land immer noch von Unternehmern geschaffen. Politiker sind immer direkt oder indirekt mit denen in Verbindung, die dieses Land verändern. Unternehmen wie Gewerkschaften, Kirche wie Presse, Parteien wie Verbände.

ich bleibe dabei: in konkreten Fällen sind auch nicht alle neoliberalen Politiker Monopolbildungen und Preisabsprachen gegenüber abgeneigt ? auch wenn sie prinzipiell dagegen sind (egal ob aus Wahlkampfgründen oder ökonomischer Überzeugung) könne sie ja davon profitieren.

Welche konkreten Fälle sollen das sein ?

Von Monopolbildung hat, mit Ausnahme des monopol-anstrebenden Konzerns, praktisch niemand was, im Gegenteil, es verzehrt den Markt. Warum also sollte ein Politiker davon profitieren ? Es sei denn, du tust so, als ob Schmiergeldzahlungen hierzulande zur Normalität gehören....


Die Notwendigkeit von Systemveränderungen steht ja auch außer Frage. Der Punkt ist eben, wo angesetzt wird: Oben, Unten, in der Mitte, überall..?
Und Systemverbesserungen würde ich gerne sehen, wenn es aber bspw. heisst: "Wir verbessern das Steuersystem, jetzt ist alles ganz einfach: drei KLassen, Spitzensteuersatz wird gesenkt, basta" trifft das nicht meine Zustimmung, weil es eine Verschlechterung des Systems sowohl im Sinne von sozialer Gerechtigkeit als auch im Sinne eines funktionierenden, finanzierbaren Staates ist.

Was zu beweisen wäre.
Was spricht gegen ein vereinfachtes Steuerrecht ?
Was spricht gegen einen gesenkten Spitzensteuersatz ?
Warum glaubst du, daß der Staat damit nicht mehr finanzierbar wird ?

ad 1: Es geht nicht darum, Entscheidungsverhalten zu kontrollieren, sondern um die Gewährleistung einer möglichst ?natürlichen? Entwicklung des Entscheidungsverhaltens von Individuen, dass durch diverse massive Werbemaßnahmen stark beeinflusst/verfremdet/gelenkt wird.

Was verstehst du unter "unnatürlicher Entwicklung des Entscheidungsverhaltens von Individuen" ?


ad 3: Tut sie das etwa nicht? Die Nachfrage wird gezielt verändert - oder ist das etwa nicht mehr der Zweck von Werbung? Was könnte den Markt mehr verfremden?

Interessant, daß du glaubst, Monopole würden den Markt nicht verfremden, gezielt veränderte Nachfrage aber schon.

Was ist so schlimm daran, wenn eine Firma die 50.Sorte Klopapier herausbringt und trotzdem damit Erfolg hat ?? Was ist so schlimm daran, daß uns eine Firma suggeriert, daß man ohne Händi eigentlich nicht leben kann ?


Problem ist, dass heutzutage zwar viel von ?Nachhaltigkeit? geredet wird, langfristige Perspektiven für Unternehmen jedoch nicht oberste Priorität haben ? was nach kurzfristig-ökonomischer Sicht auch nachvollziehbar ist...

Mit der Größe des Unternehmens steigt auch deren Interesse an Nachhaltigkeit, denn solche Firmen wollen in 10-20 Jahren noch genauso profitabel sein wie heute.

Das ist die einzige Möglichkeit, wie man bei Firmen überhaupt was erreichen kann - ihnen ihre nachhaltige Entwicklung ausmalen.



Wenn Produkte entwickelt werden, für die erst durch Medien und Werbung ein Markt geschaffen wird (im Extremfall) ist das imho wenig wünschenswert.

Finde ich nicht. Danach hätte der Computer nie einen Markt bekommen dürfen.

Einfluss der Bürger auf die Wirtschaft durch demokratische Mechanismen ist ein absolutes Tabu-Thema - wie ich finde, zu unrecht.

Wie stellst du dir das vor ?


Naja, ich weiss nicht, ob Privat-Unis der einzige Weg zur Begabtenförderung sind

Lös dich doch mal bitte vom absolutistischen "Allheilmittel-Prinzip" !!

Ich sagte, ein paar könnten uns guttun.

und zur kostendeckenden Organisierung kann ich nur sagen: Auf Wiedersehen freie Wissenschaft...

Halt ich für nen Unkenruf.

Niemand verlangt von Wissenschaftlern, kostendeckend zu arbeiten, das geht auch gar nicht. Es geht darum, daß Universitäten nicht zu Fässern ohne Böden werden dürfen. Darunter leidet dann nämlich auch die Universität.

Da sich wenig Theoretiker zum Neoliberalismus bekennen (und noch weniger Politiker) meine ich damit ganz allgemein vor allem die Leute, die die neoliberale Agenda propagieren

Was ich ziemlich diktatorisch finde.

Zumal ich finde, daß alle Gegenbewegungen auf ein "Weiter so" hinauslaufen, an dem ich irgendwie nicht interessiert bin.

Insofern gebe ich dir Recht - es gibt momentan tatsächlich nur noch eine Richtung, und die ist neoliberal.

Woppadaq schrieb:
Verstärkte Probleme des kulturellen und politschen Zusammenwachsens - wo siehst du die ?
Diese Frage beantworte ich im nächsten Post ;)

Hoffentlich....
 

hives

Ritter Rosenkreuzer
20. März 2003
2.785
Woppadaq schrieb:
Tut mir leid, auch wenn ihr alle mich dafür haßt, aber - Jobs werden in diesen Land immer noch von Unternehmern geschaffen.

Es geht hier weniger um den Hass auf Unternehmer, als vielmehr um die Ausgestaltung der Rahmenbedingungen, in denen sie sich mit ihren Gewinnmaximierungen ausleben können...


Woppadaq schrieb:
Die Notwendigkeit von Systemveränderungen steht ja auch außer Frage. Der Punkt ist eben, wo angesetzt wird: Oben, Unten, in der Mitte, überall..?
Und Systemverbesserungen würde ich gerne sehen, wenn es aber bspw. heisst: "Wir verbessern das Steuersystem, jetzt ist alles ganz einfach: drei KLassen, Spitzensteuersatz wird gesenkt, basta" trifft das nicht meine Zustimmung, weil es eine Verschlechterung des Systems sowohl im Sinne von sozialer Gerechtigkeit als auch im Sinne eines funktionierenden, finanzierbaren Staates ist.

Was zu beweisen wäre.
Was spricht gegen ein vereinfachtes Steuerrecht ?
Was spricht gegen einen gesenkten Spitzensteuersatz ?
Warum glaubst du, daß der Staat damit nicht mehr finanzierbar wird ?

Was spricht für einen gesenkten Spitzensteuersatz?

Ich habe niemals von „nicht mehr finanzierbar“ geredet, sondern von einer „Verschlechterung des System sowohl im Sinne von sozialer Gerechtigkeit als auch im Sinne eines funktionierenden, finanzierbaren Staates.“

Wenn einerseits überall Kürzungen vorgenommen werden, ist es ein absoluter Witz, bei Spitzensteuersätzen, Vermögens- und Erbschaftssteuer genau das Gegenteil zu tun. Es ist ein ausgesprochen schlechter Witz.


Woppadaq schrieb:
ad 1: Es geht nicht darum, Entscheidungsverhalten zu kontrollieren, sondern um die Gewährleistung einer möglichst ?natürlichen? Entwicklung des Entscheidungsverhaltens von Individuen, dass durch diverse massive Werbemaßnahmen stark beeinflusst/verfremdet/gelenkt wird.

Was verstehst du unter "unnatürlicher Entwicklung des Entscheidungsverhaltens von Individuen" ?

Ich hatte „„natürlich““ geschrieben, um auf das Problem der Definition einer „natürlichen Entwicklung“ hinzudeuten – du kannst es dir aber nicht so einfach machen, die Beeinflussung von Entscheidungsverhalten komplett zu verniedlichen...
Ich glaube kaum, dass ich dir die möglichen psychologischen und soziologischen Implikationen einer exaltierten Werbeindustrie theoretisch noch deutlicher vor Augen führen kann, als es durch unsere Gesellschaft schon jetzt praktisch geschieht – es sollte eben darum gehen, eine möglichst freie Entfaltung des Individuums zu gewährleisten – je mehr Manipulation desto schlechter für eine freie Entfaltung/ „natürliche Entwicklung“.

Woppadaq schrieb:
ad 3: Tut sie das etwa nicht? Die Nachfrage wird gezielt verändert - oder ist das etwa nicht mehr der Zweck von Werbung? Was könnte den Markt mehr verfremden?

Interessant, daß du glaubst, Monopole würden den Markt nicht verfremden, gezielt veränderte Nachfrage aber schon.

Das hab ich weder explizit noch implizit behauptet (falls doch zitier mich bitte mit Seitenverweis ;) ) - sowohl Monopole als auch gezielt veränderte Nachfrage verfremden den Markt.

Meine Fragen hast du nicht beantwortet – ja, sie waren rhetorisch, aber wenn du es anders siehst, solltest du vielleicht darauf eingehen...


Woppadaq schrieb:
Was ist so schlimm daran, wenn eine Firma die 50.Sorte Klopapier herausbringt und trotzdem damit Erfolg hat ?? Was ist so schlimm daran, daß uns eine Firma suggeriert, daß man ohne Händi eigentlich nicht leben kann ?

Also ich finde das von dir aufgezählte nicht wirklich schlimm – aber zumindest bedenklich angesichts der globalen Zustände/Diskrepanzen; allerdings gibt es weite Gebiete, die „schlimmer“ sind – Lebensmittel oder Pharmazie bspw.

Was ist deiner Meinung nach gut daran, dass Menschen Produkte als lebensnotwendig eingeredet werden, die sie nicht brauchen?
Was ist gut an der kontinuierlichen Erziehung von Menschen zu „Konsummenschen“ (In dem Sinne, dass ständiger (bezahlter) Konsum Sinn, Zweck Notwendigkeit und Lösung für alles ist)?


Woppadaq schrieb:
Problem ist, dass heutzutage zwar viel von ?Nachhaltigkeit? geredet wird, langfristige Perspektiven für Unternehmen jedoch nicht oberste Priorität haben ? was nach kurzfristig-ökonomischer Sicht auch nachvollziehbar ist...

Mit der Größe des Unternehmens steigt auch deren Interesse an Nachhaltigkeit, denn solche Firmen wollen in 10-20 Jahren noch genauso profitabel sein wie heute.

Das ist die einzige Möglichkeit, wie man bei Firmen überhaupt was erreichen kann - ihnen ihre nachhaltige Entwicklung ausmalen.


Jedoch siegt meist die kurzfristige Rentabilität – die ist eben mit größerer Sicherheit schon mal verbuchbar.


Woppadaq schrieb:
Wenn Produkte entwickelt werden, für die erst durch Medien und Werbung ein Markt geschaffen wird (im Extremfall) ist das imho wenig wünschenswert.

Finde ich nicht. Danach hätte der Computer nie einen Markt bekommen dürfen.

Lediglich Schnelligkeit und Ausmaß der Verbreitung wurde forciert.


Woppadaq schrieb:
Einfluss der Bürger auf die Wirtschaft durch demokratische Mechanismen ist ein absolutes Tabu-Thema - wie ich finde, zu unrecht.

Wie stellst du dir das vor ?

Bisher noch nicht allzu detailliert...


Woppadaq schrieb:
Naja, ich weiss nicht, ob Privat-Unis der einzige Weg zur Begabtenförderung sind

Lös dich doch mal bitte vom absolutistischen "Allheilmittel-Prinzip" !!

Ich sagte, ein paar könnten uns guttun.


Du brauchst auch nicht fünfundzwanzig Elite-Unis pro Bundesland - das ist wohl nicht mal Ziel der Neoliberalen...


Woppadaq schrieb:
Niemand verlangt von Wissenschaftlern, kostendeckend zu arbeiten, das geht auch gar nicht. Es geht darum, daß Universitäten nicht zu Fässern ohne Böden werden dürfen. Darunter leidet dann nämlich auch die Universität.

Schönreden und relativieren kannst du soviel du willst – die Wirtschaft wird immer stärker auf das Kosten-Nutzen-Prinzip abgestimmt werden, Wissenschaftler, die sich nicht in erster Linie diesem Prinzip unterordnen, werden es immer schwerer haben – viele ganze Wissenschaftszweige ebenso. Die Ausrichtung der Wissenschaft nach ausschließlich ökonomischen Prioritäten ist grundsätzlich abzulehnen, jede Beeinflussung daher so gering wie möglich zu halten. Die Effizienz von Wissenschaft hat mit ihrer Rentabilität wenig zu tun.


Woppadaq schrieb:
Da sich wenig Theoretiker zum Neoliberalismus bekennen (und noch weniger Politiker) meine ich damit ganz allgemein vor allem die Leute, die die neoliberale Agenda propagieren

Was ich ziemlich diktatorisch finde.

Zumal ich finde, daß alle Gegenbewegungen auf ein "Weiter so" hinauslaufen, an dem ich irgendwie nicht interessiert bin.


1. Ich (als Teil meiner persönlichen Gegenbewegung) rede die Ganze Zeit davon, dass es nicht so weiter gehen soll...
2. Nenn mir mal Gegenbewegungen, die sagen , es soll so wie bisher weiter gehen. Ich kenne keine derartigen Gegenbewegungen...




Aber jetzt noch einmal zurück zur globalen „Schere“:

Eine wirtschaftliche Globalisierung, die zb. wie aktuell die Ausprägung dessen verstärkt, was als "globale Schere" bezeichnet wird, erschwert das kulturelle Verständnis und somit das politische "Zusammenwachsen".


Woppadaq schrieb:
Verstärkte Probleme des kulturellen und politschen Zusammenwachsens - wo siehst du die ?

Zunächst mal sei mir Frage erlaubt, ob/wie man ernsthaft der Ansicht sein kann, dass eine weitere Verschärfung der „globalen Schere“ das kulturelle Verständnis und das politische Zusammenwachsen nicht negativ beeinflusst – vereinfacht/verbessert sie das genannte deiner Ansicht nach etwa?

Aber wie auch immer, aufs wesentliche gekürzt sehe ich vor allem folgende Probleme:

1.) Die Opfer auf Seiten der ausgebeuteten/abhängig gemachten/assimilierten/beeinflussten Volkswirtschaften
sehen ihre kulturelle Identität gefährdet (->Abwehrhaltungen, Fundamentalisierungen etc.)
2.) Ökonomische Assimilation wird als erste Stufe einer neuen Form von Kolonialpolitik verstanden
3.) Religiöse Identität wird (auch) aufgrund des „totalen“ ökonomischen Materialismus (Kapital als Priorität)
als gefährdet angesehen
4.) Verschärfung von Hunger & Armut führt allgemein mindestens zu einem gewissen Sympathieverlust der Leute, die dafür verantwortlich sind/gemacht werden...
5.) Neid, Missgunst, Aggression etc. wird ein fruchtbarer Nährboden bereitet




Im folgenden noch ein paar Zitate aus:


http://www.uni-kassel.de/fb10/frieden/themen/Globalisierung/chatterjee.html



In seiner Dankesrede zur Verleihung des Friedens-Nobelpreises am 10.12.2002 sagte Präsident Carter: "Am Beginn dieses Jahrtausends ist... die grösste Herausforderung, der sich die Welt gegenüber sieht, ... der wachsende Abgrund zwischen den reichsten und den ärmsten Völkern der Erde."(0) Um die Tiefe dieses Abgrundes sichtbar zu machen, hier einige Fakten: 1998 betrug das Pro-Kopf-Jaheseinkommen der Reichen, die 15% der Weltbevölkerung ausmachen, $ 25.510. Dagegen mussten 60% der Armen mit $ 520 jährlich auskommen (1). Begraben ist die Hoffnung, dass das Ende des Kolonialismus die menschliche Gesellschaft humaner machen und den Lebensstandard der Völker heben würde, die jahrhundertelang unterjocht waren. Die ehemaligen Kolonialmächte und die transnationalen Konzerne (TNCs) beuten die Armen erneut aus. Zu den 100 grössten globalen Ökonomien zählen 51 TNCs und 49 Länder (2). Selbst in die reichen Länder, die einen Wohlstand auf breiter Basis erreicht hatten, kehrt die Armut seit den 80er Jahren zurück. Dafür sind einige ganz wenige Reiche mega-reich geworden: die 497 Milliardäre der Welt haben mehr Geld als das Einkommen der ärmsten Hälfte der Menschheit (3). Dieser eklatante Abstand, der grösste der Geschichte, hat die Welt in Aufruhr, Terror und Krieg gestürzt.

[...]

Zur Vorgeschichte

Ein Grossteil dieser Katastrophe ist bedingt durch das Bretton Woods Welt-Handelssystem (WHS), das die UN 1944 einführte, und die amerikanische Aussenpolitik, die 1948 fomuliert und seiher Schritt für Schritt durchgesetzt wurde. Sie führten nach dem zweiten Weltkrieg (WW II) in den 50er Jahren zum Wiederaufstieg Westeuropas, zu einer Zeit, als auch die amerikanische Wirtschaft boomte (4). Nun aber haben sich diese beiden zu Triebkräften der globalen Ausbeutung der Armen entwickelt. Dieser Neokolonialismus legt, wie ehemals der Kolonialismus, das Hauptgewicht auf das Kapital und degradiert die Menschen zur Nebensache. Ende der 50er Jahre kamen auch Westeuropa, Japan, Kanada und Australien auf den Geschmack dieses schnellen Geldes. Seither haben auch sie die globale Ausbeutung betrieben, wobei tonagebend die G7 Länder sind. Verantwortlich dafür sind nicht die Bevölkerungen dieser Ländern, sondern diejenigen, die diese Politik betreiben.

Mit dem Umbau des WHS der geregelten Umtauschkurse und des Kapitalverkehrs zum totalen Markt mit restriktionslosem globalem Kapitalfluss um die Mitte der 70er Jahre fing die Ära der neoliberalen Globalisierung (NG), auch "Corporate" oder "Economic" Globalisation genannt, an. Gleichzeitig vertiefte sich die Kluft zwischen Reichen und Armen. Zur Erinnerung: 1820, als der europäische Kolonialismus bereits 300 Jahre im Gange war, stand die Kluft - ausgedrückt als Einkommensverhältnis Reich:Arm - bei 3:1; um 1950, als die Kolonien abbröckelten, betrug sie bereits 35:1. 1973, noch vor Beginn der NG, stand das Verhältnis bei 44:1, um im Jahre 1992, nach knapp 20 Jahren der NG, auf 72:1 anzuschwellen. (3)

Es ist das Ziel dieses Aufsatzes, die Gründe dieser Entwicklung zu beleuchten und zu berichten, was die Zivilgesellschaft, von der Öffentlichkeit kaum beachtet, an Lösungsmöglichkeiten vorschlägt, um den Menschen sowohl in den armen wie in den reichen Ländern Gerechtigkeit zu verschaffen.

[...]

Betrachten wir den Fall Indiens, eines Lanes, das kurz nach dem WW II unabhängig wurde. Indiens Rohstoffreserven waren beträchtlich, sein Ölvorkommen vernachlässigenswert. Da das Hauptinteresse der USA dem Erdöl gilt, wurde Indien in Ruhe gelassen, nicht aber seine Wirtschaft. Als Waffe dienten diesmal Zwang und die Entwicklungsideologie (26). Bereits 1947 war eine Landreform in Gang gekommen; es gab keine Hungersnot mehr (27). Trotzdem erzwang die Ford Stiftung die Umstellung der Landwirschaft. Die traditionelle indische Landwirtschaft wurde ersetzt durch die amerikanische Monokultur, abhängig von Kunstdünger und Pestiziden. Diese mussten finanziert werden; so hielt die westliche Finanzhilfe Einzug in Indien. Das Land geriet in Abhängigkeit, nicht nur wegen der Kredite für Pestizide, Düngemittel und Saatgut; zwecks Bewässerung mussten auch tausende von grossen Staudämmen gebaut werden. Finanziert wurden sie mit Hilfe von Krediten der Weltbank, zu durchaus akzeptablen Konditionen. Doch musste das Land als Gegengabe westliches Knowhow und Maschinen für die Dämme kaufen. Am Ende bezahlte Indien weit mehr als es erhalten hatte. Heute muss man in diesen Dämmen die grösste selbstverursachte Katastrophe des Landes sehen (28). Hinzukam die Bestrebung, die ökonomischen und sozialen Grundlagen schleunigst zu reformieren, was enormen Finanzbedarf mit sich brachte. Kein armes Land kann all das finanzieren, ohne in die Schuldenfalle zu geraten. Indien musste 1990 seine unabhängige Politik aufgeben und seine ökonomische Souverinität an die WB und IMF abtreten. Darüber hinaus musste der indische Staat 47 Tonnen Gold zur "sicheren Aufbewahrung" bei der Bank of England hinterlegen. Heute muss das Land sein Jahresbudget de facto unter Aufsicht von WB und IMF plannen (29).

Das Schicksal anderer Entwicklungsländer war ähnlich. Dennoch wuchs ihre Wirtschaft bis in die 70er jährlich um 5-6%. Weitere Probleme enstanden, als sich diese Länder bei den Internationalen Banken weitere Kredite beschafften. Während der Ölkrise stieg das Zinsniveau von anfänglich 6,6% im Jahre 1976 bis auf 17,5% im Jahre 1981. Um die exorbitanten Zinsen zu bezahlen, mussten sie die Tilgung des Grundkapitals aussetzen und gerieten in die Schuldenfalle. Laut WB zahlte die Dritte Welt 1999 für jeden Dollar Schulden 13 mal soviel zurück (3). Ist ein armes Land in die Schuldenfalle geraten, muss es sich dem Diktat von IMF und WB beugen. Von nun an kann es weitere Kredite nur noch vom IMF erhalten, sofern es sich dem Strukturanpassungsprogram (SAP) des IMF unterwirft. Das SAP verweigert dem Schuldner das Recht, eigene fiskalische und monetäre Massnahmen zu ergreifen; dies ist das genaue Gegenteil der Abmachung der Bretton Woods Konferenz von 1944 (6). Der IMF hat seit den 80er Jahren 150 Ländern der Dritten Welt das SAP aufoktroyiert (29). Die Ideologie des "freien Marktes" des BWT ist in Wahrheit eine Handelsschranke. Während Güter aus reichen Ländern die Märkte der Dritten Welt überschwemmen, werden jene aus den armen Ländern im Westen hoch versteuert. Das Ende vom Liede ist, dass die Armen um $ 100 Md pro Jahr verprellt werden (32).



Die zweite Methode der Unterdrückung besteht darin, einen demokratisch gewählten Staatschef durch das repressive Regime eines US-Klienten zu ersetzen. Dies geschah im Iran, in Guatemala, Kongo, Südvietnam, der Dominikanischen Republik, Chile, Nicaragua, Grenada und Panama (33). Beispiel Chile: Ein vom CIA angezettelter Putsch ersetze 1973 den demokratisch gewählten Präsidenten Allende durch General Pinochet. Sogleich verfügte dieser eine Preisanhebung für Brot von 11 auf 34 Escudos, während die Löhne eingefroren wurden. Binnen eines Jahres stieg der Brotpreis um das 36-fache, und 85% der Chilenen gerieten unter die Armutsgrenze. Zwei Jahre später diente Chile als Blaupause für eine weitere "marktliberale Reform", diesmal in Argentinien. Derartige ökonomische Manipulationen sind Vorläufer des SAP, das inzwischen fester Bestandteil der Politik von IMF und WB ist (29). Am Ende des Jahres 2002 ist Argentinien wieder, ganz "offiziell", fest im Griff des IMF.

[...]

Führt ein solches "weiches" Vorgehen nicht zum Erfolg, lässt ein Land sich nicht "erziehen", ist die eiserne Faust stets zur Stelle. In der Zeitspanne 1945-1999 haben die USA gegen 19 Länder in Asien, Afrika, Osteuropa, Zentral- und Südamerika Kriege geführt (34). Die Kriege brachten den Menschen nur Hegemonie. Nun drohen die USA - im Komplott mit den angloamerikanische Öl- und Waffen-Giganten - Zentralasien und dem Mittleren Osten mit Krieg, um an deren riesige Ölressourcen zu gelangen und die russischen und europäischen Ölmultis von dort zu vertreiben (29). Im Gefolge des Afghanistan-Krieges konnten die USA in ganz Zentralasien Militärbasen errichten (18). Nun ist Irak an der Reihe. Unter dem Vorwand, seine Massenvernichtungswaffen (WMD) zu vernichten, damit die eigenen Freunde und Alliierten (sprich Israel) geschützt sind, wollen die USA und England unbedingt den Irak angreifen. Dies geschieht, obwohl manche G7-Staaten dem nicht zustimmen (35). Es sind eher die USA, die für die "gesamte Menschheit" eine Gefahr darstellen, schreibt Gary Leupp (36). Um ihr Ziel zu erreichen, wendet die US-Administration "Brüskierung und Bestechung an, um den UN-Sicherheitsrat und den US-Kongress zur Zustimmung zu bringen", sagen Robert Jensen und Rahul Mahajan (37) und fügen hinzu, es sei ein Versuch gemacht worden, Russland und Frankreich auf die Seite der USA zu bewegen mit dem Angebot, dass sie nach dem Irak-Krieg einen kleinen Teil der Ölkonzessionen erhalten würden. Haben die USA etwa das Vorrecht, WMDs zu horten und für einen Präemptivschlag Mininukes zu entwickeln? Nicht dass England unschuldig wäre, es hat schon 1922 im Irak Giftgas eingesetzt (38).



Der makro-ökonomische Ansatz von IMF, WB und WTO nimmt den armen Nationen das Recht, ihre Wirtschaft selbst zu gestalten. Er macht aus ihren Ökonomien ein Reservoir billiger Arbeitskräfte und Rohmaterialien. Er höhlt alle Staatsaufgaben aus, zerstört die Produktion für den Binnenmarkt und zwingt die nationalen Unternehmen in den Konkurs. Das SAP schafft die Mindestlohnabsprachen ab und fördert den Abbau des Sozialstaates; es erzwingt die Deregulierung der Währung und führt zu Zinsanstieg. Die Deregulierung des Handels und die von der WTO verbürgten Urheberrechte erleichtern den TNCs den Zugang zu den lokalen Märkten und erlauben ihnen, die Landwirtschaft, sowie die privaten und staatlichen Dienstleistungen zu beherrschen. Da die Entwicklungsländer Nettoimporteure von Technologien sind, bedingen die Urheberrechte einen "substantiellen Finanztransfer von den Entwicklungsländern zu den entwickelten Ländern" (42). Die Multilaterale Investionsvereinbarung der OECD stellt eine Gefahr für die Schaffung von Arbeitsplätzen und für kommunale Initiativen dar, sie schwächt die Gesellschaften zugunsten der TNCs. Kein Wunder, dass die weltweite Arbeitslosigkeit etwa 30% beträgt. Der reale Lohn in der Dritten Welt beträgt ein Siebzigstel des US-Lohnes und die Armut ist allgegenwärtig (6). Um dem reichen Einzelhändler die günstigste Ware zu bieten, werden die Armen gezwungen, Waren für den Export in die reichen Länder zu produzieren, zugleich aber mit anderen Armen zu konkurrien. Jene Einzelhändler verkaufen diese Ware zu weit höheren Preisen und erzielen riesige Profite. Ein paar Beispiele: Kaffee wird im Westen zu Presien verkauft, die zwanzigmal höher sind als das, was die Erzeuger erhalten; Chinesische Frauen, die Turnschuhe produzieren, verdienen $ 16 für eine 70-Studen-Arbeitswoche; die Textilexporteure der Dritten Welt erhalten nur 2.7% des westlichen Marktpreises (29). Die Handelsbedingungen begünstigen die Reichen: Die Armen müssen ihre Märkte öffnen, die Reichen betreiben Protektionismus. Oxfam wirft den Reichen vor, die Bretton Woods Handelsregel für ihre Zwecke zu verbiegen, was die Armen jährlich $ 100 Md kostet. Importe aus den armen Ländern werden viermal so hoch versteuert wie die aus den reichen Ländern; die Reichen subventionieren ihre Bauern täglich mit $ 1 Md, um mit ihren Erzeugnissen die Märkte der Armen zu überschwemmen und so "den Armen den besten Weg aus der Armut abzuschneiden" (43). Der Zugriff der TNCs auf die Diensleistungen und "Allmende" macht das Leben der Armen unerträglich, viele müssen selbst für das Trinkwasser für sie unerschwingliche Preise bezahlen. Die EU plant, als Preis dafür dass sie die eigenen Subventionen der Landwirtschaft abbaut, die vollständige Privatisierung der Staatsmonopole der Handelspartner (44). In den armen Ländern haben die Preise der Grundnahrungsmittel fast das westliche Niveau erreicht; das führt dazu, dass in Nationen, die Hungersnöte hinter sich gelassen hatten, diese wieder Einzug halten (45): Die Menschen hungern, nicht weil Lebensmittel fehlen, sondern weil sie sie nicht mehr bezahlen können. Millionen verlassen ihre Dörfer und finden sich in Shantytowns wieder. Wer eben kann, versucht in den Westen zu gelangen, nur um von dort abgewiesen zu werden. In den letzten 35 Jahren stieg die internationale Migration von 76 auf 150 Millionen, und die NG wird weitere Menschen auf die Flucht treiben (46).


Bevor ich jetzt noch mehr zitiere warte ich erst mal auf deinen nächsten Post ;)
 

hives

Ritter Rosenkreuzer
20. März 2003
2.785
Würden sich die beiden Scherzkekse, die "Brot für alle" angeklickt haben, bitte freiwillig melden - oder haben wir es hier etwa mit manipulativen Indoktrinationen zu tun? ;)
 

Woppadaq

Großmeister-Architekt
2. August 2003
1.228
hives schrieb:
Was spricht für einen gesenkten Spitzensteuersatz?

Gesenkte Steuern sind immer gut. Als Beispiel möchte ich mich selbst zitieren:

Die Gegenfinanzierung - das Gegenteil kannst du mir gerne beweisen - wird ja genialerweise durch die Steuersenkung finanziert, weil der Anreiz zur Steuerflucht damit genommen wird z.B., neue Jobs geschaffen werden können, was mehr Lohnsteuereinnahmen bedeuten würde.

Einfaches Beispiel:
Ein einzelner job bringt mal 100% Steuereinnahmen nach derzeitigem Stand. Ein neuer Job ist zu teuer.
Die Steuern werden um 25 % gesenkt.
Ein einzelner job bringt dann 75% Steuereinnahmen nach neuem Stand. Ein neuer Job ist bezahlbar, macht 150% Steuereinahmen.

Klär mich auf, was daran nicht stimmt.

Desweiteren muß ich darauf hinweisen, daß der Spitzensteuersatz nicht die wirklich Reichen trifft, sondern eher die Freischaffenden, Leute, die kaum Abschreibungsmöglichkeiten haben, die ohne Lohnsteuerkarte bei Unternehmen arbeiten, weil bei Einstellung ihr Einkommen sinken würde etc. Das sind allerdings zu einem nicht unerheblichen Teil diejenigen, die eine nicht unwesentliche Binnenkaufkraft bilden - die die Wirschaft durchaus anheben kann.

Wenn einerseits überall Kürzungen vorgenommen werden, ist es ein absoluter Witz, bei Spitzensteuersätzen, Vermögens- und Erbschaftssteuer genau das Gegenteil zu tun. Es ist ein ausgesprochen schlechter Witz.

Nicht unbedingt. Es kann auch ein Versuch sein, ins Ausland gebrachtes Vermögen wieder zurückzubringen, damit es wieder reinvestiert werden kann.

Machen wir uns nichts vor - die Anhebung der Vermögenssteuer ist eine reine Gerechtigkeitssache, die nichts mit der Finanzierung des Staates zu tun hat. Die Gerechtigkeitsfrage interessiert die Finanziers aber nicht wirklich. Man kann die wirklich Reichen auch hierzulande nicht zwingen, zu investieren, dafür müssen schon Anreize geschaffen werden. Über das Verhältnis der Anreize kann und muß man reden, eine grundsätzliche Verteufelung halte ich aber für verfehlt.

Ich hatte ??natürlich?? geschrieben, um auf das Problem der Definition einer ?natürlichen Entwicklung? hinzudeuten - du kannst es dir aber nicht so einfach machen, die Beeinflussung von Entscheidungsverhalten komplett zu verniedlichen...

Beeinflussung von Entscheidungsverhalten wird es immer geben. Woanders macht es der Staat, ganz woanders macht es die Religion, in unserem System macht es die Industrie. Das ist für mich solange kein Problem, wie die Möglichkeit der Aufklärung bzw. der Gegenbeeinflussung gegeben ist.

Die "natürliche Entwicklung" des Menschen sieht so aus, daß er sich den Gegebenheiten anpaßt und sie zu seinen Gunsten zu verändern versucht. Wird eines davon unmöglich gemacht, ist der Konflikt vorprogrammiert.

es sollte eben darum gehen, eine möglichst freie Entfaltung des Individuums zu gewährleisten - je mehr Manipulation desto schlechter für eine freie Entfaltung/ ?natürliche Entwicklung?.

Freie Entfaltung wird nicht durch Manipulation, sondern durch Interessenskonflikte gehemmt. Wenn ich hierzulande keine eigene Firma aufmachen kann, weil ich dazu erst einen Meister machen muß, dann ist da nix mit Manipulation, aber viel mit Besitzstandswahrung, sprich Interessenskonflikt.

sowohl Monopole als auch gezielt veränderte Nachfrage verfremden den Markt.

Nur daß sich das eine negativ, das andere positiv auf den Markt auswirkt.

Was ist deiner Meinung nach gut daran, dass Menschen Produkte als lebensnotwendig eingeredet werden, die sie nicht brauchen?

Ich bin schon oft darauf eingegangen (Stichwort "Verbraucheraufklärungsindustrie"), ich machs jetzt mal einfach:
Im Dschungel leben mehr Tiere als in der Wüste. Dafür ist die Ansteckungsgefahr im Dschungel größer.

Welche Vegetationsform bevorzugst du ?

Was ist gut an der kontinuierlichen Erziehung von Menschen zu ?Konsummenschen? (In dem Sinne, dass ständiger (bezahlter) Konsum Sinn, Zweck Notwendigkeit und Lösung für alles ist)?

Nicht für alles, aber für einiges.
Vor der Eindämmung des Konsums sollten wir erstmal das Bevölkerungswachstum eindämmen. Meine Meinung.

Woppadaq schrieb:
Wenn Produkte entwickelt werden, für die erst durch Medien und Werbung ein Markt geschaffen wird (im Extremfall) ist das imho wenig wünschenswert.

Finde ich nicht. Danach hätte der Computer nie einen Markt bekommen dürfen.

Lediglich Schnelligkeit und Ausmaß der Verbreitung wurde forciert.

Dank dieser Verbreitung hat der Zusammenbau meines vor 10 Jahren noch unvorstellbar genialen Systems mich nur 300 Euro gekostet statt 300 000. Soviel hat mein 94er Liebling gekostet, den ich mir damals gerne geleistet hätte (SGI Indigo 2).

Der Markt wird durch Produkte geschaffen, die Werbung sorgt lediglich für die verschieden Ausrichtung der Wahrnehmung der Prioritäten. Dagegen hilft nur, daß man seine eigenen Prioritäten klar erkennt.

Ich kann ganz wunderbar ohne Goldkettchen leben.

Woppadaq schrieb:
Einfluss der Bürger auf die Wirtschaft durch demokratische Mechanismen ist ein absolutes Tabu-Thema - wie ich finde, zu unrecht.

Wie stellst du dir das vor ?

Bisher noch nicht allzu detailliert...

Es ist nämlich kein Tabu-Thema, sondern schlicht und ergreifend ein schwieriges Thema.

Als Endverbraucher hat der Bürger nämlich einen gewissen Einfluß auf die Wirtschaft.

Du brauchst auch nicht fünfundzwanzig Elite-Unis pro Bundesland - das ist wohl nicht mal Ziel der Neoliberalen...

Wenn die 25 Elite-Unis sich allesamt eigenverantwortlich über Wasser halten können, würde das wahrscheinlich niemanden stören.

Aber wenn ein paar davon pleite gehen und der Staat sie nicht unterstützt, weil er z.B. kein Geld hat oder aber (was er nie zugeben würde) die weitere Finanzierung einfach für rausgeschmissenes Geld hält, ja dann ist das Geschrei groß, wie bildungsfeindlich dieses Land doch ist, daß es dem Konkurs von Elite-Unis einfach tatenlos zuschaut, anstatt einzugreifen. Dann sind wieder mal die Neoliberalen an allem Schuld.

Woppadaq schrieb:
Niemand verlangt von Wissenschaftlern, kostendeckend zu arbeiten, das geht auch gar nicht. Es geht darum, daß Universitäten nicht zu Fässern ohne Böden werden dürfen. Darunter leidet dann nämlich auch die Universität.

Schönreden und relativieren kannst du soviel du willst - die Wirtschaft wird immer stärker auf das Kosten-Nutzen-Prinzip abgestimmt werden, Wissenschaftler, die sich nicht in erster Linie diesem Prinzip unterordnen, werden es immer schwerer haben - viele ganze Wissenschaftszweige ebenso.
und nun dieses:
Die Ausrichtung der Wissenschaft nach ausschließlich ökonomischen Prioritäten ist grundsätzlich abzulehnen, jede Beeinflussung daher so gering wie möglich zu halten. Die Effizienz von Wissenschaft hat mit ihrer Rentabilität wenig zu tun.

Letzteres sehe ich nämlich genauso. Ich weiß deshalb nicht, wie du von "Schönreden und relativieren" sprichst, nur weil ich meine, daß Universitäten nicht zu Fässern ohne Böden werden dürfen.

Nenn mir mal Gegenbewegungen, die sagen , es soll so wie bisher weiter gehen. Ich kenne keine derartigen Gegenbewegungen...

Du meinst, in diesem Lande spricht sich niemand gegen Reformen aus ?

Zunächst mal sei mir Frage erlaubt, ob/wie man ernsthaft der Ansicht sein kann, dass eine weitere Verschärfung der ?globalen Schere? das kulturelle Verständnis und das politische Zusammenwachsen nicht negativ beeinflusst - vereinfacht/verbessert sie das genannte deiner Ansicht nach etwa?

Man kann die "globale Schere" so sehen, daß die Armen immer ärmer werden und die Reichen immer reicher.
Oder aber, daß die Armen arm geblieben sind und die Reichen sich "weiterentwickelt" haben.
Aber dazu später.

1.) Die Opfer auf Seiten der ausgebeuteten/abhängig gemachten/assimilierten/beeinflussten Volkswirtschaften sehen ihre kulturelle Identität gefährdet (->Abwehrhaltungen, Fundamentalisierungen etc.)

Zu Recht. Es liegt aber in deren Ermessen, sich dagegen zu wehren.

2.) Ökonomische Assimilation wird als erste Stufe einer neuen Form von Kolonialpolitik verstanden

Liegt vielleicht daran, daß Kolonialpolitik kaum anderes ist als gewalttätig hervorgerufene ökonomische Assimilation.

3.) Religiöse Identität wird (auch) aufgrund des ?totalen? ökonomischen Materialismus (Kapital als Priorität) als gefährdet angesehen

Netterweise hast du "auch" geschrieben - denn die religiöse Identität ist noch durch ganz andere Sachen gefährdet.
Unter anderem dadurch, daß die Religionen auf die - auch ohne zwanghaft herbeigeführten Materialismus - bestehenden Fragen dieser Zeit keine befriedigenden Antworten haben.

Es wäre falsch zu glauben, Materialismus und Kapitalismus seien die Antwort. Sie sind lediglich relative Selbstläufer.

4.) Verschärfung von Hunger & Armut führt allgemein mindestens zu einem gewissen Sympathieverlust der Leute, die dafür verantwortlich sind/gemacht werden...

Bleibt nur die leider sehr oft in ihren Antworten viel zu sehr pauschalisierte Frage: Wer ist dafür verantwortlich ?

Wir, die wir denken, unser System, welches bei uns funktioniert, könnte auch in ärmeren Ländern funktionieren ?
Die Regierungschefs, die uns das abnehmen und sich in die "Abhängigkeit" begeben ?
Die Regierungschefs, die uns das nicht abnehmen und so wirtschaften, wie sie denken, daß es richtig sei (siehe Simbabwe) ?
Die "Freiheitskämpfer", die vor lauter Freiheitskampf einen richtig abgefahrenen rechtsfreien Raum schaffen, in welchen sich dann kein Schwein hineintraut, weshalb dort auch keine zivile Entwicklung stattfinden kann?
Die Fundamentalisten, die genau wissen, daß "ihr Volk" das alles gar nicht will und deshalb z.B. in der Hungersnot nur eine andere Art Enthaltsamkeit sehen ?

Nein, am einfachsten ist es zu sagen, die Neoliberalen sind an allem Schuld. Das praktische daran ist, daß sich fast gar keiner angesprochen fühlen muß. Die Neoliberalen können die USA sein, die in den Irak einmarschieren. Oder Kanzler Schröder, weil er das Arbeitslosengeld kürzt. Oder ich, weil ich alles ein bißchen differenzierter sehe.

Ich will damit nicht sagen, der Neoliberalismus sei völlig unschuldig. Aber sein Einfluß wird größer gemacht, als er in Wirklichkeit ist.

5.) Neid, Missgunst, Aggression etc. wird ein fruchtbarer Nährboden bereitet

Kein Problem mit "Neid", ich sehe ihn eher als Antriebsquelle.
Mißgunst ?????
Auch die "Aggression" sehe ich nicht gefördert, im Gegenteil. Natürlich ist klar, daß sich bei Veränderungen Gegenbewegungen bilden. Aber verglichen mit den nicht ganz so kapitalistischen Islam-Ländern ist der Protest bei uns doch weitaus weniger militant.

Desweiteren frage ich mich, wie du das Problem der sich unbedingt gegenseitig abmeucheln müssenden Völker bspw. in Afghanistan "vernünftig" lösen willst.

In seiner Dankesrede zur Verleihung des Friedens-Nobelpreises am 10.12.2002 sagte Präsident Carter:

Ich mag Carter sehr, gebe aber zu bedenken, daß er ehemaliger US-Präsident ist, Vorgänger von Reagan, der Amerika dann neoliberalisierte. Mir fällt bei vielen Ex-Angestellten der US-Regierung ein Hang zu fast schon sozialistisch anmutender Agitation auf.
Mit denselben Problemen derartiger Propganda: Sie widerspricht sich häufig, wirkt eher emotional als rational. Man darf die Intention solcher Leute nicht vergessen: Mit derartiger Kritik, die für sie ungefährlich ist, bleiben sie im Gespräch und zeigen "die andere Seite von Amerika" - gewissermaßen zur Aufweichung des Feindbildes.

Ein Grossteil dieser Katastrophe ist bedingt durch das Bretton Woods Welt-Handelssystem (WHS), das die UN 1944 einführte, und die amerikanische Aussenpolitik, die 1948 fomuliert und seiher Schritt für Schritt durchgesetzt wurde.

Zwei in sich völlig gegensätzliche Ansätze, die kaum was miteinander zu tun haben.

Die amerikanische Außenpolitik war schon immer imperialistisch geprägt, also auf alles ausgerichtet, was Amerika nützt bzw. was seinen Ansichten entsprach. Es wird zu oft übersehen, daß die heutigen Ansichten der Amis im Vergleich zu unseren Ansichten heute eher rückwärtsgewandt sind.

Auf die Frage, inwiefern das Bretton Woods Welt-Handelssystem zur allgemeinen Katastrophe beigetragen hat, ist Carter m.E. nicht richtig eingegangen - dazu später.

Sie führten nach dem zweiten Weltkrieg (WW II) in den 50er Jahren zum Wiederaufstieg Westeuropas, zu einer Zeit, als auch die amerikanische Wirtschaft boomte (4). Nun aber haben sich diese beiden zu Triebkräften der globalen Ausbeutung der Armen entwickelt. Dieser Neokolonialismus legt, wie ehemals der Kolonialismus, das Hauptgewicht auf das Kapital und degradiert die Menschen zur Nebensache. Ende der 50er Jahre kamen auch Westeuropa, Japan, Kanada und Australien auf den Geschmack dieses schnellen Geldes. Seither haben auch sie die globale Ausbeutung betrieben.....

Wenn das so weitergeht, betreiben bald alle Länder dieser Erde die globale Ausbeutung. Schreckensvision für die einen, neoliberalistischer Wunschtraum für andere.

Betrachten wir den Fall Indiens, eines Lanes, das kurz nach dem WW II unabhängig wurde. ...Bereits 1947 war eine Landreform in Gang gekommen; es gab keine Hungersnot mehr (27). Trotzdem erzwang die Ford Stiftung die Umstellung der Landwirschaft. Die traditionelle indische Landwirtschaft wurde ersetzt durch die amerikanische Monokultur, abhängig von Kunstdünger und Pestiziden. Diese mussten finanziert werden; so hielt die westliche Finanzhilfe Einzug in Indien. Das Land geriet in Abhängigkeit, nicht nur wegen der Kredite für Pestizide, Düngemittel und Saatgut; zwecks Bewässerung mussten auch tausende von grossen Staudämmen gebaut werden. Finanziert wurden sie mit Hilfe von Krediten der Weltbank, zu durchaus akzeptablen Konditionen. Doch musste das Land als Gegengabe westliches Knowhow und Maschinen für die Dämme kaufen. Am Ende bezahlte Indien weit mehr als es erhalten hatte. Heute muss man in diesen Dämmen die grösste selbstverursachte Katastrophe des Landes sehen (28).

Kann mir mal einer verraten, wie eine kleine amerikanische Stiftung eine Regierung, die die übermächtigen Engländer mit friedlichen Mitteln aus dem Land gejagt hatte, in dem sie sich gezielt der englischen Ökonomie verweigert hatte, zur Umstellung ihrer Landwirtschaft zwingen konnte ??

Für mich stellt sich hier wirklich mal die Frage: WER ist hier wirklich Schuld ?

Hinzukam die Bestrebung, die ökonomischen und sozialen Grundlagen schleunigst zu reformieren, was enormen Finanzbedarf mit sich brachte. Kein armes Land kann all das finanzieren, ohne in die Schuldenfalle zu geraten.

Da bleibt für mich die Frage, wie sehr die Regierung dies wußte.
Man muß es einfach mal sagen: Die indische Regierung, die sich immerhin eine Atombombe leisten konnte, hat einfach mal versagt !

Ist ein armes Land in die Schuldenfalle geraten, muss es sich dem Diktat von IMF und WB beugen. Von nun an kann es weitere Kredite nur noch vom IMF erhalten, sofern es sich dem Strukturanpassungsprogram (SAP) des IMF unterwirft. Das SAP verweigert dem Schuldner das Recht, eigene fiskalische und monetäre Massnahmen zu ergreifen; dies ist das genaue Gegenteil der Abmachung der Bretton Woods Konferenz von 1944 (6).

Voila, aber das WHS ist Schuld, auch wenn man sich nicht dran hält.

Der IMF hat seit den 80er Jahren 150 Ländern der Dritten Welt das SAP aufoktroyiert (29). Die Ideologie des "freien Marktes" des BWT ist in Wahrheit eine Handelsschranke. Während Güter aus reichen Ländern die Märkte der Dritten Welt überschwemmen, werden jene aus den armen Ländern im Westen hoch versteuert. Das Ende vom Liede ist, dass die Armen um $ 100 Md pro Jahr verprellt werden (32).

Was den - wie ich finde, berechtigten - Haß gegen den IWF erklärt.

Die zweite Methode der Unterdrückung besteht darin, einen demokratisch gewählten Staatschef durch das repressive Regime eines US-Klienten zu ersetzen

Welches ich jetzt mal unter US-Imperialismus verbuche (welchen ich übrigends vehement ablehne !!)

Führt ein solches "weiches" Vorgehen nicht zum Erfolg, lässt ein Land sich nicht "erziehen", ist die eiserne Faust stets zur Stelle.

Auch hier.

Der makro-ökonomische Ansatz von IMF, WB und WTO nimmt den armen Nationen das Recht, ihre Wirtschaft selbst zu gestalten. Er macht aus ihren Ökonomien ein Reservoir billiger Arbeitskräfte und Rohmaterialien. Er höhlt alle Staatsaufgaben aus, zerstört die Produktion für den Binnenmarkt und zwingt die nationalen Unternehmen in den Konkurs. Das SAP schafft die Mindestlohnabsprachen ab und fördert den Abbau des Sozialstaates; es erzwingt die Deregulierung der Währung und führt zu Zinsanstieg. Die Deregulierung des Handels und die von der WTO verbürgten Urheberrechte erleichtern den TNCs den Zugang zu den lokalen Märkten und erlauben ihnen, die Landwirtschaft, sowie die privaten und staatlichen Dienstleistungen zu beherrschen. Da die Entwicklungsländer Nettoimporteure von Technologien sind, bedingen die Urheberrechte einen "substantiellen Finanztransfer von den Entwicklungsländern zu den entwickelten Ländern" (42).

sag ich später was zu.

Die Multilaterale Investionsvereinbarung der OECD stellt eine Gefahr für die Schaffung von Arbeitsplätzen und für kommunale Initiativen dar, sie schwächt die Gesellschaften zugunsten der TNCs.

Dafür hätt ich doch mal nur zu gerne eine Begründung.

Die EU plant, als Preis dafür dass sie die eigenen Subventionen der Landwirtschaft abbaut, die vollständige Privatisierung der Staatsmonopole der Handelspartner (44).

Wogegen ich nichts sagen kann - Monopole gehören IMHO aufgelöst.
Ansonsten ist es ein Spiel auf Zeit - die Agrarsubventionen werden fallen, früher oder später.
 

hives

Ritter Rosenkreuzer
20. März 2003
2.785
Woppadaq schrieb:
Desweiteren muß ich darauf hinweisen, daß der Spitzensteuersatz nicht die wirklich Reichen trifft, sondern eher die Freischaffenden, Leute, die kaum Abschreibungsmöglichkeiten haben, die ohne Lohnsteuerkarte bei Unternehmen arbeiten, weil bei Einstellung ihr Einkommen sinken würde etc. Das sind allerdings zu einem nicht unerheblichen Teil diejenigen, die eine nicht unwesentliche Binnenkaufkraft bilden - die die Wirschaft durchaus anheben kann.

Das ist ja der Punkt. Kontinuierlich wachsende Steuersätze sollte die Dimensionen der Einkommen berücksichtigen, so dass eben die "wirklich Reichen" getroffen werden.


Woppadaq schrieb:
Wenn einerseits überall Kürzungen vorgenommen werden, ist es ein absoluter Witz, bei Spitzensteuersätzen, Vermögens- und Erbschaftssteuer genau das Gegenteil zu tun. Es ist ein ausgesprochen schlechter Witz.

Nicht unbedingt. Es kann auch ein Versuch sein, ins Ausland gebrachtes Vermögen wieder zurückzubringen, damit es wieder reinvestiert werden kann.

Machen wir uns nichts vor - die Anhebung der Vermögenssteuer ist eine reine Gerechtigkeitssache, die nichts mit der Finanzierung des Staates zu tun hat.

Das wird dir momentan überall eingeredet - siehe auch Zitatesammlung ("da ist nichts zu holen") - das ist schlichte Propaganda - wo soll denn bitte sonst etwas zu holen sein, wenn nicht da, wo am meisten ist?

"Anreize schaffen" als Ausrede für eine weitere Entlastung der Reichen, nicht wirklich nachhaltige Lösungen, wenn du mich fragst...


Beeinflussung von Entscheidungsverhalten wird es immer geben. Woanders macht es der Staat, ganz woanders macht es die Religion, in unserem System macht es die Industrie. Das ist für mich solange kein Problem, wie die Möglichkeit der Aufklärung bzw. der Gegenbeeinflussung gegeben ist.

Ich denke schon, das es auch zu einem Problem werden kann, wenn es noch Möglichkeiten der Aufklärung/Gegenbeeinflussung gibt. Eine relative Frage.

Freie Entfaltung wird nicht durch Manipulation, sondern durch Interessenskonflikte gehemmt. Wenn ich hierzulande keine eigene Firma aufmachen kann, weil ich dazu erst einen Meister machen muß, dann ist da nix mit Manipulation, aber viel mit Besitzstandswahrung, sprich Interessenskonflikt.

Also der Zwang zu einem Meisterbrief hemmt deine freie Entfaltung mehr, als dein lebenslanger gelenkter/suggestiv manipulierter Konsum? Naja, wenn du meinst...


sowohl Monopole als auch gezielt veränderte Nachfrage verfremden den Markt.

Nur daß sich das eine negativ, das andere positiv auf den Markt auswirkt.

"Positiv" ist in diesem Kontext nicht mehr als eine euphemistische Worthülse - "es wirkt sich postiv auf den Markt aus, die Nachfrage gezielt zu verändern" - würdest du das so pauschal behaupten wollen?



Im Dschungel leben mehr Tiere als in der Wüste. Dafür ist die Ansteckungsgefahr im Dschungel größer.

Welche Vegetationsform bevorzugst du ?

Ich mag eigentlich beides ganz gern. Die Wüste fasziniert mich momentan mehr - was jedoch nichts mit deinem Gleichnis zu tun hat...

Vor der Eindämmung des Konsums sollten wir erstmal das Bevölkerungswachstum eindämmen. Meine Meinung.

Okay. Wo würdest du ansetzen?


Woppadaq schrieb:
Der Markt wird durch Produkte geschaffen, die Werbung sorgt lediglich für die verschieden Ausrichtung der Wahrnehmung der Prioritäten. Dagegen hilft nur, daß man seine eigenen Prioritäten klar erkennt.

Ich kann ganz wunderbar ohne Goldkettchen leben.


Also mir persönlich brauchst du das nicht zu erklären -
Ich fühle mich momentan durch Werbung auch nicht wirklich persönlich angegriffen ;)
Man sollte jedoch ab und zu auf der Basis von bisheriger Entwicklung, Vorausetzungen und Prioritäten vielleicht mal die weitere Entwicklung visualisieren...

Schönreden und relativieren kannst du soviel du willst - die Wirtschaft wird immer stärker auf das Kosten-Nutzen-Prinzip abgestimmt werden, Wissenschaftler, die sich nicht in erster Linie diesem Prinzip unterordnen, werden es immer schwerer haben - viele ganze Wissenschaftszweige ebenso.
und nun dieses:
Die Ausrichtung der Wissenschaft nach ausschließlich ökonomischen Prioritäten ist grundsätzlich abzulehnen, jede Beeinflussung daher so gering wie möglich zu halten. Die Effizienz von Wissenschaft hat mit ihrer Rentabilität wenig zu tun.

Letzteres sehe ich nämlich genauso. Ich weiß deshalb nicht, wie du von "Schönreden und relativieren" sprichst, nur weil ich meine, daß Universitäten nicht zu Fässern ohne Böden werden dürfen.

Ich denke, du redest damit die Bestrebungen schön, die Wissenschaft zu ökonomisieren. Auch wenn du das vielleicht nicht ganz so extrem siehst, hört es sich stark danach an.


Woppadaq schrieb:
Nenn mir mal Gegenbewegungen, die sagen , es soll so wie bisher weiter gehen. Ich kenne keine derartigen Gegenbewegungen...

Du meinst, in diesem Lande spricht sich niemand gegen Reformen aus ?

Meine Frage bzw. Aufforderung bleibt. ich kenne niemanden, der sagt, dass es wie bisher weiter gehen soll - es geht um die Richtung der Reformen. Ich persönlich würde erst mal Aktiengewinne hoch versteuern, Vermögens- Erbschaftssteuer etc. rauf, Spitzensteuersätze langsam ansteigend (aber hoch ansteigend) und vieles mehr... (diese Vorschläge nur als kleine Illustration, dass absolut niemand will, dass es bleibt, wie bisher).


Man kann die "globale Schere" so sehen, daß die Armen immer ärmer werden und die Reichen immer reicher.
Oder aber, daß die Armen arm geblieben sind und die Reichen sich "weiterentwickelt" haben.

Ja, das ist die gängige Interpretation. Hab dazu vorhin was im "Demokratisierungs"-Thread gepostet. Bin gespannt auf deine weiteren Ausführungen ;)


1.) Die Opfer auf Seiten der ausgebeuteten/abhängig gemachten/assimilierten/beeinflussten Volkswirtschaften sehen ihre kulturelle Identität gefährdet (->Abwehrhaltungen, Fundamentalisierungen etc.)

Zu Recht. Es liegt aber in deren Ermessen, sich dagegen zu wehren.
Aber wirtschaftlich assimiliert werden sollen sie trotzdem?


2.) Ökonomische Assimilation wird als erste Stufe einer neuen Form von Kolonialpolitik verstanden

Liegt vielleicht daran, daß Kolonialpolitik kaum anderes ist als gewalttätig hervorgerufene ökonomische Assimilation.

Da stimme ich zu ;)

3.) Religiöse Identität wird (auch) aufgrund des ?totalen? ökonomischen Materialismus (Kapital als Priorität) als gefährdet angesehen

Netterweise hast du "auch" geschrieben - denn die religiöse Identität ist noch durch ganz andere Sachen gefährdet.
Unter anderem dadurch, daß die Religionen auf die - auch ohne zwanghaft herbeigeführten Materialismus - bestehenden Fragen dieser Zeit keine befriedigenden Antworten haben.

Was verstehst du denn unter den "bestehenden Fragen unserer Zeit"?


4.) Verschärfung von Hunger & Armut führt allgemein mindestens zu einem gewissen Sympathieverlust der Leute, die dafür verantwortlich sind/gemacht werden...

Bleibt nur die leider sehr oft in ihren Antworten viel zu sehr pauschalisierte Frage: Wer ist dafür verantwortlich ?

Ganz pauschal: Nicht nur die Armen allein...

Ich will damit nicht sagen, der Neoliberalismus sei völlig unschuldig. Aber sein Einfluß wird größer gemacht, als er in Wirklichkeit ist.

Insofern du unter dem Neoliberalismus nur seine theoretischen Kräfte (zb. irgendwelche Ökonomen die von ihrem Vorlesungssaal aus wirklich einen vollkommen freien Markt anstreben) verstehst, hast du recht. Jedoch ist die treibende Kraft, die sich des Neoliberalismus bedient, die "globale" wirtschaftliche Elite, der es vor allem um das eigene Geld geht.

Das der Neoliberalismus als Sammelbegriff für eine unfaire, ungerechte Globalisierung verwendet wird (die oft den eigentlichen neoliberalen Prinzipien widerspricht) ist klar, aber die "praktischen Ausgeburten" des Neoliberalismus sind nunmal keine netten Theoretiker, die sich einer liberalistische Idee verschrieben haben, sondern "Marktmenschen", die nach Profit streben - insofern ist die nicht ganz treffende Bezeichnung doch wieder passend...


Natürlich ist klar, daß sich bei Veränderungen Gegenbewegungen bilden. Aber verglichen mit den nicht ganz so kapitalistischen Islam-Ländern ist der Protest bei uns doch weitaus weniger militant.

Warum sollten wir auch gegen eine bevorstehende Assimilation aufbegehren? :?

Desweiteren frage ich mich, wie du das Problem der sich unbedingt gegenseitig abmeucheln müssenden Völker bspw. in Afghanistan "vernünftig" lösen willst.

Ja, nachdem man sowas jahrelang unterstützt und mit aufgebaut hat, trägt man eine gewisse Verantwortung, wieder mit für Ordnung zu sorgen. Ich bin nicht grundsätzlich und vollkommen gegen alle Einmischungen.



Zu deiner Behandlung des zitierten Texten schreib ich erst mal nichts - er war nur als Inspiration gedacht, und ich habe auch nicht in allen Details zugestimmt - mit welcher Berechtigung "Neoliberalsimus" als Begriff für ganz andere Methoden gebraucht wird, habe ich ja auch oben schon angesprochen.



peace
hives
 

samhain

Ritter Rosenkreuzer
10. April 2002
2.774
hier nochmal was interessantes zum lesen, besonders Woppadaq ans herz gelegt.
es wird überdeutlich, egal wie man es dreht und wendet, sich dieses system letztendlich, um es mal sprichwörtlich zu sagen, wie die katze in den schwanz beisst:

>>Wirtschaftskrise und Geldsystem

Eine Hauptursache für das immer wieder propagierte Wirtschaftswachstum liegt also im Geldsystem begründet. Damit lassen sich viele negative gesellschaftliche und ökologische Symptome erklären. Wenn immer mehr Kapital umgesetzt, Waren hergestellt und konsumiert werden sollen, kommt man natürlich auch auf unsinnige Erfindungen wie Einwegverpackungen, Begradigung von Flüssen oder die einseitige Förderung des Individualverkehrs.

Menschen werden zu Arbeitstieren und Konsummaschinen erzogen um den Warenumsatz zu gewährleisten. In den Schulen werden vor allem Intelligenz und mathematische Fähigkeiten gefördert, während Gefühle und Phantasie in der industriellen Produktion nur hinderlich sind. Ökologie behindert das Wirtschaftswachstum und wird vernachlässigt, denn mit Einsparung von Rohstoffen lassen sich keine Gewinne erzielen. Und auch der Arbeitsmarkt funktioniert vorrangig nach der Devise: "Bauet auf und reißet nieder, Arbeit gibt es immer wieder". Eine Reduzierung der Regelarbeitszeit lässt sich so trotz der technologischen Möglichkeiten kaum durchsetzen. "Es ist wirtschaftlich nicht vertretbar" wird oft argumentiert. Ja, wenn der immer weiter wachsende Kapitalanspruch der Geldverleiher bedient werden muss, ist letztendlich so gut wie gar nichts mehr wirtschaftlich. Die Zinsen nehmen immer größere Teile der Staatseinnahmen und des Bruttoinlandproduktes in Anspruch. Schließlich glaubt man, dass Problem mit Kürzungen von Sozialausgaben und Arbeitslöhnen beheben zu können. Dabei gerät man in eine deflationäre Abwärtsspirale. Die Reduzierung der Einkommen bewirken eine Kaufzurückhaltung der Konsumenten, was die Unternehmen in Bedrängnis bringt. Diese müssen die Preise (z.B. mit Sonderangeboten, Aktionen und Rabatten) herabsetzen, weil sonst die Produkte zu wenig Absatz finden. Darauf schwinden die Unternehmensgewinne und es folgen Lohnkürzungen, Entlassungen oder Insolvenzen. Dies verstärkt die Kaufzurückhaltung der Bürger noch weiter - ein Teufelskreis. Die wirtschaftliche Not großer Teile der Bevölkerung ist so bereits vorprogrammiert! Dadurch kann neuer Nährboden für extreme politische Bestrebungen geschaffen werden. Die Menschen werden in der Not zum nächsten Strohhalm greifen und nach Lösungen verlangen. Bleibt dann noch die Vernichtung des riesigen Kapital- und Warenüberhanges durch Inflation und Krieg. Gegen diesen Automatismus muss angegangen werden! Geldsysteme sind von Menschen erdacht und lassen sich ändern. Ständig steigendes Wirtschaftswachstum ist kein Naturgesetz und auch keine Lösung der gesellschaftlichen Probleme.<<

alles hier:

http://www.linuxmega.de/geld/WKriseGeldsystem.html

außerdem

>>Konjunktur
"Eine solche Blase wie jetzt gab es noch nie"

09. November 2003 Vermögensberater Langen von der Goltz sieht schwarz angesichts der hohen Schulden von Staaten und Privaten.<<

http://www.faz.net/s/Rub034D6E2A72C...6185AB47F6F460741A~ATpl~Ecommon~Scontent.html
 

Woppadaq

Großmeister-Architekt
2. August 2003
1.228
samhain schrieb:
>>Wirtschaftskrise und Geldsystem

Guter Artikel, der im Prinzip nichts falsches sagt.
Nur die Lösungsansätze sind etwas zu kurz gekommen - es scheint, als ob euch derartiges nicht so sehr interessiert !

Ich will deshalb mal mit einem Gegenartikel antworten:

Atemnot in Entenhausen

Auszug:
"Politisch korrekt - aber grundfalsch - ist die Ansicht des Bildungsbürgers, dass sich zum Ende des Mittelalters, irgendwann zur Mitte des 14. Jahrhunderts, der schöne Geist einfach so über den gewohnten Mief erhoben hätte. Die Renaissance, das Zeitalter des frühen Kapitalismus, der Kunst, der neuen Wissenschaft, der Anfang vom Ende des Aberglaubens, all das fiel nicht vom Himmel, sondern war das Ergebnis von null Luft - im Wortsinn.
Die Entdeckung Amerikas, die Conquista, die frühen Bankiers, die Expeditionen in fremde Kontinente, die Erschließung der Welt - sie alle sind Wirkung, nicht Ursache eines fundamentalen Ereignisses. Die risikofreudigste Epoche der Geschichte, erzählt Bernd Roeck, Historiker der Universität Zürich, beginnt im Jahr 1348, dem Jahr der Großen Pest.
"Was da passierte, lässt sich schwer beschreiben und vergleichen. Um eine Vorstellung zu bekommen, was 1348 geschah, müsste man sich überlegen, welche Folgen ein flächendeckender Angriff mit Neutronenbomben auf Europa haben würde", sagt Roeck. Die modernen Massenvernichtungswaffen töten Menschen und Tiere - aber lassen Häuser und Fabriken, Büros und Anlagen unversehrt. Die Große Pest tötete zwei Drittel der europäischen Bevölkerung. Europa war dicht besiedelt, am Rande der Überbevölkerung. Was nach dem Grauen blieb, war, so erzählt Roeck, vor allem "ungeheuer viel Kapital. Das ganze Geld, der Besitz der Toten war übrig geblieben. Das führte zu gewaltigen Vermögensumschichtungen." Der Beginn der neuen Zeit ist eine Katastrophe. Was sie hinterlässt, verlangt dringend nach neuen Ideen. Visionen werden gemacht. Sie müssen gemacht werden, weil sonst auch die Überlebenden nichts mehr hätten, worauf sie bauen können.
Die verwaisten Vermögenswerte sind es, die die Banken der Medici formen. Ihre Macht, die sie in der Renaissance ausüben, gibt den Impuls an die großen Investoren weiter, an die Handelshäuser, die die Fugger groß machen. Jakob Fugger der Reiche war mächtiger als George Bush. Und er setzte, wie alle, die nach der Großen Pest die riesigen Vermögen neu ordneten, im großen Stil und mit hohem Risiko auf neue Entwicklungen, auf die Visionen ihrer Zeit. Alles auf der Grundlage der Pest.
Italien wird zur Heimat der neuen großen Investoren - Venedig, Verona, Bologna sind die Silicon Valleys von damals. Die Unternehmen sind alles andere als risikofrei. "Man braucht sehr viel Geld, um eine Galeere, mit der sich Handelsgüter aus dem Nahen Osten nach Venedig bringen lassen, auszustatten. Seide, Baumwolle und Gewürze bringen viel Geld - Gewinnspannen von 70, 80 Prozent - aber auch ein enormes Risiko." Deshalb beginnen die Venezianer, das Risiko auf Konsortien zu verteilen und entwickeln Versicherungen. "

http://www.brandeins.de/magazin/archiv/2003/ausgabe_07/schwerpunkt/artikel1.html

Naja, lieber nicht lesen, enthält zuviel "kapitalistische Propaganda".
Ich persönlich finde nur die Zusammenhänge interessant.

Auch wenn ich dazu neige, Unternehmer in Schutz zu nehmen, bin ich durchaus nicht einseitig damit zufrieden, was sie tun. Ich hab nichts dagegen, die Reichen zu schröpfen, aber es muß Sinn machen, und der kommt mir hier manchmal zu kurz.

Auch noch interessant:

Der Geldzauberer

Vor 70 Jahren beendete der Wiener Verwaltungsgerichtshof das spektakulärste Geldexperiment der Wirtschaftsgeschichte:
Der Tiroler Ort Wörgl hatte mit einer Lokalwährung erfolgreich die Deflation der dreißiger Jahre bekämpft - 170 österreichische Gemeinden wollten sich dem Versuch anschließen.

http://www.brandeins.de/magazin/archiv/2003/ausgabe_09/was_menschen_bewegt/artikel2.html
 

hives

Ritter Rosenkreuzer
20. März 2003
2.785
Woppadaq schrieb:
Auszug:
"Politisch korrekt - aber grundfalsch - ist die Ansicht des Bildungsbürgers, dass sich zum Ende des Mittelalters, irgendwann zur Mitte des 14. Jahrhunderts, der schöne Geist einfach so über den gewohnten Mief erhoben hätte. Die Renaissance, das Zeitalter des frühen Kapitalismus, der Kunst, der neuen Wissenschaft, der Anfang vom Ende des Aberglaubens, all das fiel nicht vom Himmel, sondern war das Ergebnis von null Luft - im Wortsinn.
Die Entdeckung Amerikas, die Conquista, die frühen Bankiers, die Expeditionen in fremde Kontinente, die Erschließung der Welt - sie alle sind Wirkung, nicht Ursache eines fundamentalen Ereignisses. Die risikofreudigste Epoche der Geschichte, erzählt Bernd Roeck, Historiker der Universität Zürich, beginnt im Jahr 1348, dem Jahr der Großen Pest.
"Was da passierte, lässt sich schwer beschreiben und vergleichen. Um eine Vorstellung zu bekommen, was 1348 geschah, müsste man sich überlegen, welche Folgen ein flächendeckender Angriff mit Neutronenbomben auf Europa haben würde", sagt Roeck. Die modernen Massenvernichtungswaffen töten Menschen und Tiere - aber lassen Häuser und Fabriken, Büros und Anlagen unversehrt. Die Große Pest tötete zwei Drittel der europäischen Bevölkerung. Europa war dicht besiedelt, am Rande der Überbevölkerung. Was nach dem Grauen blieb, war, so erzählt Roeck, vor allem "ungeheuer viel Kapital. Das ganze Geld, der Besitz der Toten war übrig geblieben. Das führte zu gewaltigen Vermögensumschichtungen." Der Beginn der neuen Zeit ist eine Katastrophe. Was sie hinterlässt, verlangt dringend nach neuen Ideen. Visionen werden gemacht. Sie müssen gemacht werden, weil sonst auch die Überlebenden nichts mehr hätten, worauf sie bauen können.
Die verwaisten Vermögenswerte sind es, die die Banken der Medici formen. Ihre Macht, die sie in der Renaissance ausüben, gibt den Impuls an die großen Investoren weiter, an die Handelshäuser, die die Fugger groß machen. Jakob Fugger der Reiche war mächtiger als George Bush. Und er setzte, wie alle, die nach der Großen Pest die riesigen Vermögen neu ordneten, im großen Stil und mit hohem Risiko auf neue Entwicklungen, auf die Visionen ihrer Zeit. Alles auf der Grundlage der Pest."

Naja, so platt hat man mir das nicht mal in der Grundschule versucht zu erklären. Sicherlich spielten große Handelsfamilien eine Rolle bei der der Ausbreitung von Liberalismus und Humanismus, aber sicherlich nicht die einzige. Große Tragödien bilden oft die Grundlage für positive Entwicklungen - wie auch die frühen griechischen Demokratien mit als Reaktion auf die tyrannis entstanden - die reich gewordenen Familien setzten sich eben am besten gegen andere durch, ihnen die Verantwortung für das angesprochene zuzuschreiben ginge imho zu weit. Sie sind ein wesentlicher Bestandteil der Geschichte, nicht deren hauptsächliche Triebfeder.
 

Woppadaq

Großmeister-Architekt
2. August 2003
1.228
hives schrieb:
die reich gewordenen Familien setzten sich eben am besten gegen andere durch, ihnen die Verantwortung für das angesprochene zuzuschreiben ginge imho zu weit. Sie sind ein wesentlicher Bestandteil der Geschichte, nicht deren hauptsächliche Triebfeder.

Wenn du dir den Artikel genauer durchliest, wirst du feststellen, daß genau dieses auch klargemacht wird.

Die, die das Geld haben, geben es für Visionen aus. Fehlen die Visionen, fehlt auch das Geld.

Was ich hier oftmals lese, ist der Wunsch nach Visionen.
Wirkliche Visionen habt ihr auch nicht.
 

hives

Ritter Rosenkreuzer
20. März 2003
2.785
Woppadaq schrieb:
Wenn du dir den Artikel genauer durchliest, wirst du feststellen, daß genau dieses auch klargemacht wird.

Ich hab ihn noch nicht komplett gelesen, nur Zitate und überflogen, werd das noch nachholen ;)

Die, die das Geld haben, geben es für Visionen aus. Fehlen die Visionen, fehlt auch das Geld.

Das Problem ist eben, dass du für Visionen wie "Wir versuchen von nun an eine gerechte Verteilung herzustellen", "Wir versuchen, Diskrepanzen zu beseitigen", "wir versuchen Reformen in globalem Rahmen auf Nachhaltigkeit (dh. die Einbeziheung von Wachstumsgrenzen) auszurichten" etc, die großen Financiers nicht begeistern kannst.

Vereinfacht gesagt hat sich damals mit dem "bürgerlichen" Handel eine neue Kraft neben den alten Autoritäten etabliert, die mit an der Verbreitung neuer Ideen/Prioritäten etc. beteiligt war - du hättest die alten Autoritäten mit noch so überzeugenden Visionen lange um Veränderungen bitten können, das aufstrebende (Handels-)Bürgertum war an Veränderung der Machtverhältnisse interssiert - die heutigen Finanziers sind an der Konservierung der Besitzstände bzw. der weiteren Verschärfung der Unterschiede interessiert. Mit Visionen, die diesen Interssen widersprechen, gewinnst du keinen Großfinanzier...

Was ich hier oftmals lese, ist der Wunsch nach Visionen.
Wirkliche Visionen habt ihr auch nicht.

Nun, ich für meinen Teil habe zb. zumindest Ideen, von denen ich einige auch schon aufgeführt habe.

Wo fehlt dir denn bitte die Vision? Les dir alles noch mal durch, dann findest du allein in diesem Thread schon einige Möglichkeiten für Verbesserungen.

Ein Parteiprogramm oder ein kontingentes System, das in meinen Augen perfekt wäre, kann ich dir für den Moment nicht präsentieren, da hast du allerdings recht. Allerdings ist der Verweis auf "keine Vision" immer einfach, wenn man sich nciht mit den konkreten Vorschlägen auseinandersetzen will...
 

Woppadaq

Großmeister-Architekt
2. August 2003
1.228
hives schrieb:
Das Problem ist eben, dass du für Visionen wie "Wir versuchen von nun an eine gerechte Verteilung herzustellen", "Wir versuchen, Diskrepanzen zu beseitigen", "wir versuchen Reformen in globalem Rahmen auf Nachhaltigkeit (dh. die Einbeziheung von Wachstumsgrenzen) auszurichten" etc, die großen Financiers nicht begeistern kannst.

Das kann mehrere Gründe haben. Es kann daran liegen, daß die Visionen nicht richtig ausgefeilt sind, oder daran, daß der dementsprechende Finanzier nicht gefunden wurde. Oder daran, daß IHR nicht wirklich wißt, was ihr wirklich wollt.

Nehmen wir doch mal deine Visionen auseinander:

--------------------------------------------
1. Wir versuchen von nun an eine gerechte Verteilung herzustellen

OK, also wie stellst du dir eine gerechtere Verteilung vor ? Einheitslohn für alle ? Einkommensbegrenzung ? Einzug sämtlicher Gewinne von Staat bei gleichzeitiger Verteilung derselben vom Staat ? Hatten wir schon. Nannte sich Sozialismus. Resultat bekannt. Da ich aus selbigen komme, kann ich nur sagen: Ich wünsch ihn mir nicht zurück ! Auch nicht besser durchdacht. So etwas kann man nicht effektiv durchdenken, sonst hätten einige dies schon längst getan.

Vielleicht gebe es ja DOCH eine Möglichkeit: Da die Arbeiter den Gewinn erwirtschaften, sollen sie auch an ihn beteiligt werden. Klingt doch gut, nicht ? Was noch viel besser ist: es ist ganz einfach zu realisieren ! Stichwort: Aktien !!! Jeder Arbeiter, der bei einer AG angestellt ist, erhält bei Einstellung automatisch anteilig Aktien.
Nun hat das Ding 2 Haken:
1. Wenn es den Arbeitern finanziell schlecht geht, verkaufen sie ihre Aktien. Die kauft natürlich derjenige, der das Geld hat bzw aufbringen kann, und der tut es natürlich zu einen recht niedrigen Kurs. Gehts dann mit der Firma aufwärts, hat er den Reibach gemacht. Ein gewisser Brynzalow ist damit in Rußland zum Milliardär geworden.(Präsident wurde er gottseidsank nicht.)
2. Nun könnte man den Verkauf auch untersagen. Rein rechtlich kann man das aber nur begrenzt. Ist ja auch logisch. Aktien wie Firmenbeteiligungen muß man verkaufen oder abtreten können. Wenn jemand aus der Firma ausscheidet, muß ja irgendwas mit diesem Anteil geschehen. Fazit: Man begrenzt ihn für eine gewisse Zeit. Gehts mit der Firma aufwärts, steigt der Kurs, ist es in Ordnung. Sinkt der Kurs, sind die Mitarbeiter angeschissen, weil sie um die Möglichkeit gebracht wurden, die Aktien noch rechtzeitig abzustoßen.

Aber tun wir mal so, als ob es den Arbeitern nicht so wahnsinnig schlechter geht, daß sie ihre Aktien verkaufen müssen, und das es auch keine Handelsbegrenzung damit gibt. Nur so neben bei: Beispiele gibt es.

Ein Positivbeispiel war bspw ausgerechnet Microsoft. Bei einem Mitarbeiterstamm von nicht einmal 10 000 (nach damaligen Stand) brachte die Firma ca 2400 Millionäre hervor. (jawollja, das sind 24%). Womit ? Sie verschenkte beim Gang an die Börse Aktien an die Mitarbeiter. Einzelfall ?
Zitat Robert X. Cringely "Unternehmen Zufall" (mein Lieblingsbuch!):
"In der Tat wurde Intel gegründet, weil Noyce keinen der Fairchild-Teilhaber an der Ostküste von seiner Einstellung überzeugen konnte, daß Aktien für die ganze Belegschaft zu erwerben sein sollten, nicht nur für das Management. Alle Angestellten sollten anteilsmäßig am Reichtum und am Erfolg der Firma teilnehmen können, von der Putzfrau bis zum Vorstand.
Diese Art des Managements, bei der Bürotüren eine Rarität und Sekretärinnen Aktieninhaberinnen ihrer Firma sind, ist heute immer noch maßgeblich für Silicon Valley und seine Computer-, Software- und Halbleiterfirmen. Bei manchen funktioniert die Vorgehensweise, bei anderen nicht, aber es gibt keinen Boß, der es nicht vorgezogen hätte, seinen Betrieb so zu leiten, wie Bob Noyce es getan hätte."

Nun gibt es (jawollja, hier in Deutschland) natürlich auch Negativ-Beispiele. Stichwort: Telekom-Aktie. Jeder konnte sie sich leisten. Volksaktie. Hurra. Taten auch viele. T-Aktie stieg. von 36 Euro bei Einstieg auf zwischenzeitlich 100 Euro. Dann sank sie. Irgendsoeiner, der massig Geld in die Aktien gesteckt hatte, war plötzlich sauer. Irgendwo verständlich. Und wen schrieb er an ? Den Vorstand, der dafür verantwortlich ist ? Den Aufsichtsrat, der den Vorstand Feuer unterm Arsch machen könnte. Aber nicht doch ! Nein, dran glauben mußte: Manne Krug ! Der hatteja bitte im Werbespot so sehr von der Aktie geschwärmt. Und was tat Manne Krug ? Er sagte die blanke Wahrheit: "Mein Lieber, Aktien haben nun mal die Angewohnheit, zu steigen und zu sinken." Bild und BZ und wie sie alle heißen, schrieben daraufhin: "Krug verhöhnt T-Aktionäre". Netter Nebeneffekt für Manne Krug: Jetzt wußte jeder, das ER NICHT der richtige Ansprechpartner dafür ist !

Was zeigt uns dieses Beipiel ? Yep, die Leutings hierzulande möchten zwar ganz gerne die Gewinne der Unternehmen haben, aber nicht am Risiko der Unternehmen teilhaben. Die Leute wollen Sicherheit. Und Sicherheit kostet. Wenn du inzwischen den von mir weiter oben verlinkten Artikel durchgelesen hast, müßtest du das auch erkennen können.

Einfache Fangfrage:
Du sitzt in der Kneipe und jemand kommt, setzt sich an deinen Tisch, stellt einen schwarzen Koffer auf, öffnet ihn, zeigt dir den Inhalt. Du guckst rein. Es liegen eine Million Euro in bar drin. Der Typ sagt "Koffer samt Inhalt gehört Dir !"
Was machst du damit ?

2. Wir versuchen, Diskrepanzen zu beseitigen

Damit ich jetzt mal nichts falsches schreibe: welche Diskrepanzen meinst du ? Ich will nicht sagen, daß es keine Diskrepanzen gibt, aber warum sollte ein Unternehmer an der Beseitigung derselben nicht interessiert sein ?

Mal eine kleine Geschichte zum Besten: Es war einmal ein Unternehmer mit Namen Marco Börries. Zu Zeiten, als Microsoft für seine Office-Suite noch 1000 Euro verlangte, kam er auf die Idee, sein eigenes Office-Programm Star Office, welches es durchaus mit dem von Microsoft aufnehmen konnte, für lediglich 75 Euro anzubieten. No Prob, er machte immernoch genug Gewinn. Als das Programm die Versionsnummer 4 erreichte, gab er es für Privatkunden frei, jeder konnte es sich kostenlos herunterladen. Obendrein gabs das Programm für Linux. No Prob, er machte immernoch genug Gewinn. Vobis legte eine CD mit Star Office jeden Drucker mit bei. Als das Programm die Versionsnummer 5 erreichte - die immernoch kostenlos war - , verkaufte er seine Firma an SUN Microsystems für ein stattliches Sümmchen. Eine Weile blieb er noch Chef der Firma, schleißlich gab er sogar den Quelltext frei. Also jeder, der wollte, konnte an dem Programm herumdoktern, wie er wollte, konnte versuchen, es zu verbessern oder daraus eine Mac-Fassung zu kompilieren.
Hatte der Mann irgendetwas davon ? Viele wunderten sich, fragten, was er sich wohl dabei gedacht habe, und die c't kritisierte sogar die Freigabe des Quellcodes. Er sei angeblich so verschachtelt und konfus, daß wohl nur die Staroffice-Entwickler das durchblicken könnten. Das Ganze sei also nicht mehr als ein Werbegag.
Nur das aus diesem Werbegag ein Projekt namens OpenOffice entstand, welches sich ähnlich organisierte wie das Linux-Projekt . Basierend auf den angeblich so konfusen Quelltexten wurde Openoffice inzwischen soweit verbessert, daß es sogar Funktionen besitzt, die nicht einmal das neue MS Office 2003 besitz - für das Microsoft immerhin 500 Euro verlangt !

Lad dir mal OpenOffice auf www.openoffice.org herunter, schau es dir an, führe es anderen vor, zeige, daß es z.B. MS-Office-Dokumente auch von OfficeXP laden kann, sage, daß es umsonst ist. Schau dir die Reaktionen der Leute an. Begeisterung ? Nachdenklichkeit ? Oder wissen die alle ganz genau, warum sie beim Kleinweichoffice bleiben ?

3. wir versuchen Reformen in globalem Rahmen auf Nachhaltigkeit auszurichten

OK, was verstehst du unter "Nachhaltigkeit" ? Du schriebst "Wachstumsgrenzen". Voila, für Unternehmer eigentlich keine Probleme, daß Aktien fallen und sinken, wissen sie, weil Angebot und Nachfrage halt nicht immer Hand in Hand gehen. Und machmal müssen Aktien sinken, damit sie auch wieder steigen können. Bleibt die Frage: Warum können wir uns kein Nullwachstum leisten ? Oder können wir und wissen es bloß nicht ?
Desweiteren ist hier sehr oft von "Konsumverzicht" die Rede - obwohl wir wissen, was das im Endeffekt bedeutet: Deflation. Überhaupt weiß ich jetzt - dank Samhain - daß WIR, DIE VERBAUCHER, die Umsatzsteuer zahlen müssen. Wir müssen also für den Umsatz sorgen. Selbst wenn wir dieses Problem lösen - es läuft dann letztendendes auf die gute nette Taliban-Theokratie hinaus, die wir uns dann anschaffen, nur halt mit christlichen Vorzeichen.

Bleibt ein Problem, welches ich wirklich sehe: Das ständige Bevölkerungswachstum. Für uns eigentlich weniger das Problem, weil die meisten Familien hierzulande eh nur ein Kind auf die Welt bringen, wenn überhaupt. Komischerweise kriegt da der Staat das Zähneschlackern und subventioniert das Mehrkinderkriegen. Kurzsichtig verständlich: weniger Kinder, weniger Menschen, die unsere Rente finanzieren. Wäre an sich auch kein Problem. Man müßte Deutschland als Einwanderungsland verstehen, den Zustrom an Ausländern aber so lenken, daß dabei unsere Rente finanziert werden kann. Die Ausländer, die hier arbeiten (das wär logischerweise Bedingung), führen ja auch Geld an ihre Familien daheim ab. Hätte als Nebeneffekt, daß wir über sechs Ecken den Heimatländern der Ausländer Finanzkraft zuschießen, die sie dann wirklich sinnvoll investieren könnten.

Das klingt so einfach, da ist bestimmt irgendwo ein Haken dran.

Aber selbst wenn wir den Ausländerzustrom begrenzen, können wir immer noch das Bevölkerungswachstum eindämmen. Dazu wäre Aufklärung über Verhütungsmaßnahmen unumgänglich. Und wer sträubt sich dagegen ? Ausgerechnet die, die sich da unten so "nachhaltig" um die Armen kümmern: DIE KIRCHE. Die erzählt dann irgendwas von wegen Sünde und Bewahrung der Schöpfung oder sie erzählt gar nichts und verhindert schlicht und ergreifend Aufklärung mithilfe irgendwelcher ominösen Argumente.

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Naja, Fazit: versucht, mich mal davon zu überzeugen, daß ihr WIRKLICH was wollt, dann können wir darüber reden, ob es sich nicht erreichen läßt. Und löst euch von der Pauschalisierung, egal welcher, sonst werdet ihr in mir immer einen finden, der euch widerspricht.
 

hives

Ritter Rosenkreuzer
20. März 2003
2.785
Woppadaq schrieb:
1. Wir versuchen von nun an eine gerechte Verteilung herzustellen

OK, also wie stellst du dir eine gerechtere Verteilung vor ? Einheitslohn für alle ? Einkommensbegrenzung ? Einzug sämtlicher Gewinne von Staat bei gleichzeitiger Verteilung derselben vom Staat ? Hatten wir schon. Nannte sich Sozialismus. Resultat bekannt. Da ich aus selbigen komme, kann ich nur sagen: Ich wünsch ihn mir nicht zurück !

Also sind alle Gedanken an eine gerechtere Verteilung unsinnig, weil wir schon mal was hatten, was sich "Sozialismus" nannte?

Merkst du nicht, dass du die typischen Massenmedien-Entscheidungsalternativen übernimmst?
Stillstand, Sozialismus oder kompromisslose Neoliberalisierung, sonst gibbet nichts...


Naja, Fazit: versucht, mich mal davon zu überzeugen, daß ihr WIRKLICH was wollt, dann können wir darüber reden, ob es sich nicht erreichen läßt. Und löst euch von der Pauschalisierung, egal welcher, sonst werdet ihr in mir immer einen finden, der euch widerspricht.

"Wir" sollen uns also von sämtlichen Pauschalisierungen lösen, aber vor allem jegliche Gedanken an eine gerechtere Verteilung vergessen - weil wir ja schon mal den Sozialismus hatten - und zudem ein kontingentes Gegenmodell präsentieren, an dem es nichts mehr auszusetzen gibt...

Ich persönlich glaube kaum, dass irgend etwas davon für eine berechtigte Kritik notwendigt ist - auch wenn sie Pauschalisierungen möglichst vermeiden sollte, geht es eben nicht immer vollkommen ohne - wie du selbst in deinen Posts regelmäßig bemerken solltest...
Sich pauschal über Pauschalisierungen zu beschweren ist auch nicht besonders differenziert :?


Zu deinen Ausführungem zu der ersten "Vision" muss ich vor allem mal anmerken, dass du das ganze vornehmlich auf Aktien beschränkt hast, die meiner Meinung nach lediglich eine Beteiligung von Arbeitern an den Gewinnen ihres Unternhemen vorgaukeln. Mit gerechter Verteilung hat das Ganze nichts zu tun.

Stichpunkte, die zu diesem Thema gehören, sind zb. Verteilung der Staatsfinanzierung auf die verschiedenen Einkommensklassen, die Versteuerung von Börsengewinnen, die Organisation von Versicherungssystemen, das Gesundheitssystem, auch die Rahmenbedingungen für Wirtschaft und Ausbildung und vieles mehr.
Hier kann man an unendlich vielen Punkten konstruktiv ansetzen, nur würde es eineigen Besitzstandswahrern gegen den Strich gehen, die einen ziemlichen Einfluss auf Politik und Medien haben - das ist pauschal, könntest du sagen, und hättest damit recht - dennoch ist es die einzig rationale Erklärung für die aktuellen Zustände und Entwicklungen.



2. Wir versuchen, Diskrepanzen zu beseitigen

Damit ich jetzt mal nichts falsches schreibe: welche Diskrepanzen meinst du ? Ich will nicht sagen, daß es keine Diskrepanzen gibt, aber warum sollte ein Unternehmer an der Beseitigung derselben nicht interessiert sein ?

Sicher haben "die Unternehmer" nichts dagegen, wenn du sagst "hey lass uns mal allgemein ein paar Diskrepanzen beseitigen", das ändert nichts daran, dass diesselben Unternehmer immer mehr Gewinne machen, während es immer mehr Menschen immer schlechter geht. Sie sind oft nicht einzeln verantwortlich, es erwächst ganz automatisch aus ihren Wachstumsanalysen und Marktstrategien. Das ist sicher nicht böse gemeint, sondern lediglich wirtschaftliches Kalkül - das ändert nichts an der Verschärfung der Zustände.


Lad dir mal OpenOffice auf www.openoffice.org herunter, schau es dir an, führe es anderen vor, zeige, daß es z.B. MS-Office-Dokumente auch von OfficeXP laden kann, sage, daß es umsonst ist. Schau dir die Reaktionen der Leute an. Begeisterung ? Nachdenklichkeit ? Oder wissen die alle ganz genau, warum sie beim Kleinweichoffice bleiben ?


Denke schon, dass viele Leute, die ich kenne, es in zukunft benutzen werden, danke für den Tip! Prinzipiell haben viele Leute lieber was registriertes von einem großen Konzern, weil sie glauben, dass es verlässlicher ist :roll:
Ich persönlich benutze kein Office, lediglich Word (95, glaub ich momentan).


3. wir versuchen Reformen in globalem Rahmen auf Nachhaltigkeit auszurichten

OK, was verstehst du unter "Nachhaltigkeit" ? Du schriebst "Wachstumsgrenzen". Voila, für Unternehmer eigentlich keine Probleme, daß Aktien fallen und sinken, wissen sie, weil Angebot und Nachfrage halt nicht immer Hand in Hand gehen. Und machmal müssen Aktien sinken, damit sie auch wieder steigen können. Bleibt die Frage: Warum können wir uns kein Nullwachstum leisten ? Oder können wir und wissen es bloß nicht ?

Natürlich muss sich eine intelligente Zivilisation ein "Null-Wachstum", also platt gesagt einen Stillstand was den Handel und Verbrauch von Gütern, Rohstoffen und Naturalien angeht, leisten können - die technische, kulturelle oder wissenschaftliche Entwicklung verhindert das sicher nicht.

Es ist eine Frage von Verteilung und Organisation.
 

Woppadaq

Großmeister-Architekt
2. August 2003
1.228
Ach, hives :(
Ich hätte mir gewünscht, du hättest etwas langsamer geantwortet....vielleicht wäre da mehr bei rausgekommen......ich meine, du stehst hier im Forum nicht unter Druck, schnell zu antworten. Das mußte ich auch erst mal kapieren...

hives schrieb:
Woppadaq schrieb:
1. Wir versuchen von nun an eine gerechte Verteilung herzustellen

OK, also wie stellst du dir eine gerechtere Verteilung vor ? Einheitslohn für alle ? Einkommensbegrenzung ? Einzug sämtlicher Gewinne von Staat bei gleichzeitiger Verteilung derselben vom Staat ? Hatten wir schon. Nannte sich Sozialismus. Resultat bekannt. Da ich aus selbigen komme, kann ich nur sagen: Ich wünsch ihn mir nicht zurück !

Also sind alle Gedanken an eine gerechtere Verteilung unsinnig, weil wir schon mal was hatten, was sich "Sozialismus" nannte?

Ich fragte ausdrücklich: wie stellst du dir eine gerechtere Verteilung vor ?
Und tut mir leid, Einheitslohn, Einkommensbegrenzung und Gesamtgewinneinzug, von wem auch immer - das ist nicht Gerechtigkeit, jedenfalls nicht für mich ! Das ist GLEICHMACHEREI !! Ich bin definitiv für Gerechtigkeit, aber absolut gegen Gleichmacherei.

Der Sozialismus ist lediglich ein gutes, warnendes Beispiel, wohin Gleichmacherei führen kann.

"Wir" sollen uns also von sämtlichen Pauschalisierungen lösen, aber vor allem jegliche Gedanken an eine gerechtere Verteilung vergessen - weil wir ja schon mal den Sozialismus hatten - und zudem ein kontingentes Gegenmodell präsentieren, an dem es nichts mehr auszusetzen gibt...

Habt ihr denn ein Gegenmodell, welches NICHT sozialistische Ansätze besitzt ?
Welches gerecht, aber NICHT gleichmacherisch ist ?
Welches Reichtum erlaubt, was aber IMMER voraussetzt, daß eben nich alle Menschen reich sind ?

Sich pauschal über Pauschalisierungen zu beschweren ist auch nicht besonders differenziert :?

Schöner Satz...:D


Zu deinen Ausführungem zu der ersten "Vision" muss ich vor allem mal anmerken, dass du das ganze vornehmlich auf Aktien beschränkt hast, die meiner Meinung nach lediglich eine Beteiligung von Arbeitern an den Gewinnen ihres Unternhemen vorgaukeln. Mit gerechter Verteilung hat das Ganze nichts zu tun.

Wußt ichs doch !! Du kannst mir sicherlich auch genau begründen, warum die Beteiligung von Arbeitern an den Gewinnen ihres Unternhemen nicht gerecht ist. Und warum derartiges mit Aktien nur vorgegaukelt wird.

Stichpunkte, die zu diesem Thema gehören, sind zb. Verteilung der Staatsfinanzierung auf die verschiedenen Einkommensklassen,
Subvention oder wie darf ich das verstehen ?
die Versteuerung von Börsengewinnen
Glaubst du, daß du damit den - zweifellos negativen - Einfluß der Börse auf die Wirtschaft eindämmen kannst ?
die Organisation von Versicherungssystemen, das Gesundheitssystem, auch die Rahmenbedingungen für Wirtschaft und Ausbildung und vieles mehr.

Hat alles IMHO nichts, aber auch gar nichts mit Gerechtigkeit zu tun, sondern mit Absicherung.
Denkst du, die Wirtschaft entscheidet sich bei den Rahmenbedingungen nach Gerechtigkeit ? Gerecht ist für die, was sich rechnet.

Hier kann man an unendlich vielen Punkten konstruktiv ansetzen, nur würde es eineigen Besitzstandswahrern gegen den Strich gehen, die einen ziemlichen Einfluss auf Politik und Medien haben - das ist pauschal, könntest du sagen, und hättest damit recht - dennoch ist es die einzig rationale Erklärung für die aktuellen Zustände und Entwicklungen.

Im Prinzip hast du Recht.
Aber hast du schon mal daran gedacht, daß DU auch ein Besitzstandwahrer bist bzw. sein könntest ?
Von welchen Vorstellungen bist DU bereit, dich zu trennen, damit es vorwärtsgeht ??


Sicher haben "die Unternehmer" nichts dagegen, wenn du sagst "hey lass uns mal allgemein ein paar Diskrepanzen beseitigen", das ändert nichts daran, dass diesselben Unternehmer immer mehr Gewinne machen, während es immer mehr Menschen immer schlechter geht. Sie sind oft nicht einzeln verantwortlich, es erwächst ganz automatisch aus ihren Wachstumsanalysen und Marktstrategien. Das ist sicher nicht böse gemeint, sondern lediglich wirtschaftliches Kalkül - das ändert nichts an der Verschärfung der Zustände.

Ich benutze da jetzt mal die "Pauschalisierungskeule" !!! ;)

- du meinst also, Unternehmen MÜSSEN selbst dann Gewinne machen, wenn sie Diskrepanzen beseitigen ?
- du hälst Gewinne machen also für ungerecht ?
- Was ist mit den Firmen, die keine Gewinne machen, Leute entlassen, und immer noch Verluste machen ? Sind die gerechter ?
- Geht es uns wirklich immer schlechter ?? Weniger Autos als vor 30 Jahren ? Teuerer Internetzugang als vor 10 Jahren ?
- welches Konzept hast DU gegen die Arbeitslosigkeit ??

Ach ja, und ne Antwort auf meine Fangfrage hätt ich auch ganz gerne...;)

Natürlich muss sich eine intelligente Zivilisation ein "Null-Wachstum", also platt gesagt einen Stillstand was den Handel und Verbrauch von Gütern, Rohstoffen und Naturalien angeht, leisten können - die technische, kulturelle oder wissenschaftliche Entwicklung verhindert das sicher nicht.

Es ist eine Frage von Verteilung und Organisation.

Da bin ich mit Dir mal einer Meinung.

Prinzipiell haben viele Leute lieber was registriertes von einem großen Konzern, weil sie glauben, dass es verlässlicher ist :roll:

Tja, und der Gag ist, das MS Office 2003 teilweise immer noch dieselben Fehler und Absturzursachen hat wie die 97er Fassung !!
 
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