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Fakt oder Lüge - Verschwörungen als "Argument"

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Franziskaner

Ritter vom Schwert
4. Januar 2003
2.061
Fakt oder Lüge?
Die Verschwörungstheorie als Mittel der Argumentation.

Immer öfter müssen wir uns in einer Diskussion damit auseinandersetzen, dass mit nicht "Verschwörungsthesen" argumentiert wird. Diese Thesen basieren i.d.R. immer auf den gleichen Kernkomponenten:

1. Die Einteilung in "gut" und "böse" ist relativ einfach dargestellt.
2. Es wird unterstellt, das Menschen - besonders Politiker, Geheimdienste etc. - immer rational und zielorientiert handeln.
3. Ein bestimmtes "Endziel" wird dem "bösen" Part unterstellt (Machtausbau, Gebietsgewinne, Beschaffung von Ressourcen etc.).

Diese drei Komponenten werden nun in der immer gleichen Weise auf ein bestimmtes, mehr oder minder aktuelles Ereignis angewendet.

Zuerst wird argumentativ in "gut" und "böse" unterteilt. Selbstverständlich wird keine derart simple Wortwahl verwendet, es wird beispielsweise in wirtschaftlich oder militärisch überlegen / unterlegen umgedeutet.

Bei einem aktuellen Beispiel - dem Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah - sind die Rollen schnell gefunden:

Israel hat eine überlegene Militärmaschinerie - die Hisbollah ist eine Miliz mit ein paar automatischen Waffen und ein paar Raketen. Israel strebt eine Veränderung der Region / einen Ausbau des eigenen Territoriums an - die Hisbollah oder auch die Palästinenser verteidigen sich nur gegen die räuberische Landnahme. Die Israelis sitzen während der Raketenangriffe der Hisbollah im sicheren Bunker - die Libanesen sitzen in "Lehmhütten"
und sind den Angriffen hilflos ausgeliefert.

Das primär ist noch keine verurteilenswerte Strategie. Der Versuch, Sympathien oder Antipathien durch Rhetorik zu erzeugen, ist ein durchaus legitimes Stilmittel in einer Argumentation. Interessant ist es, wenn die beiden anderen Komponenten hinzukommen.

In der (falschen) Annahme - oder Unterstellung - das Menschen immer rational und zielorientiert handeln (besonders dann, wenn es sich um Politiker oder sonstige Menschen mit Einfluss/Macht handelt), wird davon ausgegangen das alle Handlungen dieser Personen niemals durch einen irrationalen Effekt zustande kommen, sondern alle immer von langer Hand geplant sind.

Nehmen wir wieder den Angriff der israelischen Armee auf Stellungen der Hisbollah. Man könnte aus gutem Grund davon ausgehen, das dieser zuerst erfolgte, um den Gebietsverletzungen israelischen Staatsgebietes entgegenzutreten und die entführten israelischen Soldaten freizubekommen. Diese Annahme ist zuerst einmal nicht unwahrscheinlicher als die andere, nämlich das es sich hier um einen lange geplanten und sorgfältig vorbereiteten Militärschlag handelt, der irgendeinem langfristigen Ziel der israelischen Führung dienen soll.

Bis hierher ist alles nur eine unter mehreren Thesen, für die mehr oder weniger Indizien vorliegen. Und das ist auch der Punkt, bis zu dem eine Argumentation mit solchen Thesen noch im Rahmen dessen liegt, was allgemein als korrekter Diskussionsstil anerkannt wird.

Doch schauen wir an, was passiert, wenn die dritte Komponente mit ins Spiel kommt. Dem als "böse" definierten Part wird hierbei ein Ziel unterstellt, welches er mit seinen Handlungen verfolgt (denn irrationales Handeln wird ja per se ausgeschlossen). Dieses Ziel ist entweder Landgewinnung, Erbeutung von Ressourcen oder eben auch mal ganz kurz die ethnische oder religiöse Säuberung von ganzen Landstrichen. Wichtig dabei ist, das diese Behauptung nicht als Möglichkeit, sondern als Tatsache dargestellt wird (grammatikalisch sehr schön durch Verwendung des Indikativ an Stelle des Konjunktiv erkennbar).

Wieder im konkreten Fall: "Israel strebt nach Vergrösserung des Staatsgebietes" (Gross-Israel), an Stelle der für eine These korrekten Formulierung "Es wäre möglich, dass...". Die Zusammenarbeit von CIA und Mossad wird als Tatsache, nicht als Möglichkeit dargestellt, ebenso die Tolerierung wenn nicht sogar Förderung einer religiösen Vertreibung von Moslems im Libanon zur Schaffung neuer Mehrheitsverhältnisse (und damit einer anderen Regierung).

Diese dritte Komponente - das Ziel der Verschwörung - ist unbewiesen und unbeweisbar. Fragen nach der Beweisbarkeit werden mit dem Hinweis abgetan, das selbstverständlich eine Verschwörung in diesem Ausmass nicht beweisbar ist, da die "Mächtigen" alles dafür tun, das ihre unlauteren Motive nicht offenbar werden.

Argumente gegen die eigene Verschwörungsthese werden dann entweder als bewusste Manipulation der Verschwörer abgetan, i.d.R. ist derjenige, der die Gegenargumente bringt dann eben ein Opfer von "Mind Control" oder der Propaganda der "Mainstream-Medien". Es wird also grundsätzlich davon ausgegangen, das nur der Verschwörungstheoretiker über die korrekten Informationen zur realistischen Beurteilung der Lage verfügt.

Und genau bei dem bewussten Einsatz der dritten Komponente - einer offensichtlich unbeweisbaren Spekulation - wird aus einer Argumentation eine Lüge. Eine Vermutung wird durch Verwendung des Indikativ als Tatsache dargestellt UND es wird eine offensichtlich falsche These (das nämlich Menschen immer nur rational und zielgerichtet handeln) als Beleg für diese Aussage genommen.Die rhetorische Untermauerung durch die Gut-Böse Deklaration ist dann noch die moralische Rechtfertigung für diese Falschaussage.

Die (wissenschaftlich und argumentationstechnisch korrekte) Forderung, das eine These einer Beweisbarkeit bedarf, weil sie sonst verworfen werden müsste, wird hier bewusst ignoriert.

Selbstverständlich gilt auch bei der Beurteilung, ob es sich um eine einmalige Falschaussage auf Grund fehlerhafter Schlussfolgerungen (in Verbindung mit ungeschickter Wortwahl) oder um eine bewusste Propagandalüge zuerst einmal die Unschuldsvermutung (in dubio pro reo). Jedoch kann mehrmaliger Anwendung immer der gleichen Strategie zu Recht eine Absicht - und damit eine bewusste Lüge - unterstellt werden.
 
G

Guest

Gast
Gut daß Du dieses Thema angesprochen hast.

Ein Paradebeispiel dafür ist 911

Wir haben alle 3 Komponenten zusammen

1. Die Einteilung in "gut" und "böse" ist relativ einfach dargestellt.
2. Es wird unterstellt, das Menschen immer rational und zielorientiert handeln.
3. Ein bestimmtes "Endziel" wird dem "bösen" Part unterstellt

Zuerst wird argumentativ in "gut" und "böse" unterteilt.
Koalition der Willigen - Achse des Bösen oder Islam/Christentum

Tatsächlich wird eine derart simple Wortwahl verwendet.
"Wer nicht für uns ist, ist gegen uns" (Bush)

Beim 911 sind die Rollen schnell gefunden:

Die USA ist die friedliebende Wiege der Demokratie - Bin Laden hat einen Todesstern.

In der (falschen) Annahme - oder Unterstellung - das Menschen immer rational und zielorientiert handeln (besonders dann, wenn es sich um Politiker oder sonstige Menschen mit Einfluss/Macht handelt), wird davon ausgegangen das alle Handlungen dieser Personen niemals durch einen irrationalen Effekt zustande kommen, sondern alle immer von langer Hand geplant sind.

Nehmen wir wieder den Angriff der Amerikanischen Armee auf Afghanistan und den illegalen Überfall auf den Irak. Man könnte aus gutem Grund davon ausgehen, das dieser zuerst erfolgte, um die Drahtzieher des 911 auszuheben. Diese Annahme ist zuerst einmal nicht unwahrscheinlicher als die andere, nämlich das es sich hier um einen lange geplanten und sorgfältig vorbereiteten Militärschlag handelt, der irgendeinem langfristigen Ziel der Amerikanischen Führung dienen soll.

Bis hierher ist alles nur eine unter mehreren Thesen, für die mehr oder weniger Indizien vorliegen. Und das ist auch der Punkt, bis zu dem eine Argumentation mit solchen Thesen noch im Rahmen dessen liegt, was allgemein als korrekter Diskussionsstil anerkannt wird.

Doch schauen wir an, was passiert, wenn die dritte Komponente mit ins Spiel kommt. Der als "böse" definierten Part wird hierbei ein Ziel unterstellt, welches er mit seinen Handlungen verfolgt (denn irrationales Handeln wird ja per se ausgeschlossen). Dieses Ziel ist mal ganz kurz die ethnische oder religiöse Säuberung von ganzen Landstrichen. Wichtig dabei ist, das diese Behauptung nicht als Möglichkeit, sondern als Tatsache dargestellt wird (grammatikalisch sehr schön durch Verwendung des Indikativ an Stelle des Konjunktiv erkennbar).

Wieder im konkreten Fall: "Bin LAden strebt nach der weltweiten Verbreitung des Islam und der Vernichtung aller Christen", an Stelle der für eine These korrekten Formulierung "Es wäre möglich, dass...". Die Zusammenarbeit von AlQuaida und Hussein wird als Tatsache, nicht als Möglichkeit dargestellt, ebenso die existenz von MAssenvernichtungswaffen in Husseins Händen.

Diese dritte Komponente - das Ziel der Verschwörung - ist unbewiesen und unbeweisbar. Fragen nach der Beweisbarkeit werden mit super geheimen Geheimdienstinformationen abgetan deren Veröffentlichung die NAtionale Sicherheit gefährdet.

Argumente gegen die eigene Verschwörungsthese werden dann entweder als Verschwörungstheorie abgetan oder man wird gleich als Sympathisant der Achse des Bösen zugeschrieben.

Es wird also grundsätzlich davon ausgegangen, das nur der Verschwörungstheoretiker über die korrekten Informationen zur realistischen Beurteilung der Lage verfügt.

Und genau bei dem bewussten Einsatz der dritten Komponente - einer offensichtlich unbeweisbaren Spekulation - wird aus einer Argumentation eine Lüge. Eine Vermutung wird durch Verwendung des Indikativ als Tatsache dargestellt UND es wird eine offensichtlich falsche These (das nämlich Menschen immer nur rational und zielgerichtet handeln) als Beleg für diese Aussage genommen.Die rhetorische Untermauerung durch die Gut-Böse Deklaration ist dann noch die moralische Rechtfertigung für diese Falschaussage.

Die (wissenschaftlich und argumentationstechnisch korrekte) Forderung, das eine These einer Beweisbarkeit bedarf, weil sie sonst verworfen werden müsste, wird hier bewusst ignoriert.

Selbstverständlich gilt auch bei der Beurteilung, ob es sich um eine einmalige Falschaussage auf Grund fehlerhafter Schlussfolgerungen (in Verbindung mit ungeschickter Wortwahl) oder um eine bewusste Propagandalüge zuerst einmal die Unschuldsvermutung (in dubio pro reo). Jedoch kann mehrmaliger Anwendung immer der gleichen Strategie zu Recht eine Absicht - und damit eine bewusste Lüge - unterstellt werden.

:wink:
 

Franziskaner

Ritter vom Schwert
4. Januar 2003
2.061
ja, du hast es fast verstanden...

EDIT: Ok, nachdem sich niemand an dem "fast" aufhängen möchte, erklär ich's nochmal, warum fast:

Nehmen wir wieder den Angriff der Amerikanischen Armee auf Afghanistan und den illegalen Überfall auf den Irak. Man könnte aus gutem Grund davon ausgehen, das dieser zuerst erfolgte, um die Drahtzieher des 911 auszuheben. Diese Annahme ist zuerst einmal nicht unwahrscheinlicher als die andere, nämlich das es sich hier um einen lange geplanten und sorgfältig vorbereiteten Militärschlag handelt, der irgendeinem langfristigen Ziel der Amerikanischen Führung dienen soll.

Wobei beides eine Rationalität unterstellt, die so nicht gegeben sein muss. Es wurde nämlich zufällig eine dritte Möglichkeit ausser Acht gelassen, das nämlich der Krieg gegen die Taliban die (irrationale) Ursache darin hätte, das ein innenpolitisch durchaus schwacher und angeschlagener Staatschef (durch die Anschläge vom 11.9.) auf die Idee gekommen wäre, durch aussenpolitischen Aktionismus wieder Boden gut zu machen. Das wäre nämlich die Möglichkeit, die ohne eine "Verschwörung" auskommt, während du versuchst, Verschwörung gegen Verschwörung gegeneinander auszuspielen (und dann noch andeutest, durch die Falsifizierung der einen würde die andere an Glaubwürdigkeit gewinnen).

Ich denke, damit ist klar, an welchen Maßstäben sich eine Diskussion in diesem Unterforum zumindest bei meinen Bewertungen messen lassen muss.
 
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