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Frage an die Muslime hier: Muslimische Glaubensrichtungen

Giacomo_S

Ritter der ehernen Schlange
13. August 2003
4.091
Ich beschäftige mich z.Zt. am Rande mit dem Islam, u.a. aus anhand deutschsprachiger Bücher. Aber bisher habe ich aus den von mir gelesenen Quellen eine Frage nicht wirklich lösen können:

Was ist eigentlich - heutzutage - der religiös-ideologische Unterschied zwischen Sunniten und Schiiten ?

Die Literartur erklärt sich da immer nur in der Herkunft der beiden Religionsrichtungen, Anerkennung von Mohammeds Vetter und Schwiegersohn Ali ja oder nein, aber es ist mir überhaupt nicht klar, was denn jetzt die heutigen, tatsächlichen Unterschiede in der Religionspraxis darstellen ?!

Und dann gibt es dan noch die (wenn auch deutlich kleineren) islamischen Richtungen Imamiten, Ismailiten, Zaiditen, Kharidschiten und Alawiten.
Was ist mit denen ?

Vielleicht können uns die muslimischen Teilnehmer hier im Forum mal etwas auf die Sprünge helfen.
 

Blake

Großmeister
28. November 2005
60
Mit den Alawiten meinst du wahrscheinlich die Aleviten.
http://de.wikipedia.org/wiki/Aleviten. Wikipedia kann besser erklären als ich.

Der Unterschied zwischen Schiiten und Sunniten besteht zum großen Teil in ihrer Organisation, wobei die Schiiten den Katholiken entsprächen und die Sunniten den Protestanten. Dies hängt mit der Nachfolge Alis zusammen. Die Schiiten akzeptieren die Abfolge der Kalifen-Herrschaft nicht, sondern betrachten die leiblichen Nachkommen Mohammeds (und Alis) als rechtmäßige Kalifen. Bei den Imamiten, Ismailiten, Zaiditen sind die Nachfolgerketten unterschiedlich lang. Die Imamiten glauben an 12 Nachfolger (Imame), die Ismailiten an 7 Imame und die Zaiditen an 5 Nachfolger Mohammeds.
Die Imamiten und Ismailiten glauben, dass ihr jeweils letzter Imam versteckt ist und irgendwann wieder erscheint. Bis dahin nimmt ein geistlicher Führer seine Stellung in Vertretung ein. Es gibt aber unterschiedliche Ansichten, wer dieser Anführer sein soll. Der Aga Khan ist beispielsweise das Oberhaupt der Nizari-Ismailiten. Ayatollah Khomeini war Führer der 12er Schiiten, heutzutage wird Ayatollah Sistani allgemein als sein Nachfolger angesehen.
Die 5 Säulen des Islams sind bei allen Moslems gleich.
http://www.libanon-info.de/lib/reli/relimo.html
 

fumarat

Erhabener auserwählter Ritter
21. Januar 2003
1.133
Ich spreche aus der Sicht eines sunnitischen Muslims.

Was die Schia anbelangt. Ursprünglich handelte es sich hierbei um eine frühe Gruppe, die andere politische Ansichten vertrat als die regierenden Muslime. Viele der heutigen Sunniten loben die Ziele und Ansichten der früheren Schiat Ali (Partei Alis).

Mit der Zeit entwickelten sich jedoch Gruppen, beziehungsweise gingen aus ihnen Gruppen hervor, die sich auf die Schia beziehen, jedoch auch religiöse Ansichten vertreten die von der sunnitischen Glaubenslehre abweichten.

Das Problem ist, dass die heutigen Gruppen die sich auf die Shia beziehen sehr inhomogen sind, unter ihnen gibt es solche die den sunnitischen Islam praktizieren jedoch eine gewisse ideologische Verbundenheit mit der Schia verspüren und sich deshalb so nennen. Es gibt aber auch andere wie das iranische 19er Schiitentum, welche (zumindest die Priester unter ihnen) von sunnitischen Gelehrten als Apostaten angesehen werden.

Ein recht ausführlicher Link (aus sunnitischer Sicht), leider nur als Cache:

Schiitentum


Grüße fumarat
 

Blake

Großmeister
28. November 2005
60
Aphorismus schrieb:
Was sind die fünf Säulen des Islam? Auf der Seite finde ich dazu nichts.

1. Das Glaubensbekenntnis aussprechen (Gott ist Gott, und Mohammed ist sein Prophet).

2. Täglich 5 mal beten.

3. Wohltätigkeit (Almosen) gegenüber Armen.

4. Fasten während des Ramadans.

5. Pilgerfart nach Mekka.

Das sind Pflichten, die ein Moslem erfüllen muss, doch handelt es sich um eine Kannbestimmung. Ist er zu krank oder arm, zählt auch Wunsch und Wille zur Erfüllung.
 

fumarat

Erhabener auserwählter Ritter
21. Januar 2003
1.133
... aber wie ordnet sich der Sufismus da mit ein?

Ibn Taymiyya gab meines Erachtens eine der verständlichsten und kürzesten Erklärungen: "Sufismus ist ein Begriff der zur Zeit des Propheten und in den ersten Generationen nicht bekannt war. Somit kann man weder grundsätzlich sagen er sei schlecht, noch kann man sagen Sufismus sei grundsätzlich gut. Ich sehe vielmehr dass manche gute und lobenswerte Dinge tun und sie nennen es Sufismus. Und ich sehe andere die schlechte und abzulehnende Dinge tun und sie nennen es Sufismus."


Grüße fumarat
 

Hizbollah

Geselle
18. Dezember 2002
12
Der unterschied zwischen den Schiiten und Sunniten ist....
Als der Prophet Mohammed im sterben lag sollte Ali der Neffe und Schwiegersohn Mohammeds die Nachfolge als erster Kalif antreten(den nur er alleine hatte anspruch darauf da er der einzige männliche Blutsverwandte war und Mohammed das im Sterbebett verlangt hat).
Jedoch war Aisha/Mohammeds Ehefrau und Tochter von Abu Backer(-einer der engsten Verbündeten Mohammeds)/anderer Meinung und sie und ihr Vater rißen das Kalifat durch eine Lißt an sich.
Man soll wissen zu der Zeit war der Islam sehr gespallten und Ali wollte den Islam nicht noch mehr spalten(indem Blut zwischen seinen Anhängern-Schiiten-und Abu Backers Anhängern-den Sunniten-fließt,so vermied Ali den Krieg zwischen seinen Glaubensbrüdern.
Und so gingen Alis Anhänger mit ihm,Abu Backers anhänger fingen mit Islamisierung an.Sie plünderten und eroberten immer mehr Länder im falschen namen des Islam.
Und deshalb fand Abu Backer immer mehr Anhänger,die nach Macht und Geld strebten.
Das erklärt warum es mehr Sunniten gibt den die meisten Menschen streben nach Macht ,Ruhm und Reichtum.
Ali jedoch lebte und verbreitete seine Reliogion wie Mohammed es wollte.
Ali starb arm und mittelos,die Schiiten lebten Jahrhunderte lang in unterdrückung und wurden verhöhnt.
Bis heute....
Beispiele:
Die Jahrelange unterdrückung und ermordung ...
-durch Saddam Husssein
-durch die Taliban und Ussama Bin Laden
-durch die aktuellen Bombenanschläge an Schiitischen Pilgern,in Moscheen im Irak von Sunnitischen Terroristen
-ja sogar bei der Pilgerfahrt nach Mekka durch Sunnitische Pilger und den Saudischen Aufsichtbehörden.




Wenn jemand noch fragen hat,beantworte ich diese gerne???
 

Hizbollah

Geselle
18. Dezember 2002
12
Und eins habe ich noch vergessen
-die ermordung,ja die Hinrichtungen an Hassan und Hussein(ALis Söhne) und den größten Teil der damals lebenden Schiiten
von den Sunniten
 

Giacomo_S

Ritter der ehernen Schlange
13. August 2003
4.091
Hizbollah schrieb:

Das mit der Herkunft der beiden Religionsrichtungen ist mir schon klar.
Nur erschliessen sich mir die heutigen Unterschiede nicht.
Darf ich Deine Antwort so verstehen, dass Schiiten ein fundamentaleres Verständnis des Islam haben, während die Sunniten ein formaleres Verständnis des Glaubens haben ?

Malakim schrieb:
@Hizbollah

Es klingt nicht sehr objektiv was Du da schreibst.

Das ist auch gar nicht so wichtig.
 

jaccoman

Lehrling
2. Dezember 2005
2
Hallihallo. Schönes Forum hier! Mein erster Post hehehe:
Ich hab da mal eine Frage an dich Hizbollah:
Ich hab in meiner Umgebung einige Schiiten (in der Schule). Viele verehren Ali sehr und haben Bilder von ihm an der Wand. Ich war mal vor Jahren bei einer Geburtstagsfeier. Leider hab ich keinen direkten Kontakt mehr zu Schiten.
Ich hab mal gehört, dass es auch im Islam ein Bilderverbot gibt. Korrigiere mich bitte, wenn ich falsch liege. Wieso werden überhaupt nur Bilder von Ali aufgehängt und er sehr oft gelobt, wobei doch Mohammed der Prophet ist. Ich hab den Eindruck, dass die Verehrung Alis höher ist als die des Mohammed. Woran liegt das?
Im TV hab ich auch oft Schiitische "Feste" gesehen, wo sich die Menschen geisseln. Ist das eine religöses Ritual? Das hab ich aber nur bei Schiiten gesehen. Wieso quälen sie sich?

Ich hoffe du beantwortest mir die fragen. Ist auf jeden Fall ein interessantes Thema. Und Tschüüüüüsssss
 

Blake

Großmeister
28. November 2005
60
@Giacomo_S
tschuldigung, mir ist nicht klar, was du mit fundamentaleres/formaleres meinst.
Streng/weniger streng?
 

fumarat

Erhabener auserwählter Ritter
21. Januar 2003
1.133
Das mit der Herkunft der beiden Religionsrichtungen ist mir schon klar.
Nur erschliessen sich mir die heutigen Unterschiede nicht.
Darf ich Deine Antwort so verstehen, dass Schiiten ein fundamentaleres Verständnis des Islam haben, während die Sunniten ein formaleres Verständnis des Glaubens haben ?

Nun ich würde dir wirklich den Text empfehlen, den ich bereits verlinkt habe. Denn man sollte nicht vergessen dass die Sunniten (welche in der Realität die große Mehrheit bilden), sich ebenfalls auf Ali berufen, während Extrem-Schiiten (besser Rafidha) ihn und einige andere Prophetengefährten für sich beanspruchen und ihr Haß gegenüber den ersten drei Kalifen und anderen Gefährten oft sehr deutlich hervortritt. Das geht soweit, dass man sich im Iran per Gesetz nicht "Umar" oder "Aischa" nennen darf. Andererseits sind Namen wie Fatima, Ali, Hassan oder Husein kein Privileg der Schiiten, sondern auch unter Sunniten stark verbreitet.

Nochmal, die heutige Schia ist absolut inhomogen und man kann nicht pauschal über sie urteilen. Die extremen 19er Rafidhas, wie sie im Iran verbreitet sind, unterscheiden sich von den Sunniten deutlich. Die klassischen Streitpunkte und Unterschiede sind:

-das Verfluchen eines Teiles der Prophetengefährten
-Verzerrung der früh- und spätislamischen Geschichte
-Ablehnung der sunnitischen Hadithwissenschaft und somit zweiter Hauptquelle des Islam
-Ablehnung auch der meisten bekannten sunnitischen Koranexegeten und somit dem klassischen Koranverständnis

somit werden Rituale und Gesetze praktiziert, die den Muslimen nicht bekannt sind, wie:

-Grabesanbetungen, bzw. Pilgerreisen zu Gräbern, teilweise sogar mit analogen Ritualen wie in Mekka, wie in Kerbala
-Ali und Fatima werden in übermenschlichen Zügen verehrt, sie werden um Hilfe aufgerufen etc.
-Zeitehe: Ehe für eine Frist von minimal 3 Tagen, im Iran wurde die Errichtung von "islamischen Freudenhäusern" unter bekannten Ayatollahs diskutiert.
-Bilderverbot wird nicht eingehalten
-Selbstgeißelungen

..und viele weitere "kleinere" Unterschiede im islamischen Recht

Wobei man nochmal deutlich sagen muss dass diese Punkte nur für einige der heutigen extremen Ausprägungen zutrifft. Ebenso gibt es unter den Sunniten manche die das klassische Islamverständnis verlassen haben.


Grüße fumarat
 

Blake

Großmeister
28. November 2005
60
@fumarat,
ich glaube kaum, dass ein Nichtmoslem die Hälfte von dem verstanden hat, was du geschrieben hast.
Extremisten gibts auf beiden Seiten. Zwar geht die Schere bei den Schiiten weiter auf, doch Al-Qaida ist sunnitisch. Ihre Überzeugungen und Taten mögen dem Koran nicht entsprechen, aber sie berufen sich auf ihn.
 

Giacomo_S

Ritter der ehernen Schlange
13. August 2003
4.091
Blake schrieb:
@Giacomo_S
tschuldigung, mir ist nicht klar, was du mit fundamentaleres/formaleres meinst.
Streng/weniger streng?

Nicht zwingend.
Mit "fundamental" meinte ich jemanden, der religiöse Vorschriften aus einem in seinen Augen übergeordneten Sinne zu begreifen versucht. "Formal" meint, jemand befolgt die Vorgaben der Form entsprechend, versucht aber nicht einen übertragenen Sinn darin zu finden.

Ein Beispiel aus der christlichen Welt:
Manchmal sind Protestanten, obwohl sie als die liberaleren Christen gelten, "fundamentaler" als Katholiken. Z.B. gibt es Protestanten, die den Karneval ablehnen, weil eine Verkleidung gegen das Gerbot verstosse, nicht zu lügen. Jemand, der sich verkleide, verstecke sich hinter seiner Verkleidung, sei nicht mehr er selbst und verstosse deshalb gegen das Gebot.
Katholiken wiederum würden auf eine solche Interpretation kaum kommen. Sie begreifen das Gebot eher formal: Du sollst nicht lügen. Und das täte er ja wohl nicht, indem er sich eine Pappnase aufsetzt.
 

Boabdil1492

Geselle
6. April 2005
43
Die Literartur erklärt sich da immer nur in der Herkunft der beiden Religionsrichtungen, Anerkennung von Mohammeds Vetter und Schwiegersohn Ali ja oder nein, aber es ist mir überhaupt nicht klar, was denn jetzt die heutigen, tatsächlichen Unterschiede in der Religionspraxis darstellen ?!

Es ging wohl anfangs nur um die Führung der Ummah (Islamischen Welt-Gemeinde). Die ersten Vier Kalifen (Abu Bakr, Omar, Othman, Ali), waren Gefährten des Propheten(SAW). Ali (RA) war sein Vetter, Abu Bakr(RA) sein Schwiegervater (wenn ich jetzt nicht irre). Auch zu Omar(RA) und Othman(RA) bestanden wohl verwandschaftliche Beziehungen? Diese vier Persönlichkeiten der frühislamischen Gesichte werden in den Überlieferungen des Propheten(SAW) immer wieder gelobt und besonders hervorgehoben. Alle vier wurden, mehr oder weniger, zum Kalifen (Nachfolger des Propheten(SAW) als Staatsoberhaupt) gewählt. Die Wahl fand innerhalb eines aristokratischen Rats der führenden Muslime statt.

Wahrscheinlich waren schon bei der Wahl Abu Bakrs(RA) einige der Meinung das Ali(RA) durch prophetische Legitimation (besondere Hervorhebung durch den Propheten) der einzige Rechtmäßige Kandidat sei. Ali(RA) selbst scheint keinen Anspruch erhoben zu haben (die spätere schiitische Geschichtsschreibung erklärt das dann mit der Takiyya, der konspirativen Verstellung, um wahre Absichten solange geheim zu halten bis zum rechten Zeitpunkt).

Die Meinungsverschiedenheiten vergrößerten sich später. Wobei die Schiat Ali (die Parteiung die sich für die Kalifenschaft des Ali(RA) einsetzte) ihre Position durch Hadithe bzw. deren Auslegung bezüglich Alis(RA) spirituelle Führungsrolle verschärfte. Es ging etwa ab der Kalifenschaft von Otman(RA) immer stärker in Richtung Erbmonarchie. Nur Nachkommen des Propheten(SAW), also Ali(RA) und Fatima (die Tochter des Propheten-SAW und Frau Alis-RA), seien die Rechtmäßigen Kandidaten auf die Kalifenwürde. Otman(RA) wurde von Fanatikern (die sich Ali(RA) einsetzten) ermordet (es war der erste innerislamische Mord). Ali(RA) selbst hatte wohl nichts mit diesem Anschlag zu tun und versuchte nach seiner Einsetzung als Kalif die Mörder zu bestrafen. Überhaupt kam es zum ersten Bürgerkrieg zwischen den Muslimen (Kamelschlacht).

Bei der Wahl Otmans(RA), die zwischen den beiden Hauptkandidaten Otman(RA) und Ali(RA) ausgetragen wurde, verzichtete Ali(RA) zugunsten Otmans(RA) auf die Kalifschaft. Einige Parteigänger Alis(RA) bezichtigten deshalb Ali(RA) als "Verräter". Diese Gruppe wurde Haridschiyya ("die Aussenstehenden") genannt. Diese Haridschiyya "verfluchte" Otman(RA) sowie Ali(RA). Diese "Verfluchung" wurde durch angebliche theologische Beweisführung untermauert (die beiden Kalifen hätten sich dem Willen des Propheten(SAW) widersetzt). Die Mörder Othmans(RA) waren aus Basra (später entwickelte sich Basra zu einem Zentrum des Schiismus) und rekrutierten sich aus den Reihen der Haridschiten. Es kam zu einer chaotischen Situation: Radikale Anti-Schiat Ali Parteigänger verbreiteten das Gerücht Ali(RA) selbst hätte den Anschlag auf Othman(RA) geplant und ausführen lassen. Als Ali(RA) gegen Basra zog um die haridschitischen Mörder Othmans(RA) zu bestrafen sammelte sich ein Heer unter Marwan(RA) und Aischa(RA) von der Anti-Schiat Ali Fraktion um den vermeintlichen Angriff der Schiat Alis gegen die Anti-Schiat Ali zu begegnen. Die Schlacht entschied Ali(RA) für sich. Das Ali(RA) die Verwirrung erkannte und das Chaos benden wollte wird daraus ersichtlich das er alle Unterlegenen (Marwan-Aischa Fraktion) durch eine Generalamnestie die Freiheit gab (nach islamische Recht ist die Strafe für einen Aufruhr gegen den Kalifen der Tod).

Kurze Zeit später wurde Ali(RA) selbst durch einen haridschitischen Anschlag ermordet. Auch das ein Beweis dafür das die Sunniten und Schiiten bis zu diesem zeitpunkt ihre differenzen nicht mit Gewalt ausgetragen haben. Die erste Bluttat ging von der dritten Gruppe, den Haridschiten, aus. Die Ermordung von Otman(RA) und Ali(RA) geht auf das "Konto" dieser Gruppe. Die Haridschiten hatten jedoch mit ihren radikalen Ansichten keine Chance innerhalb der Ummah. Als quasi-sektiererische Gruppe existierten sie an den Rändern des Islamischen Reiches (heute besonders stark im Oman).

Und dann gibt es dan noch die (wenn auch deutlich kleineren) islamischen Richtungen Imamiten, Ismailiten, Zaiditen, Kharidschiten und Alawiten. Was ist mit denen ?

Die Imamiten (12er Schia) sind die größte schiitische Gruppe. Die Verfassung der "Islamische" Republik Iran basiert auf die 12er Schia. Als nach der Ermordung Alis(RA) die Omayyaden die Linie des sunnitisch-erbmonarchistischen Kalifats gründeten wurde die theologische Sicht der Schiat Ali immer sturer. Das gipfelte z.B. dann in einem gesonderten Hadith-Kompendium für die Schia (während in den ersten 200-300 Jahren auch die Schia sich auf die anerkannten sunnitischen Hadithsammlungen von Buchari und Muslim u.a. beriefen). Absolute Autiorität über theologische Fragen hatte nur der Imam (Kalif) aus der Linie (Ali-Fatima). Hier entwickelte sich quasi ein biologistisches Legitimationsfundament heraus. Im Gegensatz dazu entwickelte sich bei den Sunniten eine Gewaltenteilung zwischen Kalif und Ulema (Geistlichkeit).

Weil ihnen die Ansichten einiger direkter Nachfolger von Ali(RA) nicht zusagten spalteten sich die Schiiten wiederum untereinander (5er und 7er Schiiten). Als der 12. Imam (Muhammed al-Mahdi, etwa um 870) "entrückt" wurde (nach der schiitischen Doktrin wurde dieser Imam von Gott "entrückt"), richtete sich eine Art "Stellvertretergremium" aus der schiitischen Geistlichkeit bestehend ein. Auch in der Verfassung der "Islamischen" Republik Iran ist ausdrücklich vermerkt das die politischen und religiösen Staatsführer nur "Verwalter" sind; bis zur Ankunft des "entrückten" Imam.

Mit dem "Entrückungsphänomen" beginnt eine stark chiliastisch geprägte Phase der schiitischen Theologie. Daher auch die starke Ähnlichkeit des schiitischen Klerus mit dem christlichen Priestertum.

Heute spielt bei den schiitischen Iranern auch der Nationalismus eine Rolle. Der erste nicht-arabische Muslim war Salman Farisi(RA), Salman der Perser. Wahrscheinlich gehörte Salman(RA) zur frühen Schiat Ali. Die Iraner nehmen sich deshalb, unterschwellig, die Rolle des "Auserwählten Volkes" heraus (quasi als unbestechliche Verteidiger Alis bzw. des Imamats). Der Schiismus im Iran wurde aber erst Anfang des 16. Jahrhunderts von der türkischen Dynastie der Safawiden durchgesetzt.

Im 19. Jahrhundert versuchten "Reformer" wie Afghani die theologischen Unterschiede zwischen den Sunniten und dem Schiismus zu ignorieren um eine politische Einheitsfront gegen den europäischen Kolonialismus hervorzubringen. Afghani selbst war Schiite, gab sich aber in seinem Hauptwirkungsraum (Osmanisches Reich, besonders Istanbul und kairo) als Sunnite aus. Aus heutiger sunnitischer Sicht wird Afghani deshalb auch die Takiyya unterstellt. Nach der "islamischen" Revolution im Iran von 1979, kam es zu einer Flut von Konversationen innerhalb der sunnitischen Kerngebiete zum Schiismus. Jedoch ebte diese Mode wieder schnell ab. Nur unter einigen Intellektuellen in arabischen Staaten und der Türkei gibt es noch einige "islamische Revolutionäre" a la Iran. Diese legen zumeist eine allgemein als pan-islamisch zu bezeichnende Grundposition an den Tag. Die theologischen Differenzen werden meistens heruntergespielt. Auf anfragen welche Rechtsschule denn in einem pan-islamischen Einheitsstaat vorherrschen soll werden oft synkretistische Argumente vorgebracht um schließlich die schiitische zu favorisieren. Besonders berühmt im nicht-schiitischen Ausland ist der iranisch-schiitische Revolutionär Ali Schariati. Er gilt als einer der intellektuellen Vordenker der "islamischen" Revolution im Iran.



Frühe Schia:

http://www.orientphil.uni-halle.de/sais/paul/04.htm

http://www.orientphil.uni-halle.de/sais/paul/09.htm

Schia im Iran:

http://www.hausarbeiten.de/faecher/hausarbeit/isl/444.html

Schia im Libanon:

http://www.libanon-info.de/lib/reli/relimomuslimsch.html

Schia in Indien/Pakistan:

http://www.suedasien.net/themen/islam/schiiten.htm

Ali Schariati:

http://www.bautz.de/interkulturell/rez_199-5.html

http://shariati.com/

http://www.mmnetz.de/onlinebuecher/zivilisation_und_modernismus.htm
 

Blake

Großmeister
28. November 2005
60
@Boabdil1492
Wow, so ausführlich! 8O

Doch sollte unbedingt die Schlacht von Kerbela erwähnt werden.
Nach Muawiyas(Nachfolger Alis) Tod kam es erneut zu Streitigkeiten um das Kalifenamt zwischen Yazid(Sohn Muawiyas) und Husain(Sohn Alis).
http://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_von_Kerbela
Für mich ist das die eigentliche Geburtsstunde der Schiiten, denn danach war das Tischtuch endgültig zerschnitten. Durch das jährliche Aschura-Fest wird ständig an das Gemetzel erinnert und die Schiiten konditionieren sich dadurch immer wieder auf die Unterschiede zu den Sunniten.

@Giacomo_S
Dazu fehlen mir die Innenansichten. Die einzelnen Stömungen innerhalb beider Konfessionen sind groß, deshalb kann man wohl auch nicht pauschalieren. (Obwohl du in den Tendenzen wohl recht haben magst)

Mich überrascht dein Beispiel etwas.
Seit wann ist Lügen im christlichen Glauben nicht erlaubt? Bei welchen Protestanten ist sich kostümieren verboten?
 

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